Ende der 1930er-Jahre planten die Verkehrsbetriebe, das Straßenbahnnetz zum Einrichtungsbetrieb umzugestalten. So nennt man die Betriebsabwicklung mit Wendeschleifen oder Gleisdreiecken (in Erfurt nicht vorhanden), bei denen die Triebwagen nicht umgekuppelt werden müssen, sondern quasi der ganze Straßenbahnzug gedreht wird. Damit benötigt man nur noch Wagen mit einer Türseite und kann die Sitze überwiegend in Fahrtrichtung anordnen – damals wie heute ein Komfortmerkmal.

Und neben der Einsparung eines Führerstandes beim Triebwagen und dem damit verbundenen Platzgewinn ermöglicht diese Verfahrensweise einen erheblichen Zeitgewinn an den Endstellen, es verringert den Personalaufwand und erhöht auch die Durchlassfähigkeit der Wendeanlage, was bei dichten Zugfolgen notwendig ist und auch die Störanfälligkeit senkt. Der Vollständigkeit halber sei auch der Nachteil nicht verschwiegen: Man braucht natürlich auch Platz für die Wendeschleifen, und verschiedene Lösungsmöglichkeiten hat unser Netz ja zu bieten.

Der nördliche Endpunkt der Linie 1 erhielt seine Wendeschleife 1951, indem das Malzwerk via Roststraße und Vollbrachtstraße „umrundet“ wurde. Da das Malzwerk einen Eisenbahngleisanschluss zum Bahnhof Erfurt Nord besaß, musste auch eine schienengleiche Kreuzung gebaut werden, damals wie heute (Stotternheimer Straße) äußerst ungeliebt.

Der Wagen 245 in der heutigen Magdeburger Allee.

Die neue Endstelle erhielt wenig später auch den im Bild sichtbaren Fahrgastunterstand, der sich an der alten Kuppelendstelle auf der heutigen Magdeburger Allee infolge der damaligen Bebauung nur schwerlich unterbringen ließ.

Als unsere Aufnahme 1965 entstand, hatte die vormalige Stalinallee mit Karl-Marx-Allee schon länger ihren Namen geändert. Zu dieser Zeit wurde die Linie 1 noch nicht mit den beschriebenen Einrichtungswagen bedient, obwohl die Linie 1964 am Dalbergsweg ebenfalls eine Wendeschleife erhalten hatte. Bis dahin konnten Einrichtungswagen nur auf der seit 1952 im Berufsverkehr betriebenen Linie 1E eingesetzt werden, für die in jenem Jahr am Platz der DSF – für die Jüngeren unter den geneigten Lesern: Platz der deutsch-sowjetischen Freundschaft – eine Zwischenwendeschleife gebaut worden war. Immerhin lag die Taktzeit in diesen Jahren bei 6 Minuten, bis dahin war insbesondere bei Verspätungen ziemlich viel Hektik beim Umkuppeln in der Hochheimer Straße… Abgesehen davon war für das Fahrgastaufkommen am westlichen Ende eine solche Taktfolge nicht notwendig.

Die meisten vorhandenen Einrichtungswagen wurden zu dieser Zeit aber auf den vom Betriebshof Nordhäuser Straße zu bestückenden Linien 2,3 und 5 eingesetzt, erst weitere Neuzugänge von Gothawagen ließen auch auf der Linie 1 diese Wagen erscheinen. Wegen des Fahrgastaufkommens wurde ab 1967 die Linie 1 dann mit 3-Wagen-Zügen befahren. Für diese Linie erhielten dann übrigens die letzten Gotha-Gelenkwagen für Erfurt hinten ESW-Kupplungen, um mit einem zusätzlichen Beiwagen behängt werden zu können.

Mit der Neuanlieferung von Gothawagen verringerte sich der Bestand an Altbaufahrzeugen kontinuierlich. Im Jahr der Aufnahme waren nur noch die in den 50er-Jahren modernisierten Triebwagen des Baujahrs 1930 und jene ab 1936 gelieferten Standardwagen, die im Bild zu sehen sind, vorhanden, wenngleich sich deren Reihen durch Ausmusterungen oder Umsetzungen zu anderen Betrieben bereits merklich lichteten.

Zum Schluss sei noch das weitere Leben des 1942 beschafften Beiwagens 245 erwähnt: Er wird 1970/71 zum Einrichtungsbeiwagen umgebaut und unter der Nummer 261 wieder in Fahrt kommen, weiterhin in den noch benötigten Altbauzügen. 1979 folgt dann nach 37 Jahren seine Außerdienststellung und Verschrottung.

Text: Michael Nitschke
Foto: Archiv der Erfurter Verkehrsbetriebe