Historie ist sein Ding, erst recht, wenn es um alte Straßenbahnen und Busse geht. Für uns kramt Michael Nitschke, Betriebsleiter der EVAG, in seinem Archiv. Diesmal hat er einen Schalter ausgebuddelt. Aber nicht irgendeinen, es geht um den Fahrschalter in Straßenbahnen, der bei (allen elektrischen Antrieben) zur Steuerung von Kraft und Geschwindigkeit dient.

Unser heutiger Beitrag widmet sich dem Triebwagen 105, der technisch gesehen, ein interessantes Leben hatte. Der 1939 vom Waggonbau Gotha gelieferte Wagen erhielt 1941 Öldruckfahrschalter und Fahrersitze, ein Novum für die Erfurter Straßenbahn. Zu dieser Zeit arbeitete man trotz Kriegsausbruchs noch an einem deutschen Einheitsstraßenbahnwagen und die in dem dafür gegründeten Arbeitsausschuss tätigen Direktoren und Ingenieure hatten jeweils Teilaufgaben übernommen, Erfurt z.B. neben besagtem Öldruckfahrschalter auch die Ausrüstung eines weiteren Straßenbahnzuges mit einer Kleinspannungsanlage.

Die Öldruckfahrschalter bewährten sich nicht. Eigentlich wollte man die bei den üblichen Nockenfahrschaltern vorhandenen Hebel, die einem gewissen mechanischem Verschleiß unterliegen, durch eine verschleißarme hydraulische Vorrichtung ersetzen, die dann auch ermöglicht hätte, den Fahrschalter nicht mehr unbedingt auf der Plattform vor dem Fahrer anzuordnen. In der Praxis traten dann aber zwei gravierende Probleme auf: Der Druck ließ sich nicht ausreichend genau dosieren, so dass der Wagen nicht exakt schaltete und nicht nur „Bocksprünge“ machte, sondern auch beim Bremsen unzuverlässig war. Und zum anderen gelang es nicht die Hydraulikleitungen dauerhaft dicht zu halten. Und so war der Wagen nur gelegentlich im Einsatz, die AEG als Lieferant der Fahrschalter war des Öfteren in Erfurt zu Gast, bis man wegen des Krieges das Projekt einfror und den Wagen zunächst abstellte.

Auch ein Versuch nach dem Krieg, den Wagen wieder in Betrieb zu nehmen, scheiterte, nunmehr kam das Problem hinzu, dass die AEG nicht in der sowjetischen Besatzungszone lag. Erst 1952 gelang es den Wagen nach gründlicher Aufarbeitung und Umbau wieder in Betrieb zu nehmen, nunmehr wieder mit einem normalen Nockenschaltwerk. Nach Planungen bereits aus der Kriegszeit, das gesamte Streckennetz für den Einrichtungsbetrieb mit Wendeschleifen auszurüsten, wurde der TW 105 auch der erste Triebwagen, der links keine Türen mehr besaß und auch nur noch einen Führerstand. Damit konnten auch alle Sitze quer in Fahrtrichtung angeordnet werden. Sie entsprachen den in den 3-türigen neuen Beiwagen verwendeten. Gegen über den anderen Wagen dieses Typs wurden auch die Seitenbleche tiefer herunter gezogen und die Fensterecken ausgerundet, so dass der Triebwagen optisch von den anderen zu unterscheiden war. In dieser Form fuhr der Wagen bis 1975 im Personenverkehr.

Unser Bild zeigt den Triebwagen 1970 mit einem 3-türigen Beiwagen abgestellt in der Breitscheidstraße.