Die Vorstellungen sind sehr gefragt. Restkarten gibt es aktuell nur für die Aufführungen im April 2017. Damit stehen die Chancen auf eine Spielzeitverlängerung von West Side Story am Theater Erfurt gut. Aber wie entsteht so ein Stück? Wir haben hinter die Kulissen geschaut und uns in der Regie, beim Kostüm, im Malsaal und in der Schlosserei umgeschaut. Theaterfotograf Lutz Edelhoff hat uns begleitet und wunderbare Fotos geschossen.

„Bei West Side Story denkt jeder an die Feuerleiter und die Backsteinmauer. Das ist schon drin in den Köpfen. Das brauchen wir nicht“, sagt Jürgen Kirner zur Konzeptionsprobe. Das war Anfang September und alle 25 Solisten saßen zum ersten Mal gemeinsam in einem Raum.

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Konzeptprobe im September.

Stattdessen hat der Kostümbildner eine kosmische Reise in Szene gesetzt, die auf einer zerstörten Straße im Nirgendwo endet. Das Musical spielt auf einer zerklüfteten Bühne, im Hintergrund zersplitterte Schollen, die an Caspar David Friedrichs Gemälde „Das Eismeer“ erinnern, als stünden sie für die Kälte in der Gesellschaft.

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Jürgen Kirner mit dem Bühnenbild.

Die Vorbereitungen für das Musical aber haben schon viel früher begonnen, ca. anderthalb Jahre vor der ersten gemeinsamen Probe. Dr. Arne Langer, Dramaturg am Erfurter Theater, hat sich besonders dafür eingesetzt, dass das Stück in Erfurt wieder – wenn auch ganz anders – aufgeführt wird, denn es ist eng mit der heutigen Thüringer Landeshauptstadt verbunden. Viele ältere Erfurter erinnern sich noch heute an die grandiose Inszenierung von West Side Story, die in den 1980er-Jahren in Erfurt ihren Lauf nahm und von hier aus in Theater in ganz Ostdeutschland ging.

Lange bevor im Februar 2016 die Castings begannen, haben Regisseurin Pascale Chevroton, Bühnenbildner Jürgen Kirner und Kostümbildnerin Tanja Liebermann schon zusammengesessen und ein Konzept entwickelt. Die drei kennen sich seit Langem, sind ein eingespieltes Team und haben bereits an anderen Theatern zusammengearbeitet.

Für Pascale Chevroton, die einst bei den Domstufenfestspielen ein choreografisches Gastspiel gab, war die Neuinszenierung eine besondere Herausforderung. Immerhin hat sie den amerikanischen Kassenschlager schon an anderen Bühnen in Szene gesetzt. Das Gleiche kam für sie jedoch nicht infrage. Und so hat Erfurts West Side Story nicht nur sehr direkte Bezüge zu Shakespeares Romeo und Julia und ein ungewöhnliches Bühnenbild, sondern auch einen neuen interpretativen Ansatz.

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Obergewandmeisterin Susanne Ahrens mit den Kostümzeichnungen.

Allein die Kostüme waren eine Herausforderung. 25 Solisten wollten eingekleidet werden. Auch wenn zwei Drittel der Gewänder aus dem Theaterfundus stammen, gab es viel zu tun. Wochenlang haben Obergewandmeisterin Susanne Ahrens und ihre Schneiderinnen Stoffe zugeschnitten, Kostüme genäht.

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Kostümbildnerin Tanja Liebermann mit Estella (Carla Weissmann) zur Anprobe.

Angefangen haben sie damit schon vor der Sommerpause, sodass die Darsteller, als sie Anfang September zur Konzeptprobe kamen, schon bald zur ersten Anprobe gehen konnten. Die Schuhe, darunter schwere Boots und klassische Cowboystiefel, wurden vom Schuhmacher des Theaters umgearbeitet, sodass man darin auch tanzen kann – auf einer Bühne, die es in sich hat, denn die zersplittert wirkenden Kulissen sind nicht nur Dekoration, sie bewegen sich auch – eine Herausforderung für die Tänzer, die größtenteils professionelle Musicaldarsteller sind. Aber auch einige Sänger des Erfurter Opernchores singen und tanzen auf der Bühne.

Sechs Wochen lang haben die Darsteller intensiv geprobt. Gemeinsam mit Pascale Chevroton haben sie das Stück um die tragische Liebe inmitten zweier rivalisierender Jugendbanden weiterentwickelt und ganz neu interpretiert. Fast immer auf der Probebühne, da zeitgleich andere Vorstellungen im Haus liefen.

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Im Malsaal: Sabine Rathgeber an den Kulissen.

Währenddessen waren auch die Kollegen im Malsaal eifrig dabei, grobe Sperrholzplatten mit Pinsel und Farben in zerklüftete Eisschollen zu verwandeln. Der Saal ist riesig, muss er auch. Denn die Kulissen sind oft mehrere Meter hoch. Da braucht man Spielraum, um sie zu gestalten. Riesig ist auch der Fahrstuhl, mit dem die Theaterschlosser die fertigen Kulissen auf die Bühne fahren. Über sieben Meter ist er lang. In akribischer Kleinarbeit wurden die Teile in der Schreinerei ausgesägt und später von den Schlossern zusammengebaut.

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Mit dem Schweißgerät wurde die Metallkonstruktion verbunden.

Nicht nur die Metallhalterungen für die frei im Raum schwebenden Kostüme sind in der Werkstatt entstanden, auch die Bühnenkonstruktion. Dahinter steckt jede Menge Technik. Denn die Schollen, die aussehen, als wären sie nur hingeworfen, müssen die Darsteller tragen – im darstellenden Spiel ebenso wie in Tanz- oder Kampfszenen. Damit Letztere echt aussehen, gab es mehrere Tag lang ein intensives Coaching mit einem eigens dafür engagierten Kampfchoreografen.

Fotos von der Aufführung

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Maria und Toni.

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