Sie heißen Gabi, Egon oder Jack… und alle sind etwas ganz Besonderes. Während Gabi ein Garagenbier ist, das nicht nur in einer solchen erstmals gebraut wurde, sondern auch dort getrunken werden kann, orientiert sich Egon an der Olsenbande.

Beide könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Gabi ein süffiges Helles nach bayrischem Braustil ist, zeigt sich der goldgelbe hopfenbetonte Egon etwas aufmüpfig, aber irgendwie auch genial. „Ganz Egon Olsen halt“, meint Jan Schlennstedt.

Aktuell hat der Brauer aus Leidenschaft am Erfurter Zughafen vier selbst gebraute Biere dauerhaft im Angebot. Jedes ist einzigartig und hat seine Liebhaber. Ein älteres Ehepaar zum Beispiel, das während des Interviews hereinschneit, schwört auf Gabi und Jack. Letzteres ist ein Pale Ale nach englischer Brauart und sehr stark gehopft. „Das muss man mögen“, meint Jan Schlennstedt, der immer wieder neue Rezepte ausprobiert, anfangs in besagter Garage seiner Schwiegereltern.

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Egon, das Erfurter Urbier, Gabi und Jack gehören zu den Klassikern der kleinen Braumanufaktur am Erfurter Zughafen.

Dennoch hat der 35-Jährige das Brauhandwerk von der Pike auf gelernt. „Brauer wollte ich schon immer werden. Durch Zufall bin ich bei der Gilde-Brauerei in Hannover
gelandet, das war ein echter Glücksfall. Die Stadt ist toll, hat viele coole Leute. Dort hab ich viel gelernt“, erzählt er. Dennoch zog es ihn nach über zehn Jahren wieder nach Thüringen. „Wir sind damals ganz bewusst durch die Kneipen und Restaurants
gezogen und haben gesehen, dass regionales Bier, mit dem sich die Leute identifizieren können, hier nicht wirklich eine Rolle spielt“, erzählt er von seinem Traum, für den er einiges in Bewegung gesetzt hat. Vor drei Jahren gründete er seine kleine Manufaktur im Erfurter Zughafen.

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Gemütlich hat  hat Jan Schlennstedt seine Brauerei eingerichtet.

Eins ist klar. Heimatverbunden ist Jan Schlennstedt auf alle Fälle. Das spiegelt sich nicht nur im Namen seiner Erfurter Braumanufaktur – Heimathafen – wider. Als Reminiszenz an seine alte Heimat – den Kyffhäuserkreis – kommt die Gerste aus Oberheldrungen, der Hopfen stammt aus Greußen. „Wir haben direkten Kontakt zu den Bauern und fahren mit dem Fahrrad auch schon mal die Felder ab“, erzählt er. Die Flaschen sind aus Großbreitenbach, das Malz ist aus der Rhön.

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Das Malz kommt aus der Rhön.

Wer ein echter Brauer ist, der hat natürlich seinen ganz besonderen Traum. Die Erfurter Schluntze wollte Jan Schlennstedt gern wieder zum Leben erwecken. Vor 200 Jahren soll es das beliebteste Bier in Erfurt gewesen sein, wegen seines Geschmacks und seiner Farbe – und weil es mit 5,5 Volumenprozent ordentlich Dampf hatte, andes als die Plempe, eine Art Alltagsbier, das jeder trank. Es hatte weniger als 3 Prozent Alkohol und war recht dünn. Vielleicht stammt daher ja der Ausdruck Geld verplempern

In zahllosen Archiven stöberte Jan Schlennstedt nach der Schluntze. Das Rezept aber fand er nicht, bis er irgendwann mit einem befreundeten Saalfelder Braumeister am Tisch saß, der ganz trocken meinte: „Die Schluntze? Das Rezept hab ich doch“, sprachs und weihte den jungen Mann in das Geheimnis des Bieres ein, das Jan Schlennstedt erstmals zur Erfurter Bierausstellung braute und heute unter dem Namen „Erfurter
Urbier“ anbietet.

Mitte des 16. Jahrhundert gab es in Erfurt 500 Bierbrauer. Doch das Gebräu hielt sich nicht lange, es musste frisch getrunken werden. Also steckten die Brauer an ihren Häusern Weizen- oder Gerstenbüschel in sogenannte Bierlöcher, wenn sie frisches Bier hatten. Damit nicht genug. Sogar Bierrufer zogen durch die Straßen, um die Neuigkeit zu verkünden.

Das ist heute zum Glück nicht mehr notwendig. Jan Schlennstedts leckeres Gebräu hat sich herumgesprochen. Nicht nur Touristen nehmen es gern mit nach Hause, auch die Erfurter haben Geschmack daran gefunden. Es gibt viel zu tun, deshalb ist Jan inzwischen nicht mehr allein, sondern hat zwei Kollegen im Team, um der Nachfrage gerecht zu werden.

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Auch das Etikettieren übernehmen die drei Brauer selbst.

Nicht nur die vier Klassiker gehen gut, auch die Saisonbiere, die Jan Schlennstedt immer wieder aufs Neue kreiert: HOLA zum Beispiel: eine feine Kombination aus den Hopfensorten Hallertauer Blanc, Polaris, Ariana, Saphir und 10 Prozent Stammwürze verleihen diesem sommerspritzigen Bier die Frische und Ausgewogenheit, die es für einen heißen Sommertag braucht. Oder HOPS’N’FRUIT SESSION IPA – hier trifft jede Menge Hopen auf frische Orangen und Zitronen. Die Limited Edition ist schnell vergriffen. 

Wer es ungewöhnlich liebt, sollte das Frankenhäuser Solebier probieren: salzig, goldgelb, hopfig herb – mit original Frankenhäuser Sole aus der Kyffhäuser-Quelle.

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Jan Schlennstedt hat das Brauhandwerk von der Pike auf gelernt.

Wer einen Blick auf die kleine, aber feine Brauanlage werfen möchte, kann das gern während de Brauereiwerksverkaufs tun: mittwochs von 16 bis 19 Uhr, samstags von 9 bis 12 Uhr. Viele kommen nicht nur, um Bier zu kaufen, sondern wollen gern ein bisschen fachsimpeln. Denn Hobbybrauer gibt es viele, und so mancher braucht einen guten Tipp für das perfekte Bier. Viele davon gibt Jan Schlennstedt in seinen Braukursen weiter, die er für 15 Personen anbietet. Dabei wird aber nicht nur gebraut. Auch ein Biertasting ist inbegriffen. Dazu gibts zur Stärkung frisches Brot und Deftiges vom Fleischer.

Mehr zum Heimathafen gibt es hier.

Fotos: Steve Bauerschmidt