Heute fiel uns beim Suchen nach alten Unterlagen dieses Bild in die Hände. Leicht erkennbar ist es die Marktstraße mit ihrem morbiden Vorwendecharme, durch die ein 3-Wagen-Zug der Linie 3 in Richtung Ulan-Bator-Straße fährt.

Interessant ist der Oberbau, der durchaus zu einem Aufschaukeln der Fahrzeuge führen kann und so überall auf unseren mit den sogenannten Großverbundplatten gebauten Strecken zu sehen war. Die Regelmäßigkeit dieser Lagefehler deutet auf einen Systemfehler hin und den gab es tatsächlich. Denn mit der Einführung dieser Bauweise DDR-weit Anfang der 70er-Jahre wurden auch 3 sogenannte Torlader der Firma Valmet aus Finnland beschafft, die für die Verlegung der Großverbundplatten vorgesehen waren.

2018 02 02_GVP_1Diese in den Tiefbaukombinaten in Dresden, Leipzig und Berlin stationierten Fahrzeuge, die aufgrund ihrer Arbeitshöhe uneingeschränkt unter den Fahrleitungen arbeiten konnten, waren aber Anfang der 80er Jahre verschlissen und für einen Ersatz fehlten die Devisen. In der Folge mussten die Gleisjoche mit einem normalen Kran verlegt werden, wozu auch die Fahrleitungen demontiert oder mindestens zur Seite geschoben werden mussten. Das eigentliche Problem war aber, dass der Torlader mehrere Befestigungspunkte für die Großverbundplatten hatte, bei der Kranverlegung aber nur noch 4 Stahlseile zum Anschlagen zur Verfügung standen.

Die EVB hatte übrigens extra einen bei der NVA ausgesonderten sowjetischen Kraz-Gitterkran erhalten, der eiligst von grün auf orange umgespritzt wurde, um nach der folgenden Generalüberholung wieder armeegrün zu sein… Dieser Kran jedenfalls verhinderte den Einsatz eines Verlegerahmens zum Mehrfachanschlagen, weil er nur das Gewicht der Platte heben konnte. Und so war praktisch eine exakte höhenmäßige Nivellierung der Gleise nicht möglich, die Großverbundplatten hingen quasi in der Mitte und an den Rändern durch.

Die Großverbundplatte hatte übrigens einen zweiten Systemfehler: Die Schienen waren samt Spurhaltern in Beton gegossen worden. Damit gab es aber keine schwingungstechnische Entkoppelung und die Betonplatten wirkten wie ein Resonanzkörper. Das wollte man mit einer weichen Lagerung ausgleichen, was nicht wirklich funktionierte und in der Praxis noch verschärft wurde. Die Vormontage von Gleisjochen verringert die Bauzeiten nicht unwesentlich (auch bei der Eisenbahn, dort mit Schwellen), führte aber in den Betrieben dazu, dass der Unterbau, beim Bau in den 70er Jahren teilweise aus der Anfangszeit der Straßenbahnen stammend, nicht mit saniert wurde. Mit der Begründung, die Flächenauflage der Platte würde einen wesentlich geringeren Druck auf den Untergrund ausüben, wurde dies übliche Praxis in den Betrieben bis in die 80er-Jahre hinein. Der Denkfehler war, dass man das Gewicht des Betonkörpers vernachlässigte und dass diese Annahme allenfalls funktioniert, wenn man den Unterbau standfest und tragfähig macht und eine durchweg ebene Auflage erreicht. Diese fehlende flächige Auflage führte im Weiteren dazu, dass insbesondere die Großverbundplatten rissen und brachen, die von schweren Kraftfahrzeugen befahren wurden. Und dabei hatten sich die Entwicklungsingenieure schon Gedanken gemacht, was man mit der Betonplatte machen könnte, wenn die Schienen verschlissen sind…

Übrigens sind die Großverbundplatten in Erfurt erstmals in der Schillerstraße verbaut worden, damals noch mit Sanierung des Unterbaus. Und die haben tatsächlich bis Ende der 90er-Jahre durchgehalten, aber laut waren sie trotzdem.

Text: Michael Nitschke

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