Jörg Harder ist Fahrlehrer bei der EVAG, seit vielen Jahren. „Für viele Mitarbeiter ist ihre Tätigkeit in einem Nahverkehrsunternehmen nicht nur Beruf, sondern Berufung. Ich zähle mich zu diesen Personen“, sagt er und lässt uns an seiner größten Leidenschaft teilhaben: Straßenbahnen und Busse im Maßstab 1:87.

Schon in frühester Kindheit begeisterte ich mich für Busse und Bahnen. Schnell kannte ich die Wagentypen und Nummernschemen von Straßenbahnen und Linienbussen meiner Heimatstadt Erfurt, verfolgte gespannt die Lieferung neuer Fahrzeuge und geänderte Lackierungen. Heute arbeite ich als Fahrlehrer Straßenbahn und baue Vertreter des EVAG-Wagenparks in verschiedenen Maßstäben nach.


Dieses Hobby begann schon, als ich Schüler war. 1987 erschien im Modellbahnhandel ein Bausatz des LOWA-Zugs ET54/EB54. Auch wenn es das Vorbild nie in Erfurt gab, ging für mich ein langgehegter Wunsch in Erfüllung! Es war meine erste Modellstraßenbahn überhaupt und diente für verschiedene Lackierungsvarianten sowie für Umbauten zum Einrichtungswagen und Gelenkwagen.
Schließlich reifte die Idee, das Standmodell zum Fahren zu bringen. Ich tüftelte und fand in der Diesellokomotive V 36 der Spurweite TT einen geeigneten Antrieb. Der Rahmen wurde geschmälert, das Gehäuse abgenommen, die mittlere Achse mit den Pleuelstangen entfernt. Zufällig passte der Radstand, und die Spurweite der TT-Lok eignete sich wunderbar als Meterspur für die Modellstraßenbahn des Maßstabs 1:87. Normgerecht wird diese auch heute als HOm bezeichnet. Dieser Spurweite bin ich treu geblieben.

Zu meiner Sammlung gehören heute rund 200 Straßenbahnmodelle im Maßstab 1:87. Sie entstanden zum Teil im Eigenbau aus Kunststoff, Karton, durch Umbau von Industriemodellen, aus umlackierten Bausätzen und Gehäusen aus dem 3D-Druck-Verfahren.

Aus allen Epochen der Erfurter Straßenbahn habe ich fahrfähige Modelle gesammelt und gebaut. Vom Zweiachser aus der Kaiserzeit bis zum Combino entstanden nahezu alle Vertreter am heimischen Basteltisch. Besonders viele Farb- und Werbevarianten habe ich von den Tatras, Düwags und Combinos gesammelt. Schließlich bin ich mit diesen Bahnen aufgewachsen bzw. habe mit denen über Jahre meinen Lohn als Straßenbahnfahrer verdient. Damit habe ich eine Beziehung zu diesen Wagen aufgebaut.


Natürlich besitze ich auch eine umfangreiche Sammlung von Industriemodellen. Mehrere Quadratmeter mit Vitrinen, gefüllt mit Bussen sämtlicher Hersteller aus vielen Jahrzehnten, zieren die Wände meines Bastelzimmers, und es werden immer mehr. Im Modellbussektor gibt es auf dem Markt deutlich mehr Hersteller und eine größere Typenvielfalt als bei den Modellstraßenbahnen.


Eine drei Meter lange Modellstraßenbahnanlage hat ebenfalls in meinem Bastelzimmer einen festen Platz. Sie hat kein konkretes Vorbild, ist aber nach Motiven mitteldeutscher Städte entstanden, um meinen Straßenbahnmodellen ein passendes Umfeld zu schaffen. Fast alle Gebäude sind Eigenbauten, besitzen Inneneinrichtung und Etagenbeleuchtung. Bei den Vorbildern orientierte ich mich an Häusern der Postmoderne, die es tatsächlich gibt. So standen z. B. das Dresdner Rundkino, das Haus des Lehrers aus Berlin und die Erfurter Wendeschleife Rieth Pate. Auch das Endstellengebäude vom Wiesenhügel fand auf meiner Anlage Platz.

Woher kommt diese Sammel- und Bastelleidenschaft? Ist es der anthropologische Trieb eines Jägers und Sammlers, oder ist es das Kind im Manne, das nie erwachsen wird? Ein Hobbykollege sagte, wen einmal die Modellbauleidenschaft gepackt hat, der behält sie auf Lebenszeit. Egal, wie man es sehen und werten mag, für mich ist es ein wunderschönes Hobby, bei dem ich entspannen und meine Freude mit Gleichgesinnten teilen kann.
Was in stundenlanger Akribie in Form von Modellen entstanden ist, sind für mich bleibende Werte. Ein Höhepunkt meines Schaffens war zweifellos ein Auftritt im mdr-Fernsehen. Zu Ostern 2011 durfte ich in der Sendung „Auf kleiner Spur“ meine Modellstraßenbahnanlage präsentieren. Die Resonanz von Freunden und Kollegen auf die Ausstrahlung war überwältigend!



Allerdings ist so ein Hobby wie eine Pflanze. Es wächst und hat schon die Mauern meines Bastelzimmers überwunden. Es bleibt spannend, in welche Bereiche der Wohnung es sich noch ausdehnen wird.



Text und Fotos: Jörg Harder
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