Historie und Stadtgeschichte hautnah erleben

Es ist kurz nach halb neun, als Andreas Degelmann die schwarze Eisentür aufschließt. Ein Klick und das Licht geht an. Wenn er nun die Treppe hinunter müsste, stünde er bis zu den Knien im neun Grad kalten Wasser. Zum Glück lassen sich die Pumpen aber auch von oben einschalten, so dass Degelmann trockenen Fußes auf seine Gäste warten kann.

Die Regenfälle der vergangenen Nacht hatten das Gewölbe der Quelle am Peterborn unter das sprichwörtliche Wasser gesetzt. Für Andreas Degelmann, der als Gruppenleiter für die ThüWa ThüringenWasser GmbH arbeitet, ist es aber noch im absoluten Normbetrieb. „Wenn es tagelang durchregnet, dann steht das Wasser schon einmal bis zur obersten Stufe. Da sind so ein paar Zentimeter nicht viel“, erklärt Degelmann, während im Hintergrund die Pumpe zieht. Das Quellwasserwerk ist eine Besonderheit, die Erfurts Wassermänner mit Sinn für Historie und Liebe zum Detail erhalten.

1136 von Mönchen des Klosters auf dem Petersberg in den Berg getrieben, versorgte das Wasserwerk mit seinen vier Quelltöpfen nicht nur das Kloster, sondern auch Teile der Stadt. Doch inzwischen hat das historische Objekt nahe des Erfurter Hauptfriedhofs nur noch rein lokale Bedeutung. Lediglich die gleichnamige Kleingartenanlage Peterborn bezieht noch ihr Brauchwasser aus dem Wasserwerk, der Rest des kalten Nasses fließt in den Langen Graben und von dort aus in die Gera. Die Landeshauptstadt wird inzwischen durch Fernwasser aus der Ohratalsperre und Grundwasser aus Möbisburg versorgt. Mit etwa 30 Grad deutscher Härte sei das dem Peterborn entspringende Wasser für den Gebrauch des modernen Menschen zu hart, erklärt Andreas Degelmann und verweist auf verkalkte Wasserkocher und Badarmaturen.

Kurz nach halb zehn ist der Wasserspiegel in der Wassersammelstube des Peterborns gut abgesunken. Wer nun durch das kalte Wasser waten würde, der bekäme zwar noch nasse Füße, die Hose bliebe aber trocken. Inzwischen sind auch die erwarteten Gäste eingetroffen. Von Stotternheim aus haben sich die Jungen und Mädchen der Klasse 3b der örtlichen Grundschule auf den Weg gemacht. Mit „Wasser“ ist ihre Exkursion überschrieben, der Wasserkreislauf soll konkretes Thema sein. Und was sie im Heimatkundeunterricht schon theoretisch erlernten, das soll nun am praktischen Beispiel gezeigt werden.

Doch bevor die Kinder in den Berg dürfen, gilt es auch hier erst einmal die theoretischen Grundlagen zum Besuch des Quellwasserwerkes zu legen. Andreas Degelmann erklärt den Grundschülern die Funktionsweise des Peterborns. Er erzählt von der Holz- und später der Bleirohrleitung, die seit dem Mittelalter das Kloster auf dem Petersberg mit der Talstation im Borntal und von dort aus mit dem Wasserwerk verbanden.

So erfahren die Grundschüler, dass der gesamte Berg um die Ortsteile Bindersleben und Alach zum Wassereinzugsgebiet der Quelle gehört und dass der Peterborn alleine tausende Einwohner mit frischem Quellwasser versorgen könnte. Und mit vollem Körpereinsatz erklärt Andreas Degelmann die Funktionsweise eines Quellwasserwerks. Die Kinder folgen seinen Worten mit Spannung – auch wenn der bevorstehende Abstieg in den Berg sie noch mehr zu fesseln scheint.

Kurz nach zehn haben die Pumpen ganze Arbeit geleistet. Der mit Natursteinen ausgekleidete Stollen ist weitestgehend trocken – also verhältnismäßig trocken. Nur im Becken ist noch Regenwasser, der Rest fand über Pumpen, Steigleitungen und eine steinerne Rinne im Außengelände des Wasserwerks seinen Weg aus der Sammelstube. Es kann also hinein gehen, in den dunklen, nur mit LED-Schlauchen ausgeleuchteten Berg.

Die schwarzbraunen Bohlen aus Eichenholz sind rutschig, im Stollen ist es frisch. Die Kinder scheint es nicht zu stören. Begeistert laufen sie durch die engen Gänge, bewundern die hübschen, sandsteinfarbenen Quelltöpfe und hin und wieder ist ein „Buh“ zu hören. Immer dann, wenn sie einander erschrecken.

Es ist ein großer Spaß, durch den Berg zu wandern, immer dem Wasser entgegen, jenem Wasser, das an den vier Quelltöpfen in Tröpfchenform aus dem rotbraunen Gestein des Berges hervorquillt und dann seinen Weg durch das jahrhundertealte Wasserwerk findet. Für Neele ist der Schulausflug etwas ganz Besonderes. Zusammen mit ihrem Papa habe sie zwar schon einmal eine Baustelle für ein Regenrückhaltebecken erkundet, in einem Quellwasserwerk war sie jedoch noch nie.  Mehr Überwindung kostete der Gang unter die Erde die kleine Johanna. Auch während der Erkundung macht sie aus ihrer Sorge vor der Dunkelheit keinen Hehl. Erst als sie vor dem Quelltopf steht und mit ihrer Hand ein paar Tröpfchen auffängt, da beginnt sie zu strahlen. So ein Quellwasserwerk lässt mit seiner Faszination die Sorgen vergessen.

Wer selbst einmal Wasserhistorie live erleben möchte, hat dazu am 4. September 2019 von 13 bis 17 Uhr die Gelegenheit. In Anlehnung an den Tag des offenen Denkmals öffnet das Wasserwerk seine Türen für alle Interessenten.

Text und Fotos: Paul-Philipp Braun