Heute Morgen musste es bei mir wieder schnell gehen: Um zwanzig nach sieben bringt mich die Bahn ins Büro – und vorher musste noch der Müll in die Tonne. Wie viele Kilo ich wohl in einem Jahr aus dem vierten Stock trage? Ein Mann kann mir das ziemlich genau sagen: Andreas Panke. Der 58-jährige Erfurter ist Leiter Betrieb-Anlagen bei der TUS GmbH – und damit der Herr über die Restabfallbehandlung in Erfurt. Ich habe mich vor Ort mal umgeschaut.

Es sind übrigens rund 200 Kilogramm, die jeder Bewohner der Landeshauptstadt per annum noch in die schwarze Tonne wirft. Und – glücklicherweise funktioniert die Abfalltrennung hier sehr gut. „Batterien haben wir fast keine im Müll, auch mit Papier oder der gelben Tonne könnten wir nichts anfangen“, klärt mich Panke auf. Moment… Müllverbrennung? Da wird doch sowieso alles zusammengeworfen?

Von wegen…! An der Schwerborner Straße steht die RABA Erfurt-Ost, mit dem weithin sichtbaren blassorangen Müllbunker. „RABA“, kurz für Restabfallbehandlungsanlage. Dieses rund 40 Meter hohe Gebäude ist allerdings nur ein Teil des Komplexes. Darin findet die ‚Energetische Verwertung‘ statt, also die eigentliche Verbrennung. Fast ein Drittel des Abfalls kommt allerdings gar nicht so weit: Die Mechanisch-biologische Behandlung schleust rund 30.000 der insgesamt 90.000 Tonnen vorher aus. Wie das geht? Auf jeden Fall geruchsintensiv – und so sind die Einfahrten in das Gebäude mit luftdichten Toren versiegelt. Atemschutz sollte man hier bei längerem Aufenthalt tragen. Oder in einer druckbelüfteten Kabine arbeiten, wie die Fahrer der Radlader und Umschlagbagger.
Die orangen Fahrzeuge der Entsorgung werden hier geleert. Fast gespenstisch: Sie entladen sich selbst. Der Müll einer Tagestour breitet sich einfach hinter dem aufgeklappten Wagen aus. „Zehn bis Zwölf Tonnen sind es bei voller Ladung, außerdem bekommen wir Hausmüll aus der Stadt Weimar und dem Weimarer Land“, erklärt Andreas Panke. Berge von Abfall liegen lose in der Halle. Dann kommt Technik ins Spiel: Der massive Radlader bringt den Müll in den Zerkleinerer – oder macht Halt vor Fremdstoffen. „Es ist sehr wichtig, dass hier eine Kontrolle erfolgt“, sagt Panke. Ob man seinen verlorenen Ehering oder Schlüssel noch in letzter Minute finden könnte? „Es ist wahrscheinlich schon zu spät“, lacht er, „denn eine halbe Stunde nach der Tour kommt der Müll in den Zerkleinerer. Und in der großen Schaufel fällt ein einzelner Ring nicht auf.“ Kuriose Fundstücke gibt es allerdings trotzdem: „Kleine Kühlschränke wurden schon in den Hausmüll geworfen, genauso wie Autoreifen. Die müssen natürlich vorher raus!“, ärgert sich der Leiter der Anlage.

Was hat es allerdings mit dem Blaulicht auf sich, das durch die dampfige Atmosphäre der Halle blitzt? Ein Notfall? Ein Spaß der Mitarbeiter? Panke verneint: „Es ist ein Sicherheitsaspekt. Das Piepen beim Rückwärtsfahren ignoriert man nach einiger Zeit, genauso wie oranges Blinklicht auf dem Dach. Deswegen darf unser Radlader mit Blaulicht rückwärts fahren – selbstverständlich nur in der Halle. Und es schauen jetzt Alle hin.“

Nach dem Zerkleinern fährt der Müll auf Förderbändern weiter: Gesiebter und gefilterter Abfall biegt hier ab – 20.000 Tonnen pro Jahr kommen allerdings weiter zur biologischen Behandlung. Was das heißt? Über sechs Wochen liegt der sortierte Müll dann in sogenannten Rottetunneln und wird regelmäßig umgeschichtet, bevor das Rottematerial bereit für die Deponie ist. „Kompost aus Abfall“, gewissermaßen. „In anderen Teilen der EU kann dieses Material sogar zur Straßenbegrünung verwendet werden. In Deutschland können wir es wegen der vielen Störstoffe aber nicht als Kompost verkaufen.“
Bleiben noch über 60.000 Tonnen vorbehandelter Abfall pro Jahr – der sich an 9 Stunden täglich durch einen langen, geschlossenen Gang bewegt. Aus der luftdichten Halle der Mechanischen Aufbereitung geht es nämlich auf dem kurzen Weg in die Verbrennung. „Diese kombinierte Anlage ist in Deutschland fast einzigartig. Durch die direkte Nachbarschaft können wir hier viele Vorteile nutzen.“, freut sich Andreas Panke. So befeuert die Rotteabluft die Flammen der Verbrennung, die mit 1100 Grad dem Abfall zu Leibe rückt. Eine aufwändige Filterung der Luft fällt so weg, ebenso reduziert sich der Einsatz von Erdgas zur Befeuerung. So werden aus Haus- und Sperrmüll Strom und vor allem Wärme. Mit 10 bar braucht diese wiederum nur über den Zaun zu wandern, um in der Gas- und Dampfturbinenanlage in der Stotternheimer Straße ins Fernwärmenetz gespeist zu werden. Auf Seiten der Restabfallbehandlungsanlage bleiben von den 90.000 Tonnen Müll pro Jahr, den die 350.000 Einwohner im Einzugsbereich produzieren, so rund 14.900 Tonnen Schlacke übrig. Gekühlt und gefiltert tritt diese ihre nur rund drei Kilometer lange Reise zur Deponie an – ein weiterer Standortvorteil.

Text und Fotos: Benedikt Pototzky