Es riecht nach Kuhstall. Nur ist keine Kuh ist zu sehen. Das Gebäude, aus dem der Geruch kommt, ist eine Halle mit großen Toren. So sieht kein Kuhstall aus. „In der Anlage sind ein paar Milliarden Mitarbeiter tätig.“ erklärt Stefan Thurau. Er ist verantwortlich für die vielen Kollegen. Es sind sehr kleine Beschäftigte – Bakterien. Solche findet man auch im Kuhmagen – daher der ähnliche Geruch: ein methanhaltiges Aroma. Das Gas hat eine gute Eigenschaft: Es brennt. Eine Kuh produziert bis zu 300 Liter brennbares Methan. Damit könne man 24 Stunden lang einen Kühlschrank betreiben, betont Stefan Thurau. Die Anlage frisst aber kein Gras, sondern nimmt den Erfurter Bioabfall auf. Bis zu 23.000 Tonnen kommen im Jahr zusammen. „Bioabfall ist für uns ein Energieträger.“ sagt Stefan Thurau. Er muss es auch wissen. Schließlich hat er einen Master in Umweltingenieurswissenschaften von der Bauhausuniversität verliehen bekommen. Angefangen hat Thurau als Azubi beim Stadtwerke Entsorgungsunternehmen und erlernte den Beruf Fachkraft für Kreislaufwirtschaft. Die großen Tore schließen luftdicht die Gärräume ab. Fachlich korrekt heißen sie Fermenter. Die alten Bananenschalen, die Salatreste werden in den Fermentern mit den Bakterien „geduscht“. Das große Fressen beginnt und es wird fleißig Methan produziert. Gesteuert wird die Anlage über einen PC. Auf den Bildschirmen ist das Schema der Anlage zu erkennen, Temperaturen, Gasgehalte. „Wir haben nach Inbetriebnahme der Bioabfallverwertungsanlage 2009 eine Weile experimentiert, um es den Bakterien so geschmackvoll wie möglich zu machen. Schließlich wollen wir ihre Ausdünstungen.“ erläutert der Abfallexperte.

Bioabfallverwertungsanlage
So muss guter Kompost aussehen, freut sich Stefan Thurau.

Beim Blick auf den gerade angelieferten Bioabfall verfinstert sich ein wenig seine Miene. Der Bioabfallhaufen ist ziemlich bunt. Die Farben kommen nicht von exotischen Früchten, sondern von vielen Plastiktüten. Das gefällt auch den Bakterien nicht. Sie kommen schlecht an ihr Futter ran. Noch ärgerlicher werden die Kunststofftüten aber später. Zuvor zeigt der Anlagenwart aber wohin die ganzen „Ausdünstungen“ gehen. Die vielen Rohre führen in einen Raum aus dem Motorlärm dringt. Das methanhaltige Biogas dient als Treibstoff für zwei riesige Schiffsmotoren mit je einer Leistung von 450 PS. Die Motoren wiederum treiben einen Generator an, der Strom produziert. So viel Strom, das zum Beispiel der Ort Vieselbach den gesamten Energiebedarf decken könnte. Eingespeist wird die elektrische Energie in das allgemeine Stromnetz.

Thurau verwandelt aber nicht nur den Bioabfall in Strom um, sondern auch in Kompostdünger für die Landwirtschaft. Nach 30 Tagen haben sich die Bakterien satt gefressen. Das große Tor wird geöffnet und Harry, ein Kollege von Thurau, schiebt mit einem Tieflader den sogenannten Gärrest hinaus. Dieser wird in sogenannten Trapezmieten aufgeschichtet. „Nun müssen die anderen Bakterien ran.“ schmunzelt Thurau. Im Gegensatz zu den Bakterien, die etwas stinken, also Biogas produzieren, brauchen die anderen Bakterien Luft, um den Gärrest in Humus umzuwandeln. Sie sind etwas langsamer als ihre Kollegen und brauchen ungefähr 6 Monate.

Bioabfallverwertungsanlage
Mit Volldampf den Bioabfall in Kompost und Strom umwandeln.

Thurau schnuppert am Kompost: „Guter Kompost muss nach Waldboden riechen.“ Die Komposthaufen sind mit Thermometern bestückt. Bis zu 70 Grad werden im Inneren der Haufen erreicht. „Das erreicht kein Komposthaufen im Garten. Die hohe Temperatur ist wichtig, um einen keimfreien qualitativ guten Dünger zu bekommen.“ klärt Thurau auf. Nun kommt das große „Aber“. Wenn nicht die vielen Kunststofftüten wären. Der Kompost muss extra wird ganz fein werden gesiebt, um die kleine bunte Kunststoffreste zu entfernen – ein unnötiger, teurer Prozess. Ein großes Ärgernis. Kompost muss strenge Auflagen erfüllen, eh dieser vom Bauern auf die Felder gebracht werden darf. Kunststoff ist ein sogenannter Störstoff. Sind mehr als 0,5 (!) Prozent Kunststoffreste im Kompost, gibt es kein Zertifikat.

Bioabfallverwertungsanlage
Immer wieder landen Plastiktüten in den Bioabfall und sorgen für teure Aussortierung. Diese können sogar den Kompost unbrauchbar machen.

Der so ideale Recyclingkreislauf ist gestört. Bioabfall aus Küche und Garten ist ein energiereicher Wertstoff: er ist sowohl regenerative Energieressource als auch Nährstoff- und Humuslieferant. Dadurch hat er einen wichtigen Anteil an der Energiewende in ganz Deutschland ebenso wie in Erfurt. Außerdem sorgt ein effizientes Bioabfall-System dafür, dass Nährstoffe im Kreislauf geführt und so immer wieder genutzt werden können. Der Experte der Bioabfallverwertung hat nicht die Hoffnung aufgegeben, dass mal bei den Erfurtern ein Umdenken stattfindet und irgendwann wirklich nur Bioabfall in die Biotonne kommt – der Umwelt zu liebe.