Wenn sich Silvia Wagner, Frank Spangenberg und Stephan Scheidemann auf dem Erfurter Petersberg treffen, wird es interessant. Sie haben viel zu bereden. Gerade, was die historischen Fakten rund um die Erfurter Peterskirche angeht, die momentan saniert wird, kann es spannend werden, wenn man den dreien zuhört.
So schmückt der ehemalige Turm der Fronleichnamskapelle seit 1812 die Dorfkirche in
Dittelstedt, weiß Frank Spangenberg zu berichten, während Stephan Scheidemann fast liebevoll über die stümperhaft wirkenden Betonausbesserungen der Preußen streicht.

„Auch das ist historisch und zeigt, dass es Beton, wie wir ihn heute kennen, schon Anfang des 19. Jahrhunderts gab“, erklärt er. Silvia Wagner erzählt, dass Dittelstedt mehrfach
von den Umbauten auf dem Petersberg profitiert hat. So stammt nicht nur der Barockaltar, sondern auch eine Kreuzwegdarstellung in der Kirche aus der Fronleichnamskapelle der Erfurter Peterskirche. Ein Teil der Orgel steht heute in der Kirche in Büßleben.

Silvia Wagner ist Architektin bei der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und hat die Projektleitung für die große Baustelle Peterskirche. Frank Spangenberg ist der zuständige Planer und Bauleiter, Stephan Scheidemann Restaurator.
Sein Spezialgebiet: die Restaurierung von Steinbauten. Alle drei eint ein großes Ziel: der Peterskirche wieder zu ihrem alten Glanz zu verhelfen, was keine leichte Aufgabe ist.
Denn anders als die Preußen, die das großartige Gebäude brachial in ein Proviantmagazin umwandelten, Fenster in Chor und Südwand brachen, den Kreuzchor und die Osttürme abrissen, Zwischendecken ins Kirchenschiff einzogen, will man heute Zeugnis über die verschiedenen Phasen ablegen, egal, wie schlecht sie sich auf den Bau auswirkten. Die waren unruhig und finden sich auch heue noch im Gemäuer. Wer genau hinschaut, sieht, mit welcher Gewalt Holzbalken zwischen die Pfeiler getrieben wurden, erkennt Brandspuren, Einschusslöcher.

All das soll erhalten werden, denn es gehört zur Geschichte der Peterskirche dazu, die einst vier Türme zierten. Das erste, was Besucher sahen, lange, bevor sie die Stadtmauern erreichten, war die Peterskirche, die für ihre Steinbearbeitung bekannt ist. 2 Meter lang und 30 bis 40 Zentimeter tief sind die Blöcke aus Buntsandstein. Über Pressfugen sind die gewaltigen Steine miteinander verbunden, Mörtel findet sich kaum. Die Anfang des 12. Jahrhunderts als Abteikirche der Benediktiner errichtete Peterskirche ist nicht nur der größte romanische Kirchenbau in Thüringen, sondern auch von besonderer Qualität. Sie ist im Sinne der Hirsauer Reform errichtet und war ursprünglich eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika. Eine Vorkirche – ähnlich der heutigen in Paulinzella – verband sich mit dem Kirchenbau. Und auch von dem großen Kreuzgang, der sich im Norden anschloss, ist nichts mehr zu erkennen, lediglich in der Kirche in einer kleinen Ecke sieht man den Eingang.

Dass hier einst die Staufer ihre Reichstage abhielten, Geschichte geschrieben wurde – zählte bei den Preußen nicht mehr. 1818/19 wurden große Teile der Kirche abgerissen,
nachdem sie 1813 durch feindlichen Beschuss teilweise zerstört wurde. Auch das Kloster, das bereits 1803 säkularisiert wurde, lag in Schutt und Asche. Hier – in der Peterskirche –
unterwarf sich einst Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen, nach jahrelangen Zwistigkeiten seinem Kaiser Friedrich Barbarossa. Der Herzog von Bayern und Sachsen war mit seinem Kaiser wegen dessen Italienpolitik aneinandergeraten und zog letztendlich den Kürzeren. 1179 wurde Heinrich der Löwe geächtet. So blieb ihm nichts anderes übrig, als Barbarossa um Gnade anzuflehen. Am 11. November des gleichen Jahres wurde sie ihm gewährt – allerdings zu einem hohen Preis. Als Strafe musste er für drei Jahre in die Verbannung. Er ging nach England.
Der Peterskirche hat all ihre Historie wenig genutzt. Zweckmäßigkeit galt als Parole im Soldatenstaat. Die gewaltigen Osttürme, die weit über Erfurt hinaus zu sehen waren, waren den Preußen ein besonderes Ärgernis, ebenso wie das Mittelhaus.
Beide wurden abgetragen, gaben sie doch perfekte Ziele für einen Beschuss ab. „In der Höhe fehlen heute fast 40 Prozent des Mittel- und Querschiffs“, bedauert Silvia
Wagner. Aus heutiger Sicht ein Fiasko. Wie großartig muss das Gebäude einst gewesen sein?
„Vielleicht aber haben die Zerstörungen in der Kirche auch dazu geführt, dass der Baudenkmalschutz sich entwickeln konnte“, sinniert Stephan Scheidemann. Denn nur wenige Jahre später kam es zu einem Umdenken. 1843 gab es in Preußen den ersten Kurator, auch Denkmalpfleger genannt.

Für die Peterskirche war es da allerdings schon zu spät. Fast ehrfürchtig stehen die drei im Kirchenschiff. „Jetzt, wo die Zwischendecken entfernt wurden, hat man endlich wieder ein Raumgefühl, sieht, wie großartig der Bau angelegt ist mit seinen über 30 Metern Länge“, schwärmt Frank Spangenberg.
Viel gibt es zu tun. „Aktuell konzentrieren wir uns auf die Sanierung der Außenhülle und die statische Sicherung. Im Innenraum erfolgte eine Teilöffnung der Decke im Erdgeschoss.
Eine weitere Zwischendecke über dem Obergeschoss wurde bereits früher, Mitte des 20.Jahrhundert, entfernt, da ein Geschoss als Turnhalle genutzt wurde.
„Wir sind dabei, den Fußboden und die Gebäudetechnik zu sanieren, der Hausschwamm wurde beseitigt, die Außenanlagen neu gestaltet. Alles, um die Kirche als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche für die BUGA herzurichten“, sagt Silvia Wagner. 5 Millionen Euro gab es dafür vom Land Thüringen. Die Außenhaut präsentiert sich wieder in hellen Tönen. Von den ehemals nahezu schwarzen Verfärbungen, der Patina der Jahrhunderte,
künden nur noch einzelne Steine, die bewusst ins Mauerwerk integriert sind.
„Die Konservierung der Fassaden ist so wichtig, weil die schwarzen Krusten, welche in mehreren Schritten aufwendig entfernt wurden, zu Schäden am Gestein führten“, erklärt sie. Statische Schäden wurden durch Vernadelungen behoben.


Außerdem wurde eine geordnete Wasserführung hergestellt, um weitere Schäden am Bau zu verhindern wie beispielsweise am Gebäudesockel, der aufwendig restauriert wurde. Daneben wurden auch die Schäden am Dach saniert.

Einst verborgene Details sind wieder sichtbar, beispielsweise der Schmerzensmann, eine Ritzzeichnung aus dem 14. Jahrhundert, ebenso wie die drei Sonnenuhren.
Die älteste an der Südseite der Kirche stammt aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist die beeindruckendste von allen. Erst im späten Mittelalter wurden die gleich langen Stunden eingeführt. Zuvor differierte die Stundenlänge.

Damals sprach man von Temporalstunden, denn im Winter wurden die Stunden kürzer, im Sommer länger gezählt. So zeigt die ältere der beiden Uhren an der Südseite der Kirche die Temporalstunden an, die Mönche auf wichtige Gebetsstunden hinwies. Die jüngere Uhr ist weiterentwickelt und zeigt die gleichlangen Stunden an. Wer im 15. Jahrhundert in Erfurt studierte, lernte auch, wie Sonnenuhren funktionieren. An der philosophischen Fakultät wurden damals auch astronomische, geografische und mathematische Kenntnisse vermittelt.

„Wunderbar sind auch die Würfelfriese am Traufgesims der südlichen Außenwand, die von großer Handwerkskunst zeugen“, sagt Silvia Wagner und verweist auf die exakt gearbeiteten Klötzchen, die wie ein Schachbrett aus dem Sandstein herausgearbeitet sind. Im Innenraum der Klosterkirche haben sich Wandmalereien aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts erhalten. Besonders beeindruckend: zwei überlebensgroße Aposteldarstellungen an zwei Pfeilern in der Vorhalle. Die Rötelzeichnungen wurden bei bauhistorischen Untersuchungen entdeckt, die in den 1990er-Jahren von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten in Auftrag gegeben wurden.

Zur BUGA ist eine Ausstellung zum Thema „Paradiesgärten Gartenparadiese“ geplant. Auch die Geschichte des Baus wird thematisiert. Außerdem wird es einen Veranstaltungsbereich geben, für Kinder sind Mitmachangebote geplant.
Text. Anke Roeder-Eckert
Fotos: Steve Bauerschmidt