Monatelang lag die Alte Synagoge in Erfurt wegen Corona im Dornröschenschlaf und das, obwohl sie drei unvergleichliche mittelalterlicher jüdische Hochzeitsringe präsentierte. Endlich ist das vorbei! Die einmalige Schau ist ab 5. Juni für Besucher geöffnet. Doch es heißt schnell sein, will man sie sehen – die Ausstellung endet am 20. Juni. Dann müssen die Leihgaben aus Frankreich zurückgegeben werden.

Nicht nur den Erfurter Hochzeitsring, der 1998 bei Bauarbeiten in alten Mauern gefunden wurde – der an sich schon großartig ist – können Besucher sehen, sondern etwas ganz Einmaliges: drei jüdische Hochzeitsringe – aus Erfurt, dem französischen Colmar und Weißenfels. Vielleicht verstecken sich ähnliche Kleinodien in alten europäischen Mauern oder an anderen geheimen Orten. Aber wer weiß das schon? Bis dahin sind die drei weltweit die Einzigen.

Ohne Frage ist der Erfurter der prächtigste, aber auch die beiden anderen bestechen durch ihre Schönheit, der goldene aus Colmar, der sonst im Pariser Musée de Cluny ausgestellt ist, oder der silberne, etwas schlichter gehaltene aus Weißenfels, der in der Moritzburg in Halle aufbewahrt wird.

Weltweit einzigartig: Die drei Hochzeitsringe aus dem französischen Colmar, Erfurt und Weißenfels. Im Hintergrund eine mittelalterlich anmutende Nachbildung aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert.
Der Erfurter Ring von 1349 weist leichte Beschädigungen auf. Die Fialen sind teilweise eingedrückt, ein Teil fehlt, vermutlich, weil der Ring jahrhundertelang in der Erde lag. Auf den glatten Dachflächen steht in sechs gravierten hebräischen Buchstaben
die Inschrift  „mazal tov““, was wörtlich übersetzt „Guter Stern“ heißt.
Der Weißenfelser Ring ist aus Silber, schlicht, aber dennoch schön. Er trägt einen Aufsatz in Form eines gotischen Häuschens mit Treppengiebel.  

Jeder ist etwas ganz Besonderes. Alle drei dienten rein rituellen Zwecken und wurden nicht im Alltag getragen, auch wenn der Gedanke bei dem Colmarer Ring naheliegt. Mit dem Anstecken des Hochzeitsringes war die Ehe gültig und der Ring ging in den Besitz der Ehefrau über. „Früher dachte man, sie wären ausgeliehen worden, das stimmt aber so nicht“, erzählt Dr. Maria Stürzebecher und beruft sich auf alte Fälle, die von Rabbinern diskutiert wurden. Einer ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: Ein Mann hatte für die Hochzeit einen vergoldeten Hochzeitsring besorgt, seiner zukünftigen Ehefrau das aber nicht gesagt. Darüber sollen sie in Streit geraten sein. Das Ende vom Lied: Die Hochzeit war nach Entscheidung des Rabbiners nicht gültig und musste mit einem neuen Ring wiederholt werden.

„Vermutlich hatten die Hochzeitsringe keine lange Lebensdauer“, meint die Kunsthistorikerin. „Im Alltag wurden sie nicht getragen, so ist es wahrscheinlich, dass sie spätestens bei Verwitwung eingeschmolzen und zu Geld gemacht wurden. Das ist unser Pech und erklärt, warum es so wenige Fundstücke gibt“, meint sie.

Dr. Maria Stürzebecher mit den drei jüdischen Hochzeitsringen, die im Rahmen einer Sonderausstellung in der Alten Synagoge ausgestellt sind.

Umso bedauerlicher, dass die besonderen Kultgegenstände viele Monate nicht gesehen werden konnten, obwohl sie in Ausstellung waren. Bisher waren die drei Hochzeitsringe nur in Paris und London gemeinsam ausgestellt, in Deutschland noch gar nicht.

Der goldene Ring mit Emaileinlagen aus Colmar stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. Als Aufsatz trägt er einen sechseckigen gotischen Tempel mit Pyramidendach, darauf die Inschrift „mazal tov“.

Wenig weiß man über die Fundumstände. Der Ring aus Colmar wurde 1863 bei Sanierungsarbeiten geborgen. Er war wohl im Zuge der Pogromwelle in der Colmarer Judengasse im Mauerwerk eines Wohnhauses verborgen worden und ging nach der Wiederentdeckung erst in den Kunsthandel, bevor er den Weg ins Museum fand. Leider ist auch hier außer dem Ring sehr wenig erhalten, auch wenn der Schatz recht umfangreich gewesen sein muss, zwar nicht so groß wie der Erfurter, aber doch beeindruckend. „Aber leider wurden die Schätze als Komplex damals nicht so wertgeschätzt wie heute, meist behielt man von jedem Stück nur ein Teil und verkaufte den Großteil“, bedauert Dr. Maria Stürzebecher.

Der Weißenfelser Ring punktet zwar nicht mit der Größe des Schatzes, wohl aber mit einer Legende. Er wurde 1823 an einer Fernstraße in der Nähe eines Holzumschlagplatzes an der Saale von einem Tagelöhner gefunden. Seine Frau soll im Kindbett Visionen des Schatzes gehabt haben, heißt es in einer Mär. Vielleicht haben ihn Reisende versteckt, vielleicht aber auch christliche Plünderer…

Nur eine Handvoll Stücke sind erhalten. Vermutlich gab es an dieser Stelle im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Erdbewegungen, sodass sich Teile des Schatzes wohl im Laufe der Zeit einzeln offenbart haben oder unwiederbringlich verloren gegangen sind, denn als der Thüringisch-Sächsische Geschichtsverein an der gleichen Stelle Grabungen vornahm, wurden nur noch wenige Objekte gefunden.

Vergrößerung eines Faksimiles aus dem 15. Jahrhundert, das den Ritus der mittelalterlichen Hochzeit zeigt – mit zwei Trauzeugen: einer Frau und einem Mann.

Die drei Ringe stehen im Fokus der Sonderausstellung „Mit diesem Ring…“, die sich um die Jüdische Hochzeit und ihre Traditionen dreht. Anspruchsvoll von der Konzeption her, denn die Schau musste nicht nur in die bestehende Exposition integriert werden. Es gibt auch nur sehr wenige erhaltene mittelalterliche Objekte zur Jüdischen Hochzeit, erklärt Dr. Maria Stürzebecher, die froh ist, den einzigen erhaltenen mittelalterlichen Hochzeitsvertrag aus Krems als Faksimile präsentieren zu können. „Er stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde bei der Restaurierung eines christlichen Buches entdeckt. Der Vertrag war in vier Teile auseinandergeschnitten und als Verstärkung für das Buch verwendet worden. Eine übliche Praxis, denn Pergament war teuer und wurde oft recycelt, erzählt sie. 

Einziger erhaltener jüdischer Ehevertrag aus dem 14. Jahrhundert.

Neben den beiden Ringen aus Colmar und Weißenfels funkelt aber noch ein weiterer in der Vitrine. Er stammt aus dem Stadtmuseum in Köln und ähnelt dem Erfurter Prachtstück auf verblüffende Weise.

Der Ring aus Köln – eine Nachbildung aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert, ähnelt in seiner Gestaltung sehr stark dem Erfurter Exemplar.

„Wir haben ihn uns vor zwei Jahren schon mal ausgeliehen, um das Geheimnis seiner Herkunft zu lüften“, erzählt sie. Im Landesamt für Archäologie wurde der Ring, den die Kölner von einem Privatsammler kauften, auf Herz und Nieren geprüft: kunsthistorisch, herstellungstechnisch und materialanalytisch. „Von der Kunstform und Herstellung her hätte man keine Unterschiede zu mittelalterlichen Ringen feststellen können, so detailgetreu ist er verarbeitet. Aber es fand sich Cadmium in den Loten, das aber verwenden Goldschmiede erst seit den 1840er-Jahren“, berichtet sie und blickt zum Erfurter Hochzeitsring, in dessen unmittelbarer Nähe die Reste des ersten Erfurter Schatzes ausgestellt sind.

Das ist alles, was vom ersten Erfurter Schatz aus dem 1870er-Jahren erhalten ist: eine einsame Gewandschließe. Leihgabe aus Berlin.

Eine einzige Gewandschließe ist von dem Fund noch erhalten, der in den 1870er-Jahren beim Rathausbau gefunden wurde. „Der einzige Schatzfund aus dem 19. Jahrhundert, der nicht von Privatpersonen, sondern während einer städtischen Baumaßnahme gefunden wurde, und dennoch ist fast nichts erhalten. Im Stadtarchiv finden sich dazu dicke Akten, nicht nur zu den einzelnen Teilen, sondern auch zu den Sammlern und Museen, die angeschrieben wurden, um den Schatz zu Geld zu machen, so ist er sehr gut zu rekonstruieren“, erzählt sie.

Die Münzen, ein goldenes Gefäß und zahlreiche kleinere Schmuckstücke gingen an einen Privatsammler, dessen Sammlung schon im 19. Jahrhundert aufgelöst wurde, einige wenige Teile nach Berlin ins Kunst- und Gewerbemuseum. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges verlieren sich auch deren Spuren. Vielleicht wurden siezerstört, zu Raubkunst oder wer weiß. Die letzte Gewandschließe, die jetzt nach fast 150 Jahren in Erfurt präsentiert wird, gehört heute im Kunstgewerbemuseum Berlin. Sie geriet beim Verpacken während des Zweiten Weltkriegs in die falsche Kiste. Nur diesem Umstand ist zu verdanken, dass ein letzter Rest des ersten Erfurter Schatzes erhalten geblieben ist. Besonders tragisch: Vermutlich handelte es sich um einen Brautschatz, die goldenen Gegenstände im Wert von 600 Gulden entsprachen den damaligen Gepflogenheiten in der Mainzer Gemeinde. „Mit der Festsetzung eines relativ hohen Brautpreises stellte man sicher, dass der Ehemann nach der Hochzeit seine Familie ernähren konnte“, erklärt Dr. Maria Stürzebecher.

Alles in allem ist es eine wunderbare Sonderausstellung, in der die bestehende Schau und die Themen rund um die jüdische Hochzeit sehr gut miteinander verbunden sind.

Sonderöffnungszeiten

Samstag, 5.06. und Sonntag, 6.06., 10 – 18 Uhr
Montag 7.6. bis Sonntag 20.06. 10 – 22 Uhr

Die Öffnung der Museen findet unter der Maßgabe statt, dass die geltenden Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Dazu zählen u.a. die Abstandregel und die Verwendung eines Mund-Nasen-Schutzes für Besucher und Museumspersonal sowie die Kontaktnachverfolgung.

Weitere Informationen unter www.juedisches-leben.erfurt.de

Fotos: Steve Bauerschmidt
Text: Anke Roeder-Eckert