Wenn Susanne Spannaus in ihrem kleinen Büro unterm Dach sitzt, kommen ihr die besten Ideen. Es ist gemütlich hier. Das große Fenster ist fast immer geöffnet. Vom Balkon aus hat man einen traumhaften Blick über Marbach. Oft steht eine Tasse Tee auf dem Schreibtisch. Häufig auch Nervennahrung. „Das brauch ich einfach“, lacht die sympathische Erfurterin. Olive ist immer dabei. Die freundliche Hundedame, ein ungarischer Vorstehhund (ein Vizsla), liegt im Körbchen, wenn die Grafik-Designerin mit Ideen jongliert – ganz klassisch mit Tusche und Feder. Oder immer häufiger am Rechner.

Unter der Dachschräge hängen Plakate von ihren liebsten Ausstellungen, z. B. von Radegunde von Thüringen. In Frankreich ist die Heilige eine feste Größe, sogar bei Gymnasiasten, die an ihr Grab pilgern und für gute Noten beten. In Thüringen war die Kirchenfrau lange Zeit vergessen. Bis zur Ausstellung im Stadtmuseum. Das war 2006. „Die Gestaltung der Ausstellung haben wir damals gemacht“, erzählt Susanne Spannaus und auch, dass es eins ihrer liebsten Projekte war. Bis nach Poitiers sind sie damals gefahren, um sich auf die letzte Prinzessin des Thüringerreiches einzustimmen.

Heute sind es vor allem Signets und Unternehmensauftritte, die Susanne Spannaus entwirft. „Es ist toll dabei zu sein, wenn ein Corporate Design entsteht und noch toller wenn es einem später immer wieder begegnet, nicht nur auf Briefbögen, sondern auch im Stadtbild“, sagt sie.  So wie die Entwürfe für die Bundesgartenschau 2021. Ja, auch die kommen aus dem Artus-Atelier, ebenso wie die Gestaltung der BUGA-Medaille. In diesem Jahr erscheint schon die dritte. Wieder ist es eine Komposition aus Architektur und einem klassischen floralen Motiv, das eng mit der Erfurter Geschichte verknüpft ist. Dieses Mal geht es um den Waid, verrät die 44-Jährige.

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Kinderfahrscheine für die kleinen Fahrgäste

Aktuell hat Susanne Spannaus aber etwas ganz anderes auf dem Tisch: Sie verleiht Skater-Maus und Fahrradkatze gerade den letzten Schliff. Aber auch die Cabrio-Giraffe und der Kehr-Bär haben es ihr angetan wie der VW Beatle. Denn auch der kommt immer wieder vor.  Mit viel Liebe zum Detail hat sie die Motive mit einem Tuschestift vorgezeichnet. Erst dann kam der Rechner ins Spiel. Zwölf gibt es insgesamt, strahlt sie. Und alle sollen die Kinderfahrscheine der EVAG zieren. Sie sind für die Kinder (Vorschulkinder bis 8 Jahre) gedacht, die noch nicht bezahlen, aber unbedingt ein eigenes Ticket haben möchten. „Es gibt noch einen besonderen Clou“, verrät sie uns. Die Kleinen können die Fahrscheine nicht nur wie die Großen im Entwerter stempeln. Es lohnt sich auch, sie zu sammeln, denn die Motive gehören zu einem farbenfrohen Memory.

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Susanne Spannaus mit den Entwürfen

Das Schwierigste war nicht der Entwurf der Tiere, die allesamt mobil unterwegs sind, sondern die Koloration. Denn jeder Fahrschein hat eine Grundfarbe. Nicht irgendeine, sondern die Linienfarben der EVAG-Stadtbahnen, die auf jedem Liniennetzplan der Verkehrsbetriebe abgebildet sind. Hintergrund und Motiv sind in verschiedenen Schattierungen abgesetzt. So ganz nebenbei lernen die Kinder, welche Farbe für welche Linie steht. „Das ist genial“, sagt Susanne Spannaus. Das kann sie auch, ohne sich selbst zu loben. Denn diese Idee stammt nicht von ihr, sondern von Anja Kümpfel, Mitarbeiterin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei der EVAG. Auch einen Flyer zu Kinderspielplätzen entwirft Susanne Spannaus gerade gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben. Klar, dass die auch mit Bus und Straßenbahn erreichbar sind.

Wann es die Kinderfahrscheine gibt? Natürlich zum Kindertag. Dann können Eltern sie sich im EVAG-Mobilitätszentrum am Anger oder beim Busfahrer holen.

Ihre Liebe aber gilt der Illustration, schon seit ihrem Studium an der Burg Giebichenstein. Den Redensarten hat sie eine ganze Serie gewidmet und z. B. über die Mücke, die zu einem Elefanten wird, ein Bild gezeichnet.

Hin und wieder macht sie auch ein Buch. So hat sie Heinz Stade, den Erfurter Hobbyhistoriker, gewinnen können, mit ihr gemeinsam das Buch  „Teufel, Hütes, Irrlichter“ zu schreiben und zu gestalten. Das Thüringer Sagenbuch ist inzwischen fast vergriffen. Susanne Spannaus kann aber nicht nur „malen“. Sie hat auch ein Buch geschrieben. „Menka, Ben und Axel – Wie mein Geheimnis unsere Rettung wurde“, heißt es und erzählt von Menka, die gerade erst mit ihren Eltern ins Grüne gezogen ist, ihrem besten Freund Ben und dem nicht ganz so klugen Axel. Das ist ein Pony, das sich in einem Maisfeld verlaufen hat und nicht wieder nach Hause findet.

Wie das Buch entstanden ist? Susanne Spannaus lacht. „Das glauben Sie mir nie!“, sagt sie, erzählt es dann aber doch. Angefangen hat alles, als sie in Marbach, direkt vor dem Artus-Atelier, ins Auto steigen wollte. Etwas weiter unten flog plötzlich mit gewaltigem Krach das Hoftor auf. Herausgerannt kam ein kleines Pony, das von einem Hund und seinem Besitzer verfolgt wurde. „Das war so komisch, daraus muss ich was machen, hab ich mir gedacht“, sagt sie.

Von der ersten Idee bis zur fertigen Geschichte vergingen fast zwei Jahre. An viele Verlage hat sie das liebevoll illustrierte Kinderbuch geschickt. Und immer kamen Absagen, das war zum Verzweifeln, erinnert sie sich. So entschloss sie sich, es im Eigenverlag herauszugeben. Peter Peterknecht, Inhaber der ältesten Erfurter Buchhandlung, hat es nicht nur im Sortiment. Im vergangenen Jahr war es auch Teil der Erfurter Kinderbuchtage. Susanne Spannaus hat es in einer Lesung vorgestellt. „Es war schön zu sehen, wie die Kinder mitgehen und dass ihnen die Geschichte gefallen hat“, erinnert sie sich. Dennoch steht so schnell kein neues Buchprojekt an. Sie ist ganz gut eingespannt in viele kreative Vorhaben. Und so ganz nebenbei wie damals schafft sie es nicht. Dafür braucht man viel Kraft und einen langen Atem.

Fotos: Steve Bauerschmidt und Ole Bechert