„Wie in einer Dampfsauna“, schießt es mir beim Betreten der alten Brauerei in Hohenfelden in den Kopf. Seltsam eigentlich, denn das habe ich nicht in erster Linie erwartet. Hinter der kleinen, aber schweren Holztür der Brauerei eröffnet sich mir ein großer und hoher Raum. Vielleicht 7 Meter lang und 12 Meter breit. In der Luft wabern dicke Wasserdampf-Schwaden. Manchmal regnet es sogar von der etwa 4 Mann hohen Decke. Dampfend steht ein etwa zwei Meter hoher hölzener Bottich in der Raummitte. Darauf sitzt eine Kurbel, an der, von einem Podest aus, links und rechts je einer kurbelt. Sie bewegen eine schäumende gelbliche Flüssigkeit im dampfenden Bottich. Hier entsteht in echter Handarbeit das Bier der Bierbrauer von Hohenfelden.
Ein Herbstsamstag: 5.30 Uhr geht Andreas Neumann, Mitglied im Brau- und Kulturverein des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden, in die alte Brauerei in der Dorfmitte und schürt das Feuer des gemauerten Ofens an. Die hunderte Liter Wasser, die sich in einer metallenen Pfanne über dem Feuer befinden, müssen erhitzt werden. In knapp drei Stunden muss das Wasser für das Einmaischen kochen.

8.00 Uhr. Die Mitglieder des Brau- und Kulturvereins treffen sich in der alten Dorfbrauerei in Hohenfeldens Dorfmitte. Man begrüßt sich feixend, Hände werden geschüttelt, wünscht sich einen erfolgreichen Tag. 20 Mann sowie ein paar Schaulustige versammeln sich im und um das Brauhaus. „Heute gibt es internationales Bier“, scherzt man in die Runde, denn auch internationale Helfer sind heute mit dabei, z. B. aus Bulgarien. Klaus Meyer, Koordinator und Organisator im Verein, liest die Aufteilung für den Tag vor: Wer rührt heute, wer putzt, wer pumpt und wer schürt das Feuer. Es folgt die Pflicht: Arbeitsschutzbelehrung. Dann geht es ans Eingemachte. Oder auch: ans Eingemaischte.
Das heiße und in aller Hergottsfrühe erhitzte dampfende Wasser fließt über einen Zulauf (Wechsel) in den hölzernen Maische-Bottich. Es wird mit kaltem Wasser gemischt, bis eine Temperatur von 60 Grad erreicht ist. Muskelkraft an der Kurbel hilft beim Mischen. Dann wird „eingemaischt“ – also geschrotetes Gerstenmalz in das Wasser geschüttet. Säckeweise. Die (kurzzeitig) roten Köpfe der Kurbelnden zeigen, dass es ein wenig anstrengender wird, da jetzt mehr Widerstand im Wasser ist. Vielmehr leisten jedoch Wasserdampf, der die Kurbelnden umschließt, und auch die angezogene Geschwindigkeit ihren Beitrag. Völlig ohne Elektrizität (außer der düsteren Deckenbeleuchtung) und in echter Handarbeit wird das Bier hier gebraut – so wie es zu den Zeiten der alten Hohenfelder Dorfbrauerei war.

Den Prozess bewacht Braumeisterin Petra Elliger. Ihre Anweisungen sind kurz und präzise: „Langsam einrieseln lassen. Sonst gibt es Klumpen.“, „Wechsel auf. Wechsel zu.“ oder „Wir müssen mal ein bisschen schneller rühren. Speed.“ Mit ihrem Arm deutet sie die anzupeilende Geschwindigkeit an. Ihr Platz ist zentral auf einer Leiter, die an dem Bottich lehnt. Von dort überblickt sie den gesamten dampfenden und schäumenden Inhalt – die Maische. Ein Thermometer zeigt ihr die Temperatur des eingeweichten Gerstenmalzes. Der Wechsel wird geöffnet. Ein bisschen heißes Wasser kommt hinzu. 63 Grad erreicht die Maische dadurch. Mittlerweile ist eine gute Stunde rum.

Der Braumeisterin ist es auch zu verdanken, dass die alte Brauerei wieder als solche ihre Arbeit aufnahm. Im Auftrag des Museumsleiters des Freilichtmuseums entwarf Petra Elliger die Satzung für den Brau- und Kulturverein des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden. Der gegründete Verein dient als Betreiber des Brauhauses, was das Freilichtmuseum allein nicht leisten konnte. 20 Mitglieder mit Menschen aus verschiedensten Berufen – neben drei bis sechs Braumeistern u. a. auch Klempner, Arzt und Physiker – umfasst der Verein mit ihr als Vorstandsvorsitzender. Elliger ist gelernte Diplom-Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie und arbeitet seit vielen Jahren in der Brauerei-Branche. Um die Jahrtausendwende erreichte die Fachfrau der Auftrag, den Betrieb im alten Brauhaus samt neu beschaffter alter Technik wieder aufzunehmen. Nunmehr brauen die Vereinsmitglieder seit 2001 vier Mal im Jahr ihr eigenes Bier. Dann trifft man sich jeweils Freitag zum Putzen, Samstag zum Brauen und Sonntag zum Umfüllen und zur Hefe-Beigabe.
Gegen 10 Uhr öffnen die Brauer den Wechsel, um das erhitzte Restwasser abzulassen. Jetzt pumpen zwei Männer des Vereins einen Teil der Maische in den Heißwasser-Bottich: die sogenannte Braupfanne. Dort kocht sie auf, siedet 20 Minuten bei stetigem Rühren mit einem hölzernen Braulöffel und wird dann wieder zurück in den Maische-Bottich gepumpt und stetig weiter gerührt. 72 Grad hat sie dann. Verzuckerungsrast. Dabei wird die Stärke in vergärbare Bestandteile abgebaut. Horst Manderla, ehemaliger Braumeister bei Braugold und auch Vereinsmitglied, macht den Test auf Verzuckerung. Auf eine kleine weiße Keramik-Testpalette gibt er ein paar Tropfen der Maische. Dazu tröpfelt er Jod. Es zeigt sich keine lilafarbene Verfärbung. Die Stärke ist also weg.

Einen Vormittag dauert es, bis verschiedene Temperaturstufen bei der Maische erreicht sind. Zur Maische kommt dann noch der Hopfen, der für die Bitterstoffe und Bekömmlichkeit sorgt. Am frühen Nachmittag pumpen die Bierbrauer die entstandene Stammwürze in das Kühlschiff. „Die Temperaturen im Herbst eignen sich gut für die Herstellung von untergärigem Bier“, sagt mir die Braumeisterin. Heute sind es gerade einmal 6 Grad. Gut für das Bier, zu kühl für die Finger der mitschreibenden Autorin.

Am folgenden Tag kommt noch Hefe dazu. Dafür wird die Flüssigkeit aus dem Kühlschiff in den darunterliegenden Gärbottich abgelassen, und etwa sechs Liter Bierhefe werden hinzugegeben. Die Abfüllung des Bieres in Fässer, wo es noch nachgären wird, erfolgt etwa eine Woche später. Im Frühjahr kann dann verkostet werden. Jedes Vereinsmitglied erhält ein Fass. Verkauft werden darf das Bier aus zollrechtlichen Gründen jedoch nicht.
Gegen Mittag verlasse ich durchgefroren das alte Brauhaus. „Naaaa dann …“, schallt es mir noch den ganzen Tag durch den Kopf. Es ist der Trinkspruch der Bierbrauer vom Hohenfeldener Freilichtmuseum. Simpel, aber eindeutig. Er klang im Verlauf des Brau-Vormittags über zehn Mal durch den Raum. Dazu wurden die Gläser gehoben. Der Genuss darf eben auch beim Brauen nicht zu kurz kommen. Auch, wenn das gerade hergestellte Bier noch lange nicht verkostet werden darf.

P. S.: Wer das Freilichtmuseum inklusive Brauhaus einmal besuchen möchte, der kommt mit der EVAG-Bus-Linie 155 direkt dorthin. März bis Oktober hat es geöffnet, bevor es sich mit einem großen Laternenfest und Schau-Brauen am letzten Sonntag im Oktober in die Winterruhe verabschiedet. Der vierte und letzte Brau-Tag in diesem Jahr ist am 10. November.
Fotos: Jacob Schröter