Indischer Apfel, Palisander und Zebrano, Ahorn oder Eiche – sie alle bestechen mit ihrer einzigartigen Maserung, warmen Brauntönen und ihrer Natürlichkeit. So einzigartig jedes Holz auch ist, haben sie doch alle eines gemeinsam – durch sie werden Brillen-Träume wahr.
Robert Schippel ist gelernter Optiker und führt in dritter Generation das Geschäft Optiker Richter in der Johannesstraße 177 in Erfurt. Seit 1925 berät seine Familie Kunden zur perfekten Brille. Deswegen wartet im Geschäft eine große Auswahl an Lese-, Korrektur- und Sonnenbrillen auf sie. Doch die Sehhilfen kommen nicht einfach „von der Stange“, sondern werden von Schippel und seinem Team der „Hornschmiede“ per Hand gefertigt.

Aus Liebe zum Holz
Ob Holz, Horn oder Kunststoff – seit 2006 fertigt Schippel mit seinem Team individuelle Brillen. Doch besonders begeistert ist der Optiker und Fassungsbauer von Holz. „Also ehrlich gesagt: Ich bin ein Holzwurm. Es macht mir unheimlich viel Spaß, mit diesem Rohstoff zu arbeiten.“ Anstatt seine Liebe zum Holz durch das Bauen von Möbeln auszuleben, entschloss sich Schippel stattdessen, Brillen aus seinem Lieblingsmaterial anzufertigen. Den Anstoß dazu bekam er von einer Kollegin. „Sie musste ihre Brillen immer in der Kinderabteilung kaufen und hat sich endlich eine Brille nach ihren Vorstellungen gewünscht. Ich habe beschlossen, ihr selbst eine anzufertigen. Und sie war begeistert“, erinnert er sich. „Als kurz darauf ihre Zwillingsschwester auch eine Brille von mir wollte, habe ich bemerkt, dass der Bedarf an individuellen Brillen größer ist, als ich dachte“.

Um das Handwerk des Brillenbaus und den richtigen Umgang mit den zur Produktion benötigten Maschinen zu lernen, ist der Optikermeister ein Jahr nach Mönchengladbach gegangen. „Ein Lieferant von uns erzählte mir, dass er aus Altersgründen seine eigene Produktion verkaufen wird. Also habe ich mir nach diesem Jahr alle Geräte hier nach Erfurt geholt, sie modernisiert und dann begonnen, eigene Brillen herzustellen“, erzählt Schippel.

Obwohl Holz und Horn weniger berechenbar als Kunststoff sind, hat kein Mitarbeiter speziell das Handwerk mit Holz erlernt. Vielmehr haben Schippel und sein Team eigene Testreihen und Versuche durchgeführt, um die perfekte Form zu entwerfen, den perfekten Kleber zu finden oder den richtigen Druck beim Pressen der Materialien auszutüfteln. „Viele Punkte der Herstellung orientieren sich bei uns an Punkten, die mich bei anderen Brillen schon immer gestört haben. Ich habe einen sehr hohen Anspruch an die Qualität einer Brille.“, sagt Schippel.
Hier gibt es für jeden die passende Brille
Seine Kunden können zwischen verschiedenen, bereits vorproduzierten Modellen wählen. „Unsere Brillen gibt es, anders als bei vielen anderen Optikern, in mindestens zwei Größen. Die Größen richten sich dabei nach der Kopfform bzw. -breite des Kunden.“, erklärt der Optikermeister. Und wenn keine passende Brille dabei ist, wird eine passende hergestellt. „Bei maßangefertigten Brillen kann der Kunde sogar am Computer das Design mitbestimmen. Hier etwas breiter, da lieber eckiger…, das ist bei uns kein Problem.“ Auch bei der Art und Farbe der 11 verschiedenen Holzschichten, aus denen eine Brille besteht, kann der Kunde mitwirken. „Damit sich der Kunde auch vorstellen kann, wie seine Brille später aussieht, verkleben wir die Schichten auch manchmal gemeinsam mit ihnen im Laden“, sagt Schippel. Auch Spezialwünsche sind kein Problem. „Wir hatten schon einen Musiker als Kunden, der sich eine Brille in der gleichen Farbe seiner Gitarre gewünscht hat. Bei einem anderen Kunden haben wir ein Tattoo-Motiv auf den Brillenbügel übertragen“, erinnert sich der Optikermeister und grinst.

Doch bis eine solch individuelle Sehhilfe fertig ist, können bis zu sechs Wochen vergehen. „Wir stellen die Brillen her, wenn sie gebraucht werden. Deswegen haben wir auch kein riesiges Lager.“, erklärt der Fassungsbauer. Im kleinen Lager der Hornschmiede warten deswegen nur wenige Sehhilfen, dafür aber Kunststoffplatten in 60 verschiedenen Farben sowie exotische Holzfurniere oder Horn auf ihren Einsatz. Bis aus den Rohstoffen fertige Brillen entstanden sind, braucht es circa 80 Arbeitsschritte. Neben dem Sägen der Platten auf die passenden Größen müssen die Einzelteile gefräst und die fertige Fassung abschließend poliert werden.

Jede Brille ein Unikat
Das Besondere an den dadurch entstehenden Brillen aus Holz ist, dass jede ein Unikat ist, selbst wenn sie nicht auf Maß angefertigt wurde. „Natürlich ist jede Brille anders, denn auch die Bäume sind in ihrer Farbe nie gleich. Es gibt hellere und dunklere Nuancen“, erklärt Schippel. „Wir weisen außerdem immer darauf hin, dass besonders die Holzbrillen in den Kontaktzonen, also Nasenflügel und Schläfe, einen eigenen Farbcharakter entwickeln. Das kann man sich vorstellen wie die Patina bei einer Lederjacke.“

Die viele Handarbeit lohnt sich – nicht nur für die Kunden. „Ich freue mich am meisten, wenn der Kunde glücklich ist und die Brille so geworden ist, wie er sie sich vorgestellt hat“, sagt Schippel. „All diese verschiedenen Persönlichkeiten im Laden zu haben und ihre Erwartungen erfüllen zu können, ist das schönste für mich“.
Text: Emely Lea Stehr
Fotos: Steve Bauerschmidt