Bienen – Jeder kennt sie, jeder hat sie schon mal gesehen und jeder hat gehört, dass sie irgendwie wichtig sind. Aber mal ehrlich: Wer weiß schon, dass eine Biene für 300 Gramm Honig bis zu 20.000-mal ausfliegen muss? Ich auch nicht… Deswegen gibt es hier allerlei Angeberwissen über ein unterschätztes Insekt.

Erst mal’n Kaffee

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Thomas Maul mit seinen Bienen

Vor einiger Zeit war ich mit Thomas Maul auf der Deponie verabredet. Wir wollten zusammen Honig abfüllen. Klingt komisch, ist aber so 🙂 Thomas ist Deponiegärtner. Er arbeitet seit rund sechs Jahren auf unserem Deponiegelände in Erfurt Schwerborn. Wie vermutlich viele andere auch, war er überrascht wie grün und schön es dort ist. Eine wahre Naturidylle, über die Ivo bereits berichtete. Schnell war ihm klar: „Hier müssen Bienen her.“ Thomas stammt aus einer Imker-Familie und erkannte das Potential. Zum Glück! Heute leben 13 Bienenvölker auf unserer Deponie. Und durch sie gibt es leckeren Honig bei uns. Ich wollte erfahren, wie viel Arbeit es ist, bis der Honig in die Gläser kommt. Dass ich dafür mal auf eine Deponie fahre, hätte ich auch nicht gedacht.

Voller Tatendrang kam ich an. Ich hatte große Lust, direkt loszulegen. Aber Thomas bremste mich… „Erst mal’n Kaffee“, sagte er. Was mir – wie ihr vielleicht wisst – ganz recht war. Für Thomas Maul ist das ein kleines Ritual. „Bevor es an die Bienen geht, muss ich erst runterfahren. Bienen spüren Stress. Das ist nicht gut.“ Solche Worte machten mich und Theresa, unsere Praktikantin, die mit mir auf die Deponie kam, nicht unbedingt ruhiger. Vor allem, wenn man gefühlte zwei Meter Luftlinie neben der Einflugschneise von mehreren hunderttausenden Bienen sitzt. Überall flog und summte es. Ehrlich gesagt hatte ich anfangs doch ein sehr mulmiges Bauchgefühl. Theresa ging es ähnlich. Sie schlüpfte daher lieber in den sicheren Imkeranzug. Die Nervosität legte sich aber zunehmend und ich konnte die Idylle – und meinen Kaffee – wieder genießen.

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Luftbild der Imkerlaube und Bienenkästen auf der Deponie

Daran änderte sich auch nichts, als plötzlich eine laut surrende Biene um unsere Köpfe schwirrte. Thomas sagte seelenruhig: „So klingt übrigens eine Biene, die stechen will.“ Alles klar, dachte ich. Dass ich so schnell gestochen werden sollte, hätte ich nicht für möglich gehalten. „Ruhig bleiben  und Kopf nach unten“, riet mir Thomas. „Bienen gehen auf Funkelndes“ – also meine Augen. Wieder so ein Satz, der eigentlich komplette Hysterie in mir auslösen müsste. Aber Thomas‘ Ruhe strahlte auf uns ab. Das war Gold wert. Er erklärte, dass es ein natürlicher Instinkt sei, dass die Bienen auf die Augen zielen. Bei Bären, als Honigdieb ein natürlicher Feind der Bienen, ist dies die schmerzhafteste Stelle. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei uns Menschen ähnlich ist. Glücklicherweise habe ich es nicht erfahren 🙂 Denn ich nehme vorweg: Die insgesamt vier Stunden bei den Bienen erlebte ich ohne Stiche oder sonstige Verletzungen. Das ist nicht immer garantiert, wenn ich unterwegs bin…

Apis

Ich kenne nicht viele lateinische Begriffe, aber Apis ist mit Sicherheit einer der einfacheren. Es ist der lateinische Name für Biene, Apis mellifera steht wiederum für die Honigbiene. Um sie – sollte es noch nicht raus gekommen sein – soll es in diesem Beitrag gehen. Denn ich finde: Die Biene gehört mehr ins Rampenlicht gerückt!

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Einflugschneise eines Bienenkastens

Das meint auch Thomas, der uns seine Kollegen erst einmal vorstellte: „Bienen sind zwischen 12 bis 20 Millimeter groß und wiegen um die 120 Gramm, zumindest die Arbeiterinnen. Drohnen und Königen bringen durchaus das Doppelte auf die Waage.“ Langsam komme ich ins zweifeln, ob Thomas die Einträge zur Honigbiene auf Wikipedia verfasst hat. Bevor ich diese Überlegung weiter vertiefte, ging es aber schon weiter… „Ein Volk hat bis zu 60.000 Bienen“, sagt er. Ob er das nachgezählt hat, fragte ich zurück. Er hat den Spaß zum Glück verstanden 😉

Dann gewährte er uns einen Blick in den Bienenstock. Die Königin habe ich als angehender Bienenexperte ganz schnell entdeckt. Sie verfügt über einen längeren Körper als die Arbeiterinnen. Ok, ich geb’s zu: Thomas hat sich auch mit einem blauen Farbplättchen markiert, was das Auffinden natürlich sehr vereinfachte. Die Farbe des Plättchens ändert sich jedes Jahr. „Blau steht für 2015“, ruft Thomas mir zu, während schon unzählige Bienen um uns schwirrten. Die Königin war also ein Jahr alt. Königinnen aus dem Jahr 2016 werden mit einem weißen Plättchen markiert. Dann folgen gelb, rot, grün und schließlich wieder blau. „Dadurch wissen Imker, wie alt die Königinnen sind“, sagt er.

Eine Bienenkönigin oder Stockmutter, wie sie auch auch genannt wird, legt bis zu 2.000 Eier (!) am Tag. Durch ihre Pheromone steuert die Königin zudem das Leben im Bienenvolk. Zum einen sorgt es dafür, dass die Geschlechtsentwicklung bei den Arbeiterinnen gehemmt wird. Zum anderen finden die Bienen durch das Pheromon wieder zurück zum Stock. „Nicht ganz unwichtig“, wie Thomas meint. Die Aufgabe der männlichen Drohnen konnte er schneller beschreiben: „Sie begatten die Königin – und sterben danach.“ Das Leben eines staatenbildenden Insekts ist eben kein einfaches 😉

Bis der Honig im Glas ist…

… dauert es. Nachdem uns Thomas eine kurze (lange) Einführung zum Thema gab, ging es ans Eingemachte. Wir hatten ja eine Mission: Der Honig aus den Waben muss ins Glas. Gleich zu Beginn stand das Gefährlichste an: den Bienen die Waben wegnehmen. Dafür zog sogar Thomas seinen Imkeranzug an. Ich tat es ihm gleich. Schutzjacke, Schleier und Handschuhe senkten den Blutdruck noch einmal merklich. Das Gefühl der vollkommenen Sicherheit verpuffte allerdings ziemlich schnell als ich eine Biene im Hut von Thomas ausmachte. Ich schreibe mal lieber nicht, was ich dachte. Im Fernsehen würden diese Gedanken sicher weggepiept werden. Aber Thomas blieb wie immer cool: „Mein Rekord liegt bei sieben Bienen im Schleier“. Oha! Sonst bin ich wirklich vom Ehrgeiz geprägt, aber heute wollte ich in jedem Fall keine Rekorde brechen. Ich drehte mich dauernd hin und her, um zu überprüfen, ob sich in meinem Hut auch eine Biene verirrte. Zum Glück blieb es ruhig und ich konzentrierte mich auf meine Aufgabe.

1. Reifebestimmung und Wabenentnahme

Nachdem Thomas die sogenannten Magazine, also Waben in einem Holzrahmen, entnommen und Bienen abgewedelt hatte, packte ich sie in eine Transportbox. Ich musste dabei aufpassen, dass keine Biene mit hineingerät. Gar nicht so leicht. Auch, weil Thomas zu Recht anmerkte, dass ich nur den Holzrand der Waben anfassen sollte. Mit Handschuhen der Größe XXXXXL (gefühlt) war das gar nicht so einfach. Ob der Honig reif ist, erkannt man übrigens daran, dass ein großer Teil der Wabenzellen mit einer dünnen Wachsschicht überzogen ist. Dann ist die Zelle voll. Der Deckel schützt vor Verunreinigungen. „Denn eigentlich dient der Honig den Bienen als Nahrung im Winter“, sagt Thomas. Kein Wunder, dass sie unseren Diebstahl nicht guthießen. Dass es im Winter Zuckerwasser als Entschädigung gibt, wollten sie uns scheinbar nicht glauben 😉

2. Der Deckel muss weg

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Entfernen der Wachsdeckel auf den Waben

In der Imkerlaube bereiteten wir das Schleudern des Honigs vor. Die Raumtemperatur sollte ein wenig wärmer sein als die heimischen Wohnzimmer. Zwischen 25°C bis 28°C sind ideal. Dadurch lässt sich einfach mehr herausholen. Faustregel: Je wärmer der Honig, desto besser die Ausbeute. Daher sollte der Honig so schnell wie möglich geschleudert werden, nachdem er aus dem Stock entnommen wurde. Vorher müssen die Wachsdeckel vorsichtig entfernt werden. Das erfordert ein klein wenig Übung, gelang aber auch mir. Die Deckel aus Wachs werden übrigens gesammelt. Aus ihnen lässt sich ebenfalls noch Honig machen oder bei Bedarf Most & Co.

3. Ab in die Tonne

Dann kann’s auch schon losgehen. Die Rahmen mit den entdeckelten Waben müssen zügig in die Schleuder, da der Honig schon ausläuft. Heutzutage wird die Schleuder oft mit einem kleinen Motor angetrieben. Früher ging das Ganze nur manuell und zählte nicht gerade zu Thomas‘ Lieblingsaufgaben, wie er erzählte. Ich glaube es ihm aufs Wort. Zu meiner Verwunderung waren die Magazine nämlich richtig schwer. Doch die Fliehkräfte der automatisierten Schleuder sorgten schnell dafür, dass der Honig aus den Waben trat – und schließlich durch einen Sieb in den Auffangbehälter.

4. In der Ruhe…

Eigentlich wäre der gewonnene Honig schon zum Verzehr geeignet. Weil aber noch kleine Wachsdeckel oder Pollenklümpchen drin sind, sollte man den Honig gut verschließen und für eins, zwei Tage ruhen lassen. Dann steigen die Partikelchen als Schaum an die Oberfläche, der einfach  abgeschöpft werden kann. Da ich leider nur schwer solange warten konnte, machte Thomas den Alfred Biolek: „Ich habe da mal was vorbereitet“, sagte er. Und so konnten wir zum letzten Schritt übergehen.

5. Finale Grande

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Frisch abgefüllter Buddelhonig

Der Honig muss nun noch einmal gut gerührt werden, bevor es durch das Spitzsieb in den Abfüllbehälter geht. Dadurch wird auch das letzte ungewollte Teilchen herausgefiltert. Der Honig ist nun endgültig fertig und kann in die Gläser gefüllt werden. Ich glaube, für das Abfüllen von Honig ist der Begriff Entschleunigung erfunden wurden. Es ist das Meditieren des Imkers, einfach Beruhigung in Vollendung. Ein wahrlich großartiges Ereignis – und krönender Abschluss meines Besuchs bei Thomas und den Bienen.

Alles Honig oder was?

Nicht ganz. Wir nutzen viel mehr von den Bienen. Das Wachs, ein Ausscheidungsprodukt aus den Drüsen, wird bspw. in kosmetischen oder pharmazeutischen Mitteln eingesetzt. Auch Bienenwachskerzen werden daraus hergestellt. Propolis ist ein weiteres bedeutsames Produkt. Bienen sammeln Harz von verschiedenen Bäumen und dichten damit den Bienenstock ab. Dadurch verhindern sie den Befall mit Pilzen und Bakterien. Propolis wirkt entzündungshemmend und sogar antibakteriell. Thomas nennt es liebevoll Teufelszeug. „Damit bekomme ich jede Erkältung weg“, sagt er. Das kostbarste Produkt der Bienen ist jedoch Gelée Royale. Damit werden die Larven der Königin gefüttert – es verspricht ihnen eine 50-mal höhere Lebenserwartung gegenüber den anderen Bienen des Volkes. Es ist eine Mischung aus Honig, Pollen und Drüsensekreten. Nur junge Arbeiterinnen können es herstellen. Nicht verwunderlich, dass Gelée Royale verstärkt in der Kosmetikindustrie eingesetzt wird.

Warum gibt es eigentlich Bienen auf der Deponie?

Die Formel dafür ist ganz einfach: Deponie + Biene = Biomonitoring. Durch die Bienen erfahren wir ziemlich schnell, ob es Schadstoffe in der Umwelt gibt. Sie fliegen alles im Umkreis von fünf Kilometern ab und sammeln Pollen sowie Nektar. Den Honig lassen wir regelmäßig von einem Institut untersuchen. In all den Jahren gab es noch nie etwas zu beanstanden. Der Honig ist völlig unbedenklich ist. Und das Beste: Der Honig ist auch super lecker 🙂

Die Bienen sind natürlich ebenso wichtig, damit es auf unserer Deponie weiterhin so viele blühende Sträucher, Büsche und Blumen gibt. Auch dank der fleißigen Insekten konnten wir einen großen Teil unserer Deponie renaturieren. Schaut euch dazu gern mal den Film an! Übrigens sind nicht nur wir von den Bienen abhängig, die ganze Welt ist es – also auch ihr! Der ökonomische Nutzen der Bienen liegt global bei 265 (!) Milliarden Euro. Unvorstellbar. Rund 80% der einheimischen Nutz- und Wildpflanzen sind von der Biene als Bestäuber abhängig. Das ist irgendwie schwer zu fassen. Gerade, weil die Biene oft unscheinbar ist und im Hintergrund arbeitet.

Fazit

Puh! Ihr merkt allein schon an diesem romanähnlichen Beitrag wie eindrucksvoll dieser Tag für mich war. Nicht nur das: Dieser Tag war super. Super faszinierend. Super lehrreich. Super lecker. Es war fantastisch mal über den Tellerrand zu schauen und Bienen aus nächster Nähe zu beobachten. Den Honig zu essen, den ich selbst geschleudert und abgefüllt habe, bringt ein enorm gutes Gefühl mit sich. Irgendwie schmeckt er mir auch deutlich besser als  anderer 😀 Es ist kaum vorstellbar, dass ein Produkt in der heutigen Zeit so rein und natürlich ist. Das einmal selbst zu erleben, brachte mir sehr viel. Vor allem hinsichtlich der Biene. Sie geht uns alle etwas an, dass wurde mir nicht nur durch Thomas‘ Erläuterungen klar. Albert Einstein sagte wohl einmal:

“Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.”

Ich kann und möchte das nicht dramatisieren. Aber ich wünsche mir, dass dieser Beitrag den Bienen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zukommen lässt. Ich würde mich freuen.

An dieser Stelle noch einmal ein ♥-liches Dankeschön an Thomas Maul für die Zeit, die er sich genommen hat. Mit Engelsgeduld, aber tiefer Stimme, weiß er gefühlt alles über die Biene zu berichten. Sehr, sehr faszinierend. Wer das auch einmal erleben möchte, dem empfehle ich unsere Deponiewanderung im Frühling 🙂

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Blick von der Deponie auf die Stotternheimer Seen