In der Backstube an der Krämerbrücke Erfurt herrscht emsiges Treiben. Im Hintergrund dudelt lateinamerikanische Musik. Überall wo Platz ist, sind Mehlsäcke aufgestapelt. Alles Bio.

Hartmut Priemer kommt auf mich zu, gibt mir die Hand. Und schon bin ich mitten drin im Geschehen. Ich wische mir das Mehl von den Fingern und schon bin ich mitten drin im Geschehen. Alfred hat ein sonniges Gemüt. Während er den Teig für die Brötchen knetet, die später mit der würzigen spanischen Chorizo gefüllt werden, erzählt er lustige Geschichten. Er ist über 70 und wohnt gleich gegenüber.

Früher hat er bei der Handwerkskammer gearbeitet. Jetzt, im Ruhestand, legt er immer mal eine Woche als Bäckergeselle ein. Und auch Mathias arbeitet tageweise hier, er hat noch einen zweiten Job. Dienstags und samstags bäckt er in der Backstube als Ausgleich zu seinem Job als Servicetechniker.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Mathias, Alfred und Hartmut Priemer in der Backstube an der Krämerbrücke (v. l.).

Statt auf der Autobahn zu liegen, knetet er Teig, formt Brote und Brötchen: »Die totale Entspannung. Ich liebe den Geruch des Teigs, die Schwere und Festigkeit, das erinnert mich an meine Kindheit«, sagt er. Hartmut grinst nur. Auch er ist über Umwege zum Backen gekommen. Von Haus aus ist der 50-Jährige Bankkaufmann. Anfang der 1990er-Jahre stieg er in Berlin in die Geschäftsführung einer Bio- und Vollkornbäckerei ein. Um die Abläufe zu verstehen, hat er selbst oft in der Backstube gestanden und konnte irgendwann nicht mehr davon lassen. Im Laufe der Jahre ist er viel gereist, entdeckte seine Liebe zu Spanien.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Schon am frühen Morgen haben die Bäcker gute Laune.

Er besorgte sich einen Holzbackofen, zog damit über Land und verkaufte frisches Brot, Brötchen, Ritterfinger und gefüllte Teilchen — ganz in der alten Handwerkstradition. Deutschlandweit war er auf Burg- und Stadtfesten unterwegs. Dafür hat er inzwischen kaum noch Zeit. Seit sieben Jahren betreibt er die kleine Backstube an der Krämerbrücke, inzwischen Dreh- und Angelpunkt für manchen Erfurter.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Hartmut Priemer ist mit Leib und Seele Bäcker.

»Für manche ist das hier auch die Stube«, erzählt mir Mathias und formt weiter Brötchen. Die einzige Maschine hier ist die Kaffeemaschine. Die wird auch gleich angeworfen. Denn Ináki steht in der Tür. Er arbeitet auch hier. Der Spanier lächelt und wundert sich kein bisschen, dass wir mit Kamera und Stativ die Backstube verstopfen.

»Hier ist immer was los«, meint er. Schnell wechselt er mit Hartmut ein paar spanische Worte. Dann gibt es erst mal Bäckerkaffee für alle — doppelter Espresso mit Milchschaum. »Wir brauchen was Stärkeres«, schmunzelt Hartmut und holt schon mal die Fahne. Denn es ist Zeit, die Flagge rauszuhängen.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Wenn Hartmut die Flagge raushängt, dann sind die ersten Brötchen fertig. Das ist im Schnitt so gegen 7:30 Uhr.

Das ist das Signal für die Kunden, dass die ersten Brötchen fertig sind. Und tatsächlich steht schon der erste in der Tür und holt sich frische Roggenbrötchen. Zehn Sorten gibt es in Hartmuts Backstube: Da fällt die Auswahl schwer: Allein von den süßen gibt es drei Varianten: Schoko, Rosine, das klassische Milchbrötchen.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Kräftige Varianten sind mit Chorizo oder Tiroler Schinken mit Parmesan gefüllt.

Wer es etwas kräftiger liebt, greift zu Roggen oder zu den gefüllten: Chorizo oder Tiroler Schinken mit Parmesan. Mein Favorit: Olive-Tomate. Sogar Aprikose-Walnuss hat Hartmut im Angebot, die aber sind noch nicht fertig. An den D-Tagen — dienstags und donnerstags — gibt es außer Roggen-, Roggenmisch- oder Weizenmischbroten auch Dinkelbrot. Nicht mehr als ein Pfund wiegen die Brote.

Backstube an der KrŠmerbrŸcke
Die Franzi

»Die Größe kommt gut an. Da kann man auch mal zwei Sorten kaufen und sie frisch genießen«, sagt Hartmut und greift schon zu den Gärkörbchen aus Peddigrohr, in denen die kleinen Brote ruhen. Sie sind vegan, auch die meisten Brötchen, außer die süßen Varianten, Chorizo und Tiroler Schinken.

Mittags gibt es Pizza. Samstags bäckt er zusätzlich Brotstangen mit Chilliöl und Meersalz. »Der Uwe vom Augustiner kommt jedes Mal und holt gleich zehn Stück für die Kollegen«, verrät mir Hartmut. Viele Krämer von der Brücke kehren regelmäßig ein, der Martin vom »theatrum mundi« oder die Beate, die Illustratorin von der Brücke. Auch die Goldhelme — von ihnen bezieht Hartmut die Schokolade — kommen regelmäßig auf einen Kaffee und einen Plausch vorbei. Denn die Backstube ist auch Café. Hier gibt es frische Brötchen, Butter und Getränke, sogar spanischen Wein. Wer noch etwas auf das Brötchen legen will, bringt es sich selber mit, erzählt Ináki.

Der Kaffee kommt aus einem Bremer Direktvertrieb. Er ist fair gehandelt. Mit jeder Tasse werden soziale Projekte in Kamerun unterstützt. Auch wenn Hartmut Priemer inzwischen kaum noch mit dem Holzofen unterwegs ist: Drei Termine stehen fest im Kalender. Der Weihnachtsmarkt auf dem Wenigemarkt, Pfingsten auf der Creutzburg und das letzte Septemberwochenende auf der Wasserburg in Heldrungen.

Für alles andere bleibt keine Zeit. Dafür kommt die Welt jetzt zu ihm. Phoebe zum Beispiel. Sie geht noch in die Grundschule und steht schon in der Tür, bevor die ersten Brote fertig sind. »Wer ist denn heute Nachmittag da?«, fragt sie. »Franzi«, erwidert Hartmut und ein Lächeln geht über Phoebes Gesicht, die hier ihr zweites Wohnzimmer hat. Wenig später kommt Papa Heiko und bringt sie zur Schule. Dann kehrt er für einen Bäckerli zurück — einen »Bonsai Latte Macchiato«, wie er sagt, schneidet den Bäckern eine Handvoll frische Äpfel auf, plaudert ein bisschen und zieht seines Weges. Und auch ich muss weiter, leider. Schweren Herzens verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg ins Büro.

Mehr zum Burgfest zu Pfingsten auf der Creuzburg gibt es hier.

Fotos: Steve Bauerschmidt