Am frühen Abend hat sich Rüde Rudi mal wieder davongeschlichen. Klammheimlich ist er aus dem Garten in Marbach verschwunden. „Das macht er öfter, gerade, wenn die Hündinnen in der Nachbarschaft läufig sind“, erzählt Dirk Petzhold. „Normalerweise kommt er spätestens nach zwei Stunden wieder.“ Doch Rudi kam nicht Nachhause, sondern wurde ins Tierheim gebracht. Ausgerechnet dort hatte Petzhold noch nicht angerufen.

Im Jahr 2020 kümmerten sich die SWE Tierheime um 567 Fundtiere, darunter 83 Hunde und 353 Katzen. Aber woran erkennt man ein Fundtier und wie sollte man sich dann verhalten?  Wir haben bei Tierarzt Dr. Matthias Harnisch nachgefragt, er leitet das SWE Tierheim.  

Leiter des SWE Tierheims Dr. Matthias Harnisch erklärt das richtige Verhalten beim Fund eines Tieres.
Foto: Steve Bauerschmidt

Was ist eigentlich ein Fundtier?

Nach dem Tierregister Tasso werden als „Fundtiere“ dem Besitzer entlaufene Haustiere sowie Haustiere ohne bekannten Halter betrachtet. Häufig erscheinen herrenlose Tiere auch ungepflegt oder sogar abgemagert. Auch am Halsband oder einer Ohrmarkierung könnt ihr erkennen, dass das Tier wohl ausgerissen ist.
 „Eine freilebende, wilde Katze ist aber kein Fundtier“, sagt Dr. Harnisch. „Eine Hauskatze erkenne ich daran, dass sie gegenüber Menschen sehr zutraulich ist. Wilde Katzen hingegen fauchen und lassen sich nicht anfassen“, erklärt der Tierarzt den Unterschied. Wie verhält man sich bei freilaufenden Tieren also richtig?

Katzendame Martha wurde in einem Gebüsch am Heckerstieg gefunden und hat jetzt ein neues Zuhause.
Foto: Steve Bauerschmidt

Richtiges Verhalten beim Fund eines Tieres

„Bei entlaufenen Haustieren gilt das Fundrecht“, erklärt Dr. Matthias Harnisch. „Wer also ein Tier findet, darf es nicht einfach behalten, sondern muss den Fund melden. In Erfurt sind wir als Tierheim der erste Ansprechpartner, wenn es um Fundtiere geht. Die Leute rufen bei uns an. Wichtig ist, zu beschreiben, wo das Tier gesehen wurde. Erst dann können wir das weitere Vorgehen besprechen“, sagt er.

So solltet ihr beim Fund eines Tieres vorgehen:

  1. Schaut das Tier genau an.
  • Wie sieht das Tier aus? Welche Farbe hat das Fell?  Hat es besondere Merkmale wie Muster im Fell oder ein Halsband?
  • Wie ist der Zustand des Tieres? Ist es abgemagert, das Fell zerzaust aus oder sieht es gepflegt aus?
  • Hat das Tier Verletzungen?

2. Ruft im Tierheim an (Telefon: 0361 564-4400). Es ist Wochenende oder spät abends und ihr erreicht im Tierheim nur den Anrufbeantworter? Dann hört euch die Bandansage genau an. Denn außerhalb der Öffnungszeiten des Tierheims solltet ihr bei der Leitstelle der Feuerwehr anrufen. Die Männer und Frauen wissen, was zu tun ist.

  • Ihr meldet den Fund und beschreibt das Tier und seinen Zustand so gut wie möglich.
  • Wichtig ist, dass ihr auch den Ort und die Straße angebt, wo ihr das Tier gefunden habt. Nach deutschem Fundrecht ist nämlich die Gemeinde, in der das Tier gefunden wurde, auch für das Tier zuständig.

3. Ist das Tier schwer verletzt?

  • Dann heißt es: schnell handeln. Sucht gemeinsam mit dem Tier das SWE Tierheim auf. Dort kann sich Tierheimleiter Dr. Matthias Harnisch um das verletzte Fundtier kümmern, während ihr in der Zwischenzeit zusammen mit einem Mitarbeiter die Fundtiermeldung aufgeben könnt.
  • Die Kosten für die Behandlung tragt dabei nicht ihr, sondern der Besitzer des gefundenen Tieres. Ihr müsst deswegen im Tierheim ein sogenanntes Fundprotokoll unterschreiben. Damit erklärt ihr, dass ihr das Tier gefunden habt und den Besitzer nicht kennt.

Wichtige Rufnummern:

  • SWE Tierheim: 0361 564 4400
    • erreichbar zu folgenden Uhrzeiten:
    • Montag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag von 7:30-16 Uhr,
    • Dienstag von 7:30 bis 18 Uhr,
    • Samstag von 7:30-15 Uhr,
    • Sonntag 7:30 bis 13:30 Uhr
  • Leitstelle der Feuerwehr: 0361 741 5100
    • Bei Notfällen oder außerhalb der Öffnungszeiten des Tierheims immer erreichbar
  • Veterinäramt: 0361 655 1380
Wenn ihr ein freilaufendes oder verletztes Tier in Erfurt findet, solltet ihr im Tierheim anrufen. Die Mitarbeiter erklären euch dann auch das weitere Vorgehen. Foto: Pexels

Tiere einfangen?

Zunächst sollte man nur versuchen, das Tier anzusprechen oder mit Futter anzulocken. Wenn es zahm und zutraulich ist, kann es mit einem Seil eingefangen und ins Tierheim gebracht werden. „Man sollte sich aber nie selbst in Gefahr bringen“, warnt Dr. Harnisch eindringlich.

„Wer eine Katze nur mit seinen Händen einfangen will, sollte Lederhandschuhe tragen. Der gute Versuch kann sonst auch schnell in der Notaufnahme enden“, so Dr. Matthias Harnisch. Deswegen empfiehlt er, freilaufende Tiere besser nicht auf eigene Faust einzufangen.
 
Während es bei Katzen schwer festzustellen ist, ob sie freilaufend, wild oder entlaufene Hauskatzen sind, ist es bei Hunden viel einfacher. Denn Hunde dürfen nicht allein durch die Straßen laufen. Wer sich entschließt, einen freilaufenden Hund einzufangen – auch hier gilt immer, die persönliche Sicherheit geht vor – sollte daran denken, dass das für den Vierbeiner mit Stress verbunden ist. „Am besten ist es, mit dem Hund eine Runde zu laufen und beruhigend auf ihn einzusprechen, wenn man ihn eingefangen hat. Dann kann er sich besser beruhigen“, sagt Judith Lotthammer, Tierpflegerin im Tierheim. „Manchmal taucht dann auch plötzlich der panische Besitzer auf, der auf der Suche nach seiner Fellnase ist, die sich beim Gassigehen losgerissen hat“, erzählt sie.

Der 3-jährige Laika-Rüde Iwan wurde am Tierheim ausgesetzt. Judith Lotthammer hilft ihm, ein neues Zuhause zu finden.
Foto: Steve Bauerschmidt

Suchanzeigen und Sichtmeldungen 

Ist eure Fellnase, Samtpfote oder euer gefiederter Gefährte verschwunden? In diesem Fall rät Dr. Matthias Harnisch dazu, eine Suchanzeige aufzugeben. Leben Tiere normalerweise in der Wohnung oder im Haus, sollte die Suchmeldung unmittelbar nach dem Verschwinden ans Tierheim gegeben werden. „Wenn eine Katze aber ein Freigänger ist und im regelmäßigen Abstand von zwei Tagen wiederkommt, kann man diese Zeit auch erst abwarten“, erklärt er.
Wenn das eigene Haustier von besorgten Mitmenschen gesehen und im Tierheim gemeldet oder sogar eingefangen wurde, vergleichen die Mitarbeiter eure Suchanzeige mit allen Fundtieren. „Wenn wir einen Anruf wegen eines vermissten Tieres bekommen, können wir dem Halter durch die Sichtmeldungen oftmals sofort sagen, wo sich sein Tier befindet, ohne es in unserer Obhut zu haben“, erzählt Dr. Matthias Harnisch.

Chippflicht bei Hunden und Katzen

Ihr könnt euer entlaufenes Haustier am schnellsten wieder hinter den Ohren kraulen, wenn es gechipt wurde. Ein Chip, auch Transponder genannt, ist nur wenige Millimeter groß und wird unter der Haut eures Tieres eingesetzt. Laut Tasso enthält der Chip eine für jedes Tier individuelle 15-stellige Nummer.
Für Hundehalter ist das Chippen des vierbeinigen Freundes schon länger Pflicht. Seit 2017 müssen in Erfurt auch Freigängerkatzen einen Transponder haben. Aber Achtung: Der Chip muss registriert sein. Erst wenn ihr den Chip registriert, wird die 15-stellige Nummer eures Tieres mit euren individuellen Daten wie z. B. Namen und Anschrift verknüpft, sodass euer vierbeiniger Freund im Falle eines Verschwindens auch euch zugeordnet werden kann.  Eine solche Registrierung könnt ihr bei verschiedenen Registern wie Tasso, dem Tierschutzbund oder der internationalen Zentrale für Tierregistrierung vornehmen.

Mischling Rudi ist nach einem nächtlichen Alleingang in Marbach ins Tierheim gebracht worden. Besitzer Dirk Petzhold ist froh, seinen Hund im Tierheim gefunden zu haben.
Foto: Steve Bauerschmidt

Insgesamt finden viele entlaufene Haustiere, ob durch Chip, Such- und Fundanzeigen, wieder ihren Weg nach Hause. Im vergangenen Jahr 2020 konnte so fast die Hälfte der vermisst gemeldeten Tiere ihren Besitzern zurückgegeben werden.



Text: Emely Lea Stehr