Historie ist sein Ding, erst recht, wenn es um alte Straßenbahnen und Busse geht. Für uns kramt Michael Nitschke, Betriebsleiter der EVAG, in seinem Archiv:
Heute zeigen wir ein Bild des Angers, aufgenommen Ende der 50er Jahre. Neben zwei Straßenbahnzügen der Linie 1 hinten sehen wir einen einfahrenden Zug der Linie 3, der Beiwagen ist einer der 9 in den 50er Jahren gelieferten Einrichtungsbeiwagen aus Gotha, die es in dieser Ausführung nur in Erfurt gegeben hat. Davor steht ein alter Triebwagen des Baujahres 1912, die zu der Zeit noch den Verkehr auf den Linien 2/5/5E mit bestimmten. Mangels Wendemöglichkeit an der Steigerstraße liefen auf diesen Linien überwiegend Solowagen. Die heute bekannte Wendeschleife wurde übrigens 1963 gebaut.
Beachtung verdient aber auch der Obuszug: Während der Obus noch das alte Livree in bremerblau trägt, ist der Beiwagen schon elfenbein lackiert und hat lediglich sein grünliches Dach behalten. Diese Farben erhielten dann alle Altfahrzeuge, während die ab 1960 gelieferten Skoda-Obusse ganz in Elfenbein liefen. Der Obus ist ein Standard-Wagen der Kriegsbauart der Normgröße II. Bei der Waggonfabrik Schumann in Werdau lagerten noch größere Mengen angearbeiteter bzw. angelieferter Teile, aus denen dann nach dem Krieg noch Fahrzeuge fertig gebaut wurden. Aus diesem Bestand erhielt Erfurt 5 Wagen und dazu passend 8 Anhänger. Die Überzahl erklärt sich daraus, dass die Anhänger auch hinter Kraftomnibussen fuhren und behelfsmäßig sogar hinter einer Zugmaschine. Alle diese Fahrzeuge quittierten bis 1966 den Dienst.
Auf zwei Dinge wollen wir noch näher eingehen, nämlich dass diese kantigen Fahrzeuge in Einfachbauweise erstellt wurden, den Zeitumständen entsprechend. Die Karosse bestand aus einem Stahlrahmen, der mit verblechten Hartfaserplatten beplankt war, erst später wurden die Karossen ganz mit Stahlblechen versehen, nachdem sich diese Kriegsbauweise- wie erwartet und auch beabsichtigt- nur als Übergangslösung bewährt hatte. Immerhin hielten die Wagen viel länger durch als eigentlich mit der Kriegs-Behelfsbauweise geplant war. Zweitens hatten sowohl die Obusse wie auch die Beiwagen Zwillingsbereifung, weil Reifen größerer Tragfähigkeit einfach nicht zur Verfügung standen, das gilt für alle ab 1944 gebauten Kriegsobusse der Normgröße II und die entsprechenden Beiwagen. Und ein Obus mit Zwillingsreifen auf der Vorderachse sieht nicht nur ungewöhnlich aus, er lässt sich auch nur noch mit einer Lenkhilfe fahren, die man ja eigentlich in Kriegszeiten schon als eher überflüssige Technik ansehen könnte. Offensichtlich war das aber das kleinere Übel, und aus dieser Tatsache heraus erklärt sich wiederum, dass es auch Obusfahrerinnen gab, denn dank dieser Technik war das Lenken im Gegensatz zu den vorhandenen Kraftomnibussen leichter.
Wer ist dieser Michael Nitschke eigentlich, der immer diese tollen Fotos und Geschichten ausgräbt? Hier erfahrt ihr mehr.