Graffiti ist es nicht, stellt Viktor Sobek schon mal klar und legt den Pinsel zur Seite. Ja, den Pinsel, das erste Indiz, dass es sich hier eher um ein Wandgemälde als ein Graffito-Kunstwerk handelt. Der Leipziger gestaltet gerade die Außenfassade der Roland Matthes Schwimmhalle. Auf knapp 200 Quadratmetern erzählt er Geschichten.

„Das ist der entscheidende Unterschied, denn ein Graffito macht das nicht“, sagt er und erzählt, dass er sich am Moralismus orientiert. Der entstand in den 1980er-Jahren in Mexiko, hatte aber eindeutig politische Botschaften. Wenn man so will, ist das, was wir hier machen, Neomoralismus, aber darüber streiten sich die Geister, schmunzelt er.

„Das sieht aber gut aus“, viele Gäste der Schwimmhalle bleiben erst mal stehen und verwickeln ihn gern mal in ein Gespräch. Denn die Gestaltung ist ungewöhnlich. Nicht nur, weil sehr gedeckte, pastellige Töne dominieren. Die Motive wirken auch, als kämen sie aus einer anderen Zeit. Das sorgt für Aufsehen und kommt in Zeiten von Hektik und Konsum gut an, meint er.

Roland Matthes Schwimmhalle , Graffiti-Wettbewerb bei den Stadtwerken Erfurt
Viktor Sobek

„Die Nostalgie ist Absicht“, grinst der 28-Jährige, der an der Burg Giebichenstein in Halle Kunst studiert. Und so sieht die Dame, die gleich in die Fluten springt, ein bisschen so aus, als wäre sie  den 1920er-Jahren entsprungen – ein ganz besonderer Blickfang an der viel befahrenen Straße.

Roland Matthes Schwimmhalle , Graffiti-Wettbewerb bei den Stadtwerken Erfurt
Nostalgie pur.

Vorlagen sind oft alte Fotos. Hier ist es ein Mix, angefangen von den Zwanzigern bis zu den Siebzigern. „Das ist authentischer, als wenn man sich verkleidet. Außerdem kann ich damit ein kleines Stück Vergangenheit wieder lebendig machen.“ Viktor weiß, wovon er spricht. In einem Schülerprojekt haben sie genau das ausprobiert. „Es hat Spaß gemacht, in andere Rollen zu schlüpfen. Aber am Ende sieht man, dass es gestellt ist“, sagt er.

Roland Matthes Schwimmhalle , Graffiti-Wettbewerb bei den Stadtwerken Erfurt
Kai Siegel, Sepp Müller und Viktor Sobek in Aktion an der Roland Matthes Schwimmhalle

Eine Woche lang hat das Dreierteam intensiv gemalt. Bis tief in die Nacht hinein waren sie aktiv. 60 Liter Farbe haben sie eingesetzt und hin und wieder auch mal eine Sprühdose. Ihr Bett haben sie bei Anne-Katrein Maschke vom Kunstverein Imago aufgeschlagen. Sie wohnt genau gegenüber. „Ich hab sie vor zwei Wochen bei einem Workshop in Wittenberg kennengelernt, da hat sie es uns angeboten“, erzählt Viktor und reicht Sepp Müller schnell mal eine Farbdose.

Roland Matthes Schwimmhalle , Graffiti-Wettbewerb bei den Stadtwerken Erfurt
Sepp Müller malt nicht nur, sondern macht gemeinsam mit Viktor Workshops für Jugendliche.

Die beiden kennen sich schon von der Burg. Sepp hat dort Industriedesign studiert. Wenn Sepp mal nicht mit Viktor unterwegs ist, dann ist er im Leipziger Verein mobilee e.V. aktiv. „Wir machen Lern- und Sportcamps, verbinden Sport und Nachhilfe. Das kommt gut an“, sagt er.

Die beiden sind oft zusammen unterwegs, führen Schüler in die Kunst der Wandgestaltung ein, hauptsächlich über Workshops. „Das ist viel intensiver, als würde man einmal pro Woche Kunst in der Schule unterrichten“, sagt Viktor. Über das Thüringer Kulturagentenprogramm sind sie viel in Thüringen unterwegs, haben in Sondershausen, Ilmenau oder Buttstädt Wände gestaltet. So haben sie auch von der Ausschreibung der SWE Bäder GmbH erfahren, die sie am Ende gewonnen haben. Seit etwas mehr als drei Jahren arbeitet Viktor Sobek als Kunstvermittler und Fassadengestalter. Nicht nur in Thüringen, auch in der Freiraum-Galerie in Halle. „Wir sind in Problemvierteln aktiv und entwickeln gemeinsam mit den Jugendlichen urbane Kunst. Das ist toll“, erzählt er.

Roland Matthes Schwimmhalle , Graffiti-Wettbewerb bei den Stadtwerken Erfurt
Kai Siegel sprüht. Wenn es sein muss auch bei Dauerregen.

Zum Dreiergespann gehört auch Kai Siegel aus Erfurt. Der 35-Jährige hat Architektur studiert, engagiert sich aber lieber in sozio-kulturellen Projekten, im WirGarten oder bei „Spirit of Football“. Das Ein-Ball-eine-Welt-Projekt verbindet Fußball und Integration und ist in Erfurt inzwischen eine feste Größe.

Mehr über Viktor Sobek gibt es hier.

Fotos: Steve Bauerschmidt