Dunstglocken schweben über dem Erfurt der frühen 1990er-Jahre. Noch. Denn zu dem Zeitpunkt sorgen Kohlekraftwerke, wie die in der Radowitzstraße (heute Iderhoffstraße) und in Gispersleben, dafür, dass der Strom- und Fernwärmebedarf in Erfurt gedeckt werden. Der durch die verbrennende Kohle entstehende Dunst und Staub zeugen davon, dass die Energieerzeugung eine rußige und staubige Angelegenheit, verbunden mit einem hohen CO2-Ausstoß, ist.

Heute, gut 25 Jahre später, haben moderne Anlagen die alten Kraftwerke abgelöst. Neue Technologien sorgen für eine effiziente und CO2-sparende Energieproduktion. Die SWE Energie GmbH hat dazu ihren Beitrag geleistet. Doch die Geschichte der Energieversorgung in Erfurt ist älter als ein Vierteljahrhundert. Sie beginnt mit einem 12-PS-Generator im Rathaus.

Es ist der 21. Oktober 1857. Frischer Herbstwind zieht durch die Erfurter Straßen. Es dunkelt. Der Schein von Gaslaternen erhellt die Straßen und gibt den Passanten Orientierung in den engen Gassen. Diese Gaslaternen ersetzen die Öllampen, die seit Napoleons-Zeiten die Dunkelheit erhellten. Das erste elektrische Licht erstrahlt 1882 im Erfurter Rathaus und löst die Gasbeleuchtung ab. Die Kosten dafür sind nicht teurer als die Gasbeleuchtung.

Die Geburtsstunde der städtischen Elektrizitätsversorgung ist der 1. Oktober 1901 in der heutigen Iderhoffstraße. Von dort aus versorgt das bereits 1900 gebaute Elektrizitätswerk neun Speisepunkte an insgesamt 180 Stromabnehmer. Drei Dampfmaschinen treiben (mit einer Leistung zwischen 70 und 400-500 Pferdestärken) die Generatoren an. Strom ist damals Luxus, da eine Kilowattstunde Licht-Strom 65 Pfennig kostet – bei einem durchschnittlichen Arbeiter-Lohn von 24 Mark pro Woche.

1906 geht die erste Dampfturbine ans Netz, zwei weitere kommen später hinzu. In den folgenden Jahren und mit Anstieg der Industrialisierung steigt Erfurts Energiehunger schnell. 1934 beträgt die Erzeugerleistung bereits 33,2 MW. Im Vergleich: 1906 sind es noch 1,1 MW. Die Bürger werden dennoch stetig zum Strom sparen aufgefordert. Für Geschäfte gibt es feste Öffnungs- und Schließzeiten, zu denen die Beleuchtung im Geschäft zu löschen ist. In den Kriegsjahren werden aufgrund von Knappheit der Kohle und enormen Lieferungsverzögerungen Strommengen je Haushalt vorgeschrieben. Bei Überschreitung erhalten sie ein Zettelchen vom E-Werk. Darin heißt es beispielsweise im Jahre 1917, dass jede mehrverbrauchte Kilowattstunde 50 Pfennig kostet; im Wiederholungsfall erfolge die Absperrung.

Dem immer weiter wachsenden Energiebedarf entgegenkommend, werden die Anlagen und Kraftwerke regelmäßig und zum Zwecke der Leistungssteigerung ausgebaut. In den 1930er Jahren erfolgt die Zusammenlegung der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung zu den „Stadtwerken“.

30er Jahre Kraftwerk Iderhoffstraße
Der wachsende Bedarf in der Energieversorgung lässt die Kraftwerke in Erfurt weiter wachsen. Das Kraftwerk in der Radowitzstraße (heute Iderhoffstraße) erhält 1936 einen leistungsstärkeren Dampferzeuger. Das Foto stammt aus den 1930er-Jahren.
1948 Städt. Elektrizitätswerk
1948 gibt es ein Leck in einem Kessel des Werkes, was zur Stromabschaltung in der Stadt führte (Symbolbild). Der 2. SED-Parteitag, der zu dem Zeitpunkt in Erfurt stattfand, war davon aber nicht betroffen.

Zeitsprung: 1956, kurz nach Gründung der VEB Energieversorgung Erfurt, beginnt in Erfurt die Fernwärmeversorgung. Dafür wird das Kraftwerk Gispersleben zuvor zum Heizwerk umgebaut. In Folge wird auch das Kraftwerk Iderhoffstraße 1961 zum Heizkraftwerk. Treibende Kraft der Fernwärmeversorgung ist die zunehmende Errichtung von Neubaugebieten, der Anschluss der Industriebetriebe sowie die Umstellung des Energieträgers von Heizöl auf Kohle. Erste Ferndampftrasse für die öffentliche Versorgung ist die Schlachthoftrasse 1961. Sie ist der Ersatz für die alte Kesselanlage im Erfurter Schlachthof und besitzt Druck- und Temperaturwerte von acht bar und 280 Grad Celsius. 1963 und 1964 folgen die Kalkreiße-Trasse und die Reichsbahntrasse und mit ihnen auch der sprunghafte Ausbau des Fernwärmenetzes. 1969 erfährt das Kraftwerk Gispersleben nochmal eine Wiederbelebung und wird zum Heizwerk umgebaut, um der geforderten höheren Fernwärmeversorgung im Norden aufgrund von Neubaugebieten gerecht zu werden.

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1996: Luftaufnahme der alten und neuen Anlage des Heizkraftwerks Iderhoffstraße. Eine Modernisierung des Kraftwerks Iderhoffstraße erfolgt im Hinblick auf eine Reduzierung des Schwefeldioxid-Ausstoßes durch Neubau eines gasbefeuerten Heizkraftwerks.

1961 wird ein Gasturbinenkraftwerk in Gispersleben gebaut, 1972 um zwei Turbinen erweitert. Es ist das erste in der DDR. Betrieben wird die Anlage mit Diesel. 1980, zur Ölkrise, wird aufgrund des Brennstoffmangels die Gasturbinenanlage nur noch in besonderen Last- und Netzsituationen eingesetzt. In den 1970er und 1980er entsteht der Energiestandort Erfurt-Ost bestehend aus 4 Werken mit 6 bis 8 Dampfkesseln, die mit Braunkohle oder Erdgas betrieben werden.

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Das alte Gasturbinenkraftwerk Gispersleben – hier im Bild – wurde zwischen 2000 und 2010 abgerissen. 2016 dann das alte Kraftwerk.
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1994: Vogelperspektive auf das Kraftwerk Erfurt-Ost. Die 4 Werke wurden zwischen 1993 und 2000 stillgelegt.

1993 wird die Stadtwerke Strom und Fernwärme GmbH als Stadtwerketochter gegründet und übernimmt die Energieversorgung für Erfurt inklusive der dazugehörigen Anlagen. 2007 kommt es zur Gründung „SWE Energie GmbH“ aus der SWE Strom und Fernwärme GmbH und der SWE Gasversorgung GmbH.

Der Bau der Gas- und Dampfturbinen-Anlage und der beiden Heißwasser-Erzeuger im Jahre 1999 bildet den vorläufigen Abschluss der Modernisierung der Erzeugeranlagen in Erfurt. Sie ersetzen den Betrieb von Kohle-betriebenen Anlagen. Infolge kommt es zur Außerbetriebnahme mehrerer veralteter Anlagen (HKW Gispersleben, Kessel 4 in der Iderhoffstraße, Werk 4 Erfurt Ost). Mit dem Ausbau und Modernisierung der GuD-Anlage 2014 wird auch ein Wärmespeicher in der Iderhoffstraße errichtet und ins Gesamtsystem integriert:  Ein großer Effizienzgewinn, denn durch die Kraft-Wärme-Kopplung entstehen Strom und Wärme gleichzeitig. Wird die produzierte Wärme nicht abgenommen, kann sie einfach gespeichert und später bei Bedarf abgegeben werden.

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2003: Heizwerk Ost alt und neu gegenüber.
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Die 1999 in Betrieb genommene Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD) im Erfurter Norden. (Foto: Susann Nuernberger)

Heute ist Erfurt in der Lage, sich energetisch zum größten Teil selbst zu versorgen – und das ohne Kohlekraftwerk oder Atomstrom. Sowohl für die Erzeugung als auch für die Strom- und Fernwärmenetze wurden zukunftsfähige Konzepte erarbeitet und umgesetzt. Das heißt: weg von der Kohle, hin zu Gas und erneuerbaren Energiequellen. Kohlekraftwerke inklusive Dunstglocken sind passé in einer Stadt, die ihren Strom und ihre Fernwärme durch erneuerbare Energien erzeugt. Nun können die Erfurter beruhigt durchatmen.

Die SWE Energie GmbH hat Erfurt mit dem Erfurter Energiemodell auch schon für die Zukunft aufgestellt. Mehr zum Erfurter Energiemodell gibt es hier: https://www.stadtwerke-erfurt.de/pb/swe/produkte+_+leistungen/energie+_+wasser/erfurter+energiemodell

SWE Stadtwerke Erfurt GmbH , Langen Nacht der Wissenschaften , FernwŠrmespeicher
Der 2014 errichtete Wärmespeicher in der Erfurter Iderhoffstraße fasst so viel wie 46.000 Badewannen (7.000m³). Nach Bedarf kann auf die in ihm gespeicherte Wärme zurückgegriffen werden. (Foto: Steve Bauerschmidt)

Fotos: Archiv SWE Energie GmbH

 

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