Unzählige Bücher hat Ursula Poznanski geschrieben. Schon mit ihrem Erstlingswerk „Erebos“ eroberte sie die Bestsellerlisten, gewann den Deutschen Jugendliteraturpreis. Seitdem schreibt und schreibt sie: Jugendbücher, Thriller, auch Dystopien wie die Eleria-Trilogie stammen aus ihrer Feder. Mit „Cryptos“ hat sie ein neues gesellschaftskritisches Buch über eine Welt nach der Klimakatastrophe geschrieben.

Wir haben mit ihr gesprochen und wollten wissen:

Frau Poznanski, Sie sind ja sehr erfolgreich. Wie haben Sie geschafft, wovon viele träumen?

Das weiß ich auch nicht, es ist einfach passiert. Vieles hat sich von selbst ergeben, ohne, dass ich einen Masterplan gehabt hätte. Ich war selbst überrascht, dass „Erebos“ so ein großer Erfolg wurde. Ich habe zwar schon immer geschrieben, aber meist nur ein paar schön formulierte Seiten, Geschichten und Studien, die plötzlich abbrachen. Lange habe ich gedacht, dass ich gar keinen Roman schreiben kann, weil mir die Ausdauer fehlt. Das erste, was ich wirklich fertiggeschrieben habe, war ein Drehbuch  für einen Wettbewerb in Österreich. Das war 2000, mein Sohn war gerade geboren. Ich war sehr verblüfft, als ich nach 100 Seiten endlich die vier Buchstaben Ende daruntersetzen konnte. Gewonnen hab ich nicht, aber inzwischen weiß ich, dass es für mich nicht funktioniert, wenn ich einfach so ins Blaue hineinschreibe, ich brauche nicht nur eine Idee, sondern ein grobes Skript, muss wissen, wo die Geschichte hingeht.

Ursula Poznanski liest am 24. November aus ihrem Buch „Cryptos“. Foto: Jeff Mangione – Loewe Verlag

Wichtig ist es, sich darauf einzustellen, dass ein Buch zu schreiben ein Marathon ist und kein Sprint. Anfangs hatte ich einen spannenden ersten Satz oder eine Figur, die mich interessiert hat. Aber das funktioniert so nicht, jedenfalls nicht für mich. Einfach so drauflos zu schreiben, da entstehen ein paar schön formulierte Seiten, und das war es dann auch. Wenn ich schreibe, habe ich eine Mischung aus Plan und Schreibfluss, vieles passiert spontan, aber der rote Faden ist da und zieht sich durch. Angefangen hab ich mit Kinderbüchern für Erstleser, das lief ganz gut, aber mein Jugendbuch – reine Fantasy – an dem ich fünf Jahre geschrieben habe, wollte keiner haben. Inzwischen ist er ein Schubladenroman, wie ihn wohl jeder Autor hat. Aber ob er mir heute noch gefallen würde? Damals fand ich ihn toll.

Sie schreiben Thriller, Jugendbücher, sogar Dystopien. Gibt es ein Genre, in dem Sie sich am wohlsten fühlen?

Nein, ich bin sehr froh, so vielseitig arbeiten zu können und immer wieder etwas Neues ausprobieren zu dürfen. Ich finde es viel spannender als Autorin, nicht monothematisch zu sein. Das ist auch das was Verlage und Leser von mir erwarten. Ich habe einfach das Glück, dass ich das darf, weil meine Verlage sehr freudig mit dabei sind. Auf die Art schaffe ich es, zwei Bücher pro Jahr zu schreiben, einen Jugend- und einen Erwachsenenroman.

Wie sieht Ihr Tag aus? Wann schreiben Sie?

Ich versuche, am Vormittag zu schreiben. Das klappt meistens ganz gut, ich bin relativ schnell wieder drin, wenn ich abgelenkt werde. Das Einzige was ich nicht bin, ist ein Nachtschreiber. Zwischen 22 und 3 Uhr nachts schreiben, das kann ich nicht und wenn dann wirklich nur in der totalen Panik, wenn ich schon vor Wochen hätte abgeben sollen. Dafür schreibe ich tatsächlich jeden Tag. Der Plan sind 1300 Worte täglich, die schaffe ich nicht immer, aber ich schaue, dass es immer so an der 1000 kratzt. Damit fahre ich ganz gut. Früh oder nachmittags, da bin ich flexibel. Und wenn ich früher durch bin, ist das auch schön, dann habe ich frei.

Wie schaffen Sie es, sich in die Lebenswelt von Jugendlichen hineinzuversetzen und die Themen aufzugreifen, für die sich die junge Generation interessiert?

Ich glaub, das sind einfach Dinge, die mich selbst interessieren, auch wenn ich definitiv nicht mehr zur Gruppe der Jugendlichen gehöre.  Aber ich schreibe über Themen, die alle Altersgruppen interessieren können. Der Jugendbuchfaktor definiert sich ja oft vor allem über die sehr jungen Protagonisten. Es ist nicht zwingend das Thema, das das Jugendbuch ausmacht, sondern vielmehr die Perspektive eines 17- oder 18-Jährigen. Wobei ich mich sehr gut daran erinnere, wie ich die Welt in dem Alter gesehen und betrachtet habe. Ich denke, ich habe mir viel von dieser Verspieltheit erhalten. Die Unterschiede, wie ich die Dinge damals gesehen habe und wie ich sie heute sehe, sind nicht so gravierend, wie man vielleicht glaubt.

Was mir extrem widerstrebt, ist es, mich mit dem Zeigefinger hinzustellen und zu sagen, ich erklär euch jetzt die Welt. Dagegen stelle ich gern Fragen, auf die ich meist selbst keine Antwort habe. Ich werfe sie einfach in den Raum und schaue, was passiert. Das finde ich spannend. Toll ist es auch, wenn sich daraus Gespräche oder weitere Fragen ergeben. Im Prinzip haben wir ja alle keine Antworten auf die großen Probleme derzeit.

Hatten Sie Angst, als Sie letztes Jahr Erebos 2 veröffentlicht haben, dass es an den Erfolg seines Vorgängers nicht anknüpfen kann? Heute wissen wir ja, es war die richtige Entscheidung und stürmte die Bestsellerlisten.

Ja, schon. Ich bin oft nach einer Fortsetzung gefragt worden, aber ich hätte nicht gewusst, was ich der Geschichte hinzusetzen soll. Aber jetzt 10 Jahre später – die Technik hat sich so unglaublich weiterentwickelt – dachte ich, doch: jetzt kann ich dem Ganzen noch mal einen neuen Dreh geben. Aber es hätte trotzdem sein können, dass alle sagen: Na super, das hätte sie sich jetzt sparen können. Es war mir wichtig, dass es kein Abklatsch von Band 1 wird. Und es gibt wirklich Leute, die mir sagen, ihnen hat Erebos 2 besser gefallen als das erste.

„Cryptos“ heißt Ihr neues Buch. Darin thematisieren Sie eine Welt nach dem Klimawandel. Ich habe das Gefühl, dass es hier eine Verbindung zur Eleria-Trilogie gibt. Ist das so?

Nein. Das funktioniert bei mir nicht so. Vielmehr kommt plötzlich eine Idee daher, sie blitzt kurz auf, und ich weiß, die ist es jetzt, ohne dass ich mir vorher in irgendeiner Form eine Marschrichtung vorgegeben hab, so nach dem Motto: Ich muss jetzt mal über Klimawandel schreiben. Ich hab eine Idee, die sich mehr an den Randbereichen meines Bewusstseins abspielt, und der laufe ich dann hinterher wie ein Hund einer Spur im Wald. Der Prozess ist nicht sehr kopfgesteuert, am Anfang sind es nur ein paar Bilder, die sich dann verdichten, und dann kann ich anfangen zu schreiben. „Cryptos“ ist aus einem Gedankenexperiment heraus entstanden, aus der Frage: Was wäre wenn? Was, wenn viele der Landmarken und Städte nicht mehr existieren? Wenn die Klimakatastrophe schon stattgefunden hat? Wenn es nichts mehr gibt, wo man hingehen kann? Was gäbe es an Möglichkeiten um weiterzumachen? Und dann kam ich auf Jana, die Weltenformerin, und ihr idyllisches Kerrybrook, ein Fischerdorf, in dem nicht alles so ist, wie es scheint.

Wenn man „Cryptos“ liest, muss man unweigerlich an Fridays For Future und die Klimaaktivisten denken. Es gibt ja doch viele Erwachsene, die sagen, die Jugend geht nur demonstrieren, weil sie dann nicht in die Schule muss. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde das Engagement großartig, es ist wahnsinnig wichtig, vor allem, dass es von der jungen Generation kommt, vollkommen zu Recht, weil die Leute, die an den Hebeln sitzen, Entscheidungen fällen, die sie teilweise selbst nicht mehr betreffen. Es ist wichtig, dass die Jugend da aufschreit, wichtig, dass die Eltern und Großeltern sich dran hängen, Verantwortung übernehmen, um die Welt so gut wie möglich zu reparieren und den Klimawandel aufzuhalten. Ohne die Wirtschaft funktioniert das aber leider nicht. Es ließe sich ja durchaus auch Geld mit Ideen machen, die das Klima schützen und die Welt stabilisieren. Aber mir ist auch klar, dass Betriebe wie riesige Schlachtschiffe sind, die lang brauchen, um zu bremsen und die Richtung zu ändern.

Sie waren schon öfter in Erfurt. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Erfurt ist eine wirklich, wirklich schöne Stadt. Ich gehe hier sehr gern spazieren, schlendere gern durch die Stadt. Man kann hier sehr gut einkaufen. Mein Koffer ist anschließend jedes Mal voller. Und die Cafés und Restaurants, wirklich hübsch. Ich komm ja aus Wien und wir haben einen großen Hang zu Kaffeehäusern und da ist Erfurt wunderbar, hier gibt es ganz gemütliche und schöne Ecken, wo man einfach sitzen, lesen und Kaffee trinken kann. Ich bin immer sehr happy wenn ich in Städten bin, die optisch sehr hübsch sind und das ist bei Erfurt definitiv gegeben.