Einen Ausflug in die Historie der Wasserversorgung kann man am Peterborn machen. Dort befindet sich Erfurts ältestes Wasserwerk.

Wie könnte es sich um das Jahre 1136 zugetragen haben, als Erfurts erstes Wasserwerk entstand? In einem historischen Film würde es vielleicht so dargestellt: Ein Kloster, in dem nahezu dunklen Raum hinter dicken Mauern brennt eine Kerze auf einem schlichten Holztisch. Im Schein der Kerze zeichnet ein Mönch. Immer wieder prüft und vergleicht er die Zeichnung mit den eigenen Berechnungen. Auf seinem Papier entsteht  Erfurts erste Wasserleitung und mit dem Quellwasserwerk die älteste Wasserversorgungsanlage nicht römischen Ursprungs in Europa, die heute immer noch arbeitet.

Wasser fließt bergauf

Wir schreiben das Jahr 1136. Dem Mönch ist durch praktische Erfahrungen das  Prinzip der kommunizierenden Röhren bekannt.Wissenschaftlich beschrieben wird es erst 1647. Der Franzose Blaise Pascal erkennt 500 Jahre später anhand praktischer Experimente eine physikalische Gesetzmäßigkeit: Eine homogene Flüssigkeit steht in offenen Röhren oder verbundenen Gefäßen gleich hoch, weil die Schwerkraft und der Luftdruck konstant sind. Dies war die technische Voraussetzung für die erste Wasserleitung, die 1136 unter Abt Wernher I. entstand und das kostbare Nass von der Quellfassung in Peterborn zum Benediktinerkloster auf dem Erfurter Petersberg lieferte. Was das Gesetz der kommunizierenden Röhren mit einer Wasserversorgungsanlage zu tun hat? Sehr viel, denn Anfangs- und Endpunkt lagen auf einer Anhöhe. Zwischen beiden Punkten hatte die Leitung deutlich tiefer gelegene Stellen zu durchqueren. Die musste das Wasser ohne die Hilfe von Pumpkraft überwinden. Die Leitung war solide aus Blei gebaut und überwand 30 m Höhenunterschied zwischen ihrem Anfangs- und Endpunkt. Das Wasser wurde faktisch den Petersberg hinauf  geleitet.

Ungefähr 2380 m lang war die Röhre, die ein Steinbecken und den Löwenbrunnen auf dem Stadtberg speiste. Die Straßennamen in der Nähe des Quellwasserwerks künden heute noch von der Quellfassung: Röhrenweg, Am Peterborn, Überm Born…

Wechselhafte Geschichte

1375 ist die Leitung bereits wieder verschwunden, Folge einer langjährigen Belagerung. Im Streit zwischen Adolf von Nassau und dem Wettiner Ludwig um den Mainzer Erzstuhl nahm Erfurt für den Nassauer Partei. Die Stadt wurde mit dem päpstlichen Interdikt und der kaiserlichen Acht belegt. Landgräfliche und böhmische Truppen konnten trotz siebenwöchiger Belagerung Erfurt nicht einnehmen. Die Bleileitung wurde ihre Kriegsbeute. Das wertvolle Metall war so leicht nicht zu ersetzen, die dringend benötigte Leitung wurde ein Jahr später aus Holz gebaut. Ständig vom Wasser durchflossen und fest im Boden verlegt, beweist das Holz eine hohe Haltbarkeit. Mit dem steigenden Wasserbedarf des Klosters wurde die Quellfassung im 15. Jahrhundert ausgebaut.

1455 entstand auf dem Petersberg der erste von mehreren Tiefbrunnen. In den Folgejahren werden Sammelbecken und –stuben im Wasserwerk Peterborn erweitert. Die Jahreszahl 1559 im Sandstein des Mauerwerks belegt dies. 1834 und im Folgejahr ersetzte man die Holzleitungen durch das haltbare Gusseisen und konnte gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Versorgung deutlich erhöhen. Vor allem die Zitadelle und das dort beherbergte Militär hatten großen Wasserbedarf. Die Festungseigenschaft Erfurts wurde durch das Reichsgesetz vom 30. Mai 1873 aufgehoben. Die Bebauung außerhalb der bisherigen Stadtbefestigung wurde möglich. Die wachsende Stadt erhielt eine eigene, leitungsgebundene Wasserversorgung, für die die Kapazität  jener Quellfassung im Peterborn nicht ausreichte.

Erfurt gut vernetzt

Das kostbare Nass kam seit 1876 aus dem neuen Wasserwerk in Wechmar. Nach 1890 werden die alten Stadtmauern und Wälle beseitigt, Wohnviertel und Fabriken entstehen. Das Wasserwerk Peterborn verlor an Bedeutung. Erfurt schuf neue Kapazitäten der Wassergewinnung. Nahe der Dreibrunnenquellen entstand das Wasserwerk Dreienbrunnen, ein hübscher Fachwerkbau. Es ging Mitte der 90-er außer Betrieb. Weitere Bohrungen nach dem kostbaren Element ergaben in Möbisburg gut Voraussetzungen für die Wassergewinnung. Das dortige Wasserwerk liefert noch heute Wasser für Erfurt. Es wird gemischt mit weichem Talsperrenwasser aus Luisenthal und ist einer der Grundstoffe für das Erfurter Trinkwasser. Erfurts ältestes Wasserwerk Peterborn ist noch immer in Betrieb und liefert heute noch Brauchwasser für die umliegenden Gärten.