Hinter den Kulissen des Erfurter Dürerhauses können Neugierige ihr blaues Wunder erleben. Da der Laden leider geschlossen ist, verkaufen Kris und Katrin Wezyk ihr Kunsthandwerk online, Blaudrucke, Schmuck oder Keramik. Die Tür ist zwar zu, aber wir sind trotzdem für unsere Kunden da, ist die Botschaft der Kunsthandwerker.
Früher gab es viele Dürerhäuser in Deutschland, um die 80 Manufakturen, in denen
Goldschmiede, Maler oder Keramiker arbeiteten. Heute sind es nur noch drei, eins
davon steht in Erfurt.

1923 wurde es gegründet, erzählt Kris Wezyk. Wer denkt, dass nur Touristen
das Erfurter Dürerhaus zu schätzen wissen, täuscht sich. „Wir haben viele Stammkunden aus Erfurt, die Kunst und Kunsthandwerk aus Thüringen lieben“, sagt Kris Wezyk. Die Kunden aus Berlin, München oder Hamburg bleiben nun aus. Und mancher überlegt sich in der aktuellen Situation dreimal, ob er das schöne Tuch oder die fein gearbeiteten Ohrringe wirklich braucht, erzählt der 50-Jährige, der gerade dabei ist, den Onlineshop stärker auszubauen, um auch in der Corona-Krise bestehen zu können.

Blaudrucke sind seine Spezialität, genauso wie waidgefärbte Stoffe, Tischdecken, Tücher in allen Größen und Schattierungen. Während die einen den Blaudruck verteufeln und nur auf das Waid setzen, kombiniert Kris Wezyk beide Techniken allzu gern.

Seine Loops changieren in edlen Blautönen. „Sie sind sehr gefragt, vor allem bei Männern. Es gab Zeiten, da hab ich den letzten Schal im Bauhausdesign direkt vom Hals weg verkauft“, erzählt er.
Auch jetzt verbringt er die meiste Zeit des Tages in der Werkstatt, im Blauen Keller, wie er sagt. Dort entstehen die tiefblauen Drucke, die ihm normalerweise regelrecht aus den Händen gerissen werden. Zur Zeit nicht. Die Schlösserstraße ist leer, kaum einer schlendert durch die Innenstadt. Alle warten, dass die Kontaktverbote aufgehoben werden und das normale Leben wieder beginnen kann.
Kris Wezyk arbeitet weiter, auch wenn er jetzt wenig verkaufen kann. „Ich bin ein Workaholic“, sagt er fast entschuldigend und wirft einen kurzen Blick auf seine Urkunde „Immaterielles Weltkulturerbe“, mit der er ausgezeichnet wurde, die ihm jetzt aber wenig nützt. „Es muss weitergehen, immer wieder gab es schlechte Zeiten, das sieht man doch am Waidhandwerk ganz besonders“, sagt er.
Die alte Handwerkstradition ist ihm sehr wichtig. Er möchte sie unbedingt für die
Nachwelt erhalten und auch die Jugend dafür begeistern. Er hofft, dass er bald wieder Workshops für Kinder anbieten kann. Ganze Schulklassen gehen in normalen Zeiten
in seinem Blauen Keller ein und aus. Während die einen das Blaue Wunder mit eigenen Augen erleben, spielen die anderen am Geraufer, das nur wenige Schritte von der
Gera entfernt liegt. Denn die Werkstatt ist klein. Da muss jeder Handgriff sitzen. Egal, ob er den Papp – eine geheime Mischung aus Gummi arabicum, Ton und Kupfer – per Druckstock aufträgt oder die Stoffe in der Küppe versenkt.
Der Färbebottich, der 6 m³ Flüssigkeit fasst, ist 2 m tief in den Boden eingelassen. So kann der Blaudrucker auch überdimensionale Stoffbahnen aus Batist oder Baumwolle färben. Ein Färbevorgang dauert drei Stunden.
„Ich experimentiere gern, mit Stoffen und Mustern. Trotzdem muss man entschlossen sein. Beim Färben gibt es kein Vielleicht“, sagt Kris Wezyk.
Dass er von Haus aus Baupolier ist und lange Zeit im Tiefbau arbeitete, mag man nicht glauben, wenn man ihm zuschaut. Und doch ist es so. „So weit ist das alles gar nicht voneinander entfernt“, meint er. „Ich verbinde einfach nur Handwerk und Kunst“, sagt er schmunzelnd, gibt aber zu, dass es wohl doch nicht ganz so einfach war.
In der Nähe von Greiz hat er einen dreimonatigen Crashkurs bei einer versierten Blaudruckerin gemacht. Die alte Dame führte ihn akribisch in die alte Handwerkskunst ein, die seit dem Mittelalter für Wohlstand in europäischen Handelsstädten sorgte. Von ihr hat er einen Großteil seiner Druckstöcke, mit denen er den Papp, eine grünliche Masse, die für die weißen Muster sorgt, auf dem später mit Indigo gefärbten blauen Stoff aufträgt. „Man nennt es auch Reservetechnik“, erklärt er.
Handwerkskunst aus Thüringen
400 bis 500 der Mustervorlagen nennt er sein eigen, eine davon ist von 1794. Das gute Stück ist aus Holz und wird noch immer benutzt. „Wir lassen gerade eine Kopie aus Messing herstellen, damit das alte Modell nicht irgendwann auseinanderbricht“,
sagt er.

Wer sich im Erfurter Dürerhaus umschaut, kommt ins Staunen. „Wir bieten hier nicht nur Textilien in Blaudruck oder Waidfärbung an, sondern auch Keramik und Schmuck“, erzählt er. Neben der traditionellen Bürgeler Keramik in dunklem Blau und klassischem weißem Muster stehen farbenfrohe Tassen und Teller im Regel, auch aus Bürgel, nur
von der jungen Generation, erklärt er.

„Wir sind ein Team von fünf Leuten und alle brennen für den Laden“, sagt er und zählt auf: Maria, die im Blauen Keller Tücher und Tischwäsche näht, die drei Damen im Verkauf, die gerade auf bessere Zeiten hoffen, oder Mario Seyfarth, ein passionierter Goldschmied, der auch Kris mit seiner Leidenschaft für fein ziselierten Schmuck angesteckt hat, sodass der vielseitig begabte Handwerker ein neues Steckenpferd für sich entdeckt hat.

Mehr zum Dürerhaus und seinen einmaligen Produkten gibt es im Onlineshop im Internet unter www.duererhaus-erfurt.de
FOTOS: STEVE BAUERSCHMIDT