Silberfarbene Rohre mäandern durch die Erfurter Landschaft. Mal überirdisch, mal unterirdisch bahnen sie sich ihren Weg. Was sie weiterleiten? Wärme für die Erfurter. Über diese Rohre wird sie durch die ganze Stadt verteilt. Etwa 195 Kilometer sind die Rohre der Erfurter Wärme lang. Das entspricht beispielsweise der Luftlinie von Erfurt nach Nürnberg. Damit ist das Erfurter Wärmeleitungsnetz das Größte in Thüringen. Circa 40.000 Haushalte plus Industriekunden können damit versorgt werden. Und künftig können es noch mehr werden. Denn das Fernwärmenetz wird fleißig ausgebaut.

„Nähe erzeugt Wärme“ ist auf einem Großplakat in den Erfurter Johannesgärten zu lesen. Nähe meint die Erzeugung der Fernwärme direkt vor Ort. Sie entsteht in einem Herz – dem Herz der Erfurter Energieversorgung. Gemeint ist das Heizkraftwerk GuD (Gas- und Dampfturbinenanlage) im Erfurter Nordosten. Das Kraftwerk ist Teil eines komplexen Systems der Erfurter Energieversorgung. Dabei spielt die Wärmeproduktion und Weiterleitung eine große Rolle.

SWE Banner
XXL-Banner am im Bau befindlichen „Johannesturm“ in den Erfurter Johannesgärten.

Erzeugt wird die Wärme aus Gas. Vier Turbinen, drei mit Gas und eine mit Dampf betrieben, der Erfurter GuD-Anlage arbeiten, um den Wärmebedarf für Erfurt zu decken. Wird zu viel produziert, kann diese gespeichert werden. Beispielsweise im 30 Meter hohen Wärmespeicher in der Erfurter Iderhoffstraße, wo bis zu 7.000 Kubikmeter heißes Wasser gespeichert werden können (Infos zum Erfurter Energiemodell).

„Die Wärme benötigen unsere Kunden zum Beheizen von Gebäuden, zur Bereitung von Warmwasser, als Prozesswärme oder auch beispielsweise zur ‚Herstellung‘ von Kälte“, sagt Kay Eberhardt, Abteilungsleiter Wärmenetz bei den Erfurter Stadtwerken. Letzteres geschieht in einem physikalischen Verfahren mittels sogenannter Absorptionskältemaschinen und wird beispielsweise für die Klimatisierung oder Lebensmittel-Kühlung verwendet. So kann die Wärme, auch zum Kälte-Bereiter werden. Vor allem in der großen Industrie werden solcher Art Kältemaschinen benutzt. Sie sind energieeffizienter als Kompressionskältemaschinen, gleichzeitig aber auch enorm groß. In Erfurt kommen sie beispielsweise zur Klimatisierung großer Kaufhäuser zum Einsatz.

Fernwärmenetz
Das Erfurter Wärmenetz ist knapp 200 km lang. Nur ein Viertel der Rohre ist oberirdisch verlegt, der Großteil verläuft unterirdisch in zum Teil kilometerlangen Gängen. Und dieses Netz wächst stetig. In der Karte fehlen beispielsweise die Leitungen der Solarthermie-Anlage in Marbach.

Nicht nur im Winter ist die Erfurter Fernwärme für unsere Heizungen wichtig. Auch im Sommer möchten wir gerne mal warm duschen. Und auch große Unternehmen können auf die Erfurter Fernwärme nicht verzichten. So brauchen beispielsweise die Erfurter Malzwerke viel Wärme um ihr Getreide zur Malz zu darren. Das ist die Grundzutat für tausende Biere in Deutschland. Und auch die Erfurter Teigwaren können ohne die Fernwärme ihren Teig nicht trocknen; die Milchwerke machen mit Hitze ihre Milch haltbar. Das macht die Erfurter Fernwärme ganzjährig zu einem unabdingbaren Medium.

Nähe erzeugt Wärme; in den Erfurter Wärmeleitungen wird es regelrecht heiß. „Im Bereich der Fernwärme beliefern wir von den Stadtwerken Erfurt mit zwei Medien: Heißwasser und Dampf. Das Heißwasser ist bis zu 130 Grad Celsius warm und durchfließt circa 184 Kilometer unserer Leitung. Dampf ist bis zu 200 Grad Celsius warm und durchströmt einen kleinen Bruchteil unseres Netzes – etwa sieben Kilometer“, weiß Kay Eberhardt.

SWE Druckerhöhungsstation an der Heyderstraße
In der Druckminderungsstation am Erfurter Herrenberg wird die Temperatur des Heißwassers herunter reguliert. Gleichzeitig sorgen die Anlagen der Station dafür, dass das warme Wasser in den Wohnblöcken auf dem Berg an kommt.

Und da, wo die Erfurter Fernwärme nicht hinkommt, gibt es alternativ Nahwärme. „Nahwärme ist ein dezentrales System für einzelne Objekte oder auch ein territoriales Versorgungsnetz für ausgewiesene Quartiere“, erklärt der Experte das komplexe System. Sprich: Nahwärme steht für kleinere Anlagen, über die ein abgegrenztes Gebiet oder auch ein einzelnes Objekt zuverlässig mit Wärme versorgt wird. Eine solche Anlage steht in der Ritschlstraße im Erfurter Norden.

Wie es in den Kanälen mit Fernwärmeleitungen aussieht, zeigt ein Video.

Mit einer Solarthermie-Anlage in Erfurt Marbach wurde das Erfurter Wärmesystem beispielsweise jüngst um eine innovative Form der Wärmeerzeugung ergänzt. So bleibt es heute und auch künftig, egal ob von nah oder fern, für die Erfurter immer wohlig warm oder eben, nach Bedarf, auch mal kalt.

Fotos: Steve Bauerschmidt