Überall sind sie im Stadtbild zu sehen: die Weichenschlosser der EVAG. Aber was machen sie da überhaupt? Wir haben sie gefragt.

Norbert Wallat und Olaf Müller haben einen exakt durchgeplanten Tagesablauf. In der Frühschicht geht es schon um 5.30 Uhr los.  Streng nach Wartungsplan. Jede Weiche ist darin aufgeführt. 43,6 Kilometer umfasst das Schienennetz mit 114 Weichen im öffentlichen Bereich. Weitere 95 davon gibt es auf den Betriebshöfen der EVAG. Damit die Stellvorrichtungen bei Wind und Wetter reibungslos funktionieren, ist gute Pflege gefragt. Hier kommen Norbert Wallat und Olaf Müller ins Spiel.

Zu zweit kümmern sie sich um die Weichen, testen sie auf Funktionsfähigkeit, reparieren sie und reinigen sie von Bremssand, Laub und Schmutz. Gerade im Herbst fällt da einiges an. Aber auch im Winter müssen sie ran. Zwar schaltet sich die Weichenheizung bei 2 Grad Celsius an, damit die Weichenzungen nicht einfrieren. Aber das Streusalz, das sich über die kalten Monate in den Weichen festsetzt, kriegt man nur mit einem Besen wieder raus. Im Sommer reicht da oft schon ein Hochdruckreiniger mit Wasserstrahl.

Damit sie leicht gehen und nicht quietschen, werden sie regelmäßig geölt. „Eigentlich sind wir zu viert, zwei in der Früh-, die anderen in der Spätschicht“, sagt Olaf Müller, der schon 34 Jahre bei den Erfurter Verkehrsbetrieben arbeitet.  Acht bis zehn Weichen schaffen sie pro Schicht, wenn keine Störung auftritt. Ein Anruf von der Operativen Verkehrslenkung und sie müssen los. Dann brauchen die Kollegen ihre Hilfe.  Meist sind es Fremdkörper, die sich in einer Weiche festgesetzt haben und die Weiterfahrt aufhalten. In der Silvesternacht kann das auch schon mal ein Sektkorken sein.

Weil man nie weiß, was kaputtgeht, haben sie in ihrem Transporter eine komplette Werkstattausrüstung dabei. „Das 1.-Hife-Paket für die Weiche“, lacht Norbert Wallat. Stoßdämpfer zum Beispiel. Die gibt es nämlich nicht nur für Autos, sondern auch für die Stellvorrichtungen. Denn der Wechselzugmagnet, der dafür sorgt, dass die Weiche in Fahrtrichtung gestellt wird, hat ganz schön Bumms, erklärt Olaf Müller. Das wäre ohne Stoßdämpfer nicht nur ziemlich laut, sondern würde auch die Teile strapazieren. Vor allem am Anger. Hier rollen in zwölf Stunden mehrmals 10.000 Tonnen über die Weichen. In der Regel sind es fünf Bahnen in zehn Minuten zwischen Anger und Bahnhofstunnel, weiß Olaf Müller.

Auch bei der elektrischen Inspektion sind die Weichenschlosser dabei. „Die machen wir gemeinsam mit den Jungs von der Elektrik“, sagt er. Das muss sein, auch wenn die Weichen fast alle vollautomatisch sind. Deshalb müssen die Straßenbahnfahrer immer auf Sicht fahren, falls eine Weiche nicht fehlerfrei funktioniert. Ein „X“ steht für die Verriegelung der Weiche, ein Winkel für den Richtungswechsel nach links, rechts oder geradeaus, je nachdem, wohin die Spitze des Winkels zeigt.

Und warum steigen die Fahrer manchmal aus und stellen die Weiche selber um? Auch darauf hat Olaf Müller die passende Antwort: Entweder hat die Weiche eine Störung. Oder es sind mechanische Weichen. Davon gibt es aber nur noch ganz wenige.

Wird die Weiche bei der elektrischen Inspektion „ausgepackt“, kommen immer wieder Neugierige dazu und kriegen vor Staunen runde Augen, vor allem am Anger. Denn unter den Weichendeckeln – jede Stellvorrichtung hat zwei davon, die zusammen 100 Kilo wiegen – versteckt sich modernste Technik. „Das würden viele gar nicht denken“, sagt Olaf Müller und schmunzelt bei der Erinnerung an die vielen Fragen, die ihm dazu schon gestellt wurden.

In der Spätschicht kommt zur Weichenwartung noch die Unterstützung der Oberleitungsmonteure dazu. Denn abends, wenn die Bahnen seltener fahren, werden die Oberleitungen kontrolliert. Dann sind sie mit dem Turmwagen unterwegs, einem großen LKW mit Hebebühne.

Die Weichenschlosser werden auch bei Vandalismus-Schäden gerufen, z. B. wenn Haltestellenscheiben zu Bruch gehen oder bei Unfällen, wenn – wie kürzlich im Rieth – ein Autofahrer wegen Herzinfarkts gegen ein Wartehäuschen gefahren ist. „Wir sperren ab, kehren das Glas weg, sichern die Haltestelle, damit sich niemand verletzt“, sagt Norbert Wallat. Die Reparatur übernehmen die Eigentümer.

Bei Wind und Wetter sind Olaf Müller und Norbert Wallat draußen. Auch im Sommer kann es schon mal ungemütlich werden, vor allem an heißen Tagen. Dann wird nicht nur der Asphalt auf der Straße weich. Auch die Gleise heizen sich auf bis zu 70 Grad auf. Das kann unangenehm sein, vor allem, wenn man die Arbeitshandschuhe vergisst. Trotzdem macht die Arbeit Spaß. Da sind sich die beiden einig und darüber, dass es nie langweilig wird. Auch an den Bereitschaftsdienst haben sie sich gewöhnt. Alle sechs Wochen sind sie für eine Woche dran. Zwar ist man manchmal abends halb zehn gerade mit seiner Schicht fertig und dann kommt ein Anruf von der Verkehrslenkung, weil es eine Störung gibt. Aber das gehört nun mal dazu, sagen sie.

Fotos: Susann Nürnberger und Anke Roeder-Eckert