Ein Kaktus erzählt! Zum Weltkaktustag, der in diesem Jahr ausgerechnet auf den Männertag fällt, wechseln wir ausnahmsweise mal die Perspektive.

„Wir sind über 800. Manche sind dick, manche ganz lang, und einige haben Dornen, von denen andere nur träumen können“, erklärt der kleine Warzenkaktus mit der süßen pinkfarbenen Blüte, die so gar nicht zu seinem Namen passt. „Nana, was soll das heißen? Du steckst ja voller Klischees“, ermahnt er mich. Sonst redet er eigentlich nicht mit den Besuchern. Aber seit rund zwei Wochen kommen keine mehr, denn das Kakteenhaus im egapark Erfurt ist gesperrt. Doch mit einem einzelnen Gast, der zudem zum Personal gehört, aber kein Gärtner ist, kann man ja am Seitenbeet mal eine Ausnahme machen.

20180507_111717

Wir gehen in die Wüste

„Wir müssen nämlich umziehen“, erklärt das niedliche Kerlchen bedeutungsvoll. Ich glaube, es streckt sich vor lauter Wichtigkeit – seine Blüte zittert. „Da kommt nebenan das neue Wüsten- und Urwaldhaus Danakil hin – und wir gehen alle in die Wüste. Das dauert nämlich ewig, bis so ein Kaktus schön groß ist. Deshalb sollen wir alle mit. Die da hinten sind sogar schon 60 Jahre alt.“ Mein neuer Freund meint die Goldkugelkakteen. Die können durchaus einen Zentner oder mehr wiegen. Aber der anspruchsvollste Umzugskandidat ist wohl der Feigenkaktus. Er ist 4 Meter hoch und 4 Meter breit und muss mit viel Gefühl ausgegraben und verpackt werden.

20180507_111146

Salatgurken im Regal

„Jaja, Opuntia tomentosa, unsere Diva“, winkt der Warzenkaktus ab. „Das ist doch gar nichts. Stell dir vor, von den Kollegen, die so wie Säulen aussehen, haben die Gärtner einfach die Hälfte oben abgesägt – und wollen die als Stecklinge verwenden. Die legen dort hinter der Glaswand wie Salatgurken im Regal. Das bleibt mir zum Glück erspart!“ Der Warzenkaktus klingt erleichtert. Er und seine Artgenossen werden einfach in Blumentöpfe umgesetzt.

20180507_112934

„Und dann wird einer nach dem anderen weggeholt. Die bringen uns erstmal ins Dekohaus. Denn die neue Wüste ist ja noch nicht fertig. Da ziehen wir wahrscheinlich Ende 2019 ein. Aber so eine Aktion muss langfristig vorbereitet werden. Wie gesagt – wir sind immerhin über 800! Da kannst du nicht erst 2019 anfangen!“ Puh, jetzt ist er wieder megawichtig.

Sonne und Schatten

Bis Ende Mai soll der Umzug stattfinden – das Frühjahr ist dafür am besten geeignet. Da stecken die Kakteen voller Kraft, denn das ist ihre Wachstumszeit. „Ja, du Schlaumeier! Was meinst du, warum wir gerade so schön blühen?!“

20180507_111559

Es ist ein sonniger Tag. Die Sonne brennt durch das Glasdach des Kakteenhauses. Da merkt man gar nicht, wie schnell man einen heißen Kopf kriegt. Als es mir auffällt, sagt der Warzenkaktus plötzlich nichts mehr. Ich nicke ihm freundlich zu, aber er schweigt. Scheinbar hat er alles gesagt, was ihm wichtig war. Und ich denke, ich brauche erstmal Schatten und einen großen Schluck Wasser…

20180507_115339