Lernen, sich sicher zu fühlen

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Allgemein,EVAG,JOURNAL Herbst/Winter 2025

Die EVAG hat einen Selbstbehauptungsworkshop für Frauen ins Leben gerufen. Ich war beim ersten Kurs dabei

„Was würde ich jetzt tun?“ Diese Frage habe ich mir beim Selbstbehauptungsworkshop „Stark unterwegs im ÖPNV“ öfter gestellt. Ein dreistündiger Kurs, speziell für Frauen. Hier können sie lernen, sich im öffentlichen Raum sicherer zu fühlen.

Geleitet wurde der Workshop von zwei Trainern der WingTsun- Akademie Erfurt: Franziska Doogs und Roy Bauch. Beide verbanden Theorie und Praxis auf anschauliche Weise. Etwas Ähnliches gibt es bei der EVAG schon länger – für Grundschulkinder. Nun wurde das Konzept auf Frauen übertragen.

15 Frauen hatten sich an einem Nachmittag auf dem Betriebshof am Urbicher Kreuz versammelt. Eine kurze Vorstellung, dann sprachen wir über unsere Erfahrungen, die wir im Alltag gemacht hatten – Situationen, in denen wir beleidigt, belästigt oder angegriffen wurden. Erstaunt war ich auch von den Berichten der Fahrerinnen der EVAG, die ebenso von verbalen, aber auch körperlichen Übergriffen erzählten.

Gemeinsam bewerteten wir die Situationen, versuchten zu verstehen, was passiert war, wie darauf reagiert wurde. Und es ging darum, Handlungsstrategien zu entwickeln: Wie kann man eine Situation entschärfen, bevor sie eskaliert? Wie schafft man es, sich selbst in Sicherheit zu bringen, ohne andere oder sich selbst zu gefährden? Wie zeigt man Zivilcourage? Ein wichtiger Punkt war das „Nachhalten“, also der Umgang mit dem, was nach einem Vorfall geschieht: z. B. ärztliche Versorgung, Anzeige erstatten, Vorgesetzte informieren – den Vorfall eben nicht einfach abhaken.

Ebenso wichtiger Punkt: die Kommunikation. Wie bringe ich meine Botschaft so rüber, dass sie so ankommt, wie von mir gemeint? Wir erlernten Grundlagen der verbalen und nonverbalen Selbstbehauptung und übten diese in Partnerübungen. Eine Aufgabe war es, dem Gegenüber mit dem Wort „Stopp“ eine Grenze zu setzen. Das klang zunächst simpel – doch für viele war es eine große Herausforderung, laut, deutlich und selbstsicher aufzutreten. Auch ich brauchte mehrere Versuche, bis meine Partnerin mir bestätigte, dass ich wirklich überzeugend war.

Im zweiten Teil des Workshops wurde es praktisch

Drei Szenarien: Eine Frau wird nachts von einem Unbekannten verfolgt. Eine Straßenbahnfahrerin wird an der Endhaltestelle auf dem Weg zur Toilette bedrängt. Eine Frau wird in einem Bus körperlich belästigt. Wir spielten die betroffenen Frauen. Obwohl wir wussten, dass es „nur“ eine Übung war, konnte man sich erstaunlich gut in die Situationen einfühlen. In jedem Fall brauchten wir alle mehrere Anläufe, bis unsere Reaktionen ganz deutlich und wirkungsvoll genug waren. Natürlich kann kein Workshop auf jede erdenkliche Situation vorbereiten. Besonders dann, wenn Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen, ist vieles unberechenbar. Auch gibt es keine Garantie dafür, dass ein erlernter Handgriff oder ein klares Wort tatsächlich Wirkung zeigen. Trotzdem – sich mit möglichen Situationen immer wieder auseinanderzusetzen, macht Sinn. Ebenso wie ein wachsames Auge dafür, ob eine andere Person Hilfe braucht. Ich habe für mich viel mitgenommen – über meine Körpersprache, meine Stimme, meine Reaktionen. Und vor allem darüber, wie wichtig es ist, sich seiner eigenen Grenzen bewusst zu werden und sie dem Gegenüber deutlich zu kommunizieren und zu vertreten.

Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack: Dass es solche Workshops (egal ob für Kinder oder Erwachsene) braucht, ist so traurig wie alarmierend. Deshalb ist es ein wichtiges Zeichen, dass die EVAG solche Angebote schafft. Denn ein sicherer ÖPNV beginnt nicht nur bei Technik und Personal, sondern auch bei der Frage, wie wir miteinander umgehen.

Das Sicherheitstraining für Kinder wird von den Erfurter Verkehrsbetrieben schon seit mehreren Jahren angeboten

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Sicherheit

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