Das Erfurter Stöberhaus bietet all das, was der eine nicht mehr braucht und der andere dringend sucht: Möbel, Kleidung, Bücher, Haushaltswaren und Elektrogeräte. In der großen Halle in der Eugen-Richter-Straße wird all das für kleines Geld verkauft. Zuletzt ist die Zahl der Kundinnen und Kunden deutlich gestiegen.
„Hier ist eigentlich immer was los“, sagt Sabrina Kunzewitsch. Sie steht auf dem breiten Gang zwischen einigen Rollstühlen aus DDR-Zeiten rechts und West-Rollatoren links von ihr. „Viele, die kommen, suchen gezielt – andere schauen einfach, ob sich etwas entdecken lässt“, erzählt sie. Seit elf Jahren arbeitet die junge Frau im SWE Stöberhaus, inzwischen als stellvertretende Leiterin. Vor allem seit dem Ende der Corona-Pandemie habe das Kundeninteresse spürbar zugenommen. Zum Stöbern kämen heute Jung und Alt, Arm und Wohlhabend. „Vom Professor bis zum Arbeitslosen ist alles dabei“, sagt sie.
An diesem Montagnachmittag sind etwa 15 Kundinnen und Kunden in der unteren Halle des Stöberhauses unterwegs. Aus den Lautsprechern dringt gedämpfte Radiomusik, ansonsten ist es still. Jede und jeder stöbert konzentriert für sich allein in der ehemaligen Fabrikhalle. Da ist etwa der junge Mann im Pullover eines Pizza-Lieferdienstes, der eine Wandhalterung für sein TV-Gerät sucht. Da ist ein älterer Herr, der systematisch die Abteilungen abschreitet und nach Brauchbarem Ausschau hält. Und da ist die Mitvierzigerin, deren Blick über die Regale voller Gläser gleitet. „Ich bin öfter hier“, sagt sie mit leichtem osteuropäischen Akzent. „Meist suche ich nichts Bestimmtes.“ Doch immer wieder werde sie fündig – mal bei Büchern, mal kaufe sie eine DVD. Aber auch bei Gläsern oder Porzellan greife sie schon mal zu. „Alles, was hier steht, wurde uns kostenlos angeboten“, erklärt Kunzewitsch. Daher könne das Stöberhaus die Ware auch günstig weiterverkaufen. „Uns geht es darum, wenigstens kostendeckend zu arbeiten. Hierfür werden wir von der Stadt Erfurt auch finanziell unterstützt.“ Im Vordergrund stehe seit fast 30 Jahren der Nachhaltigkeitsgedanke. Möbel, Hausrat oder Bücher, die noch gut in Schuss seien, sollten ein zweites Leben bekommen. So werde Sperrmüll vermieden, sagt Kunzewitsch. Das Sofa, auf dem sie sitzt, ist für 269 Euro zu haben. Wer etwas nicht mehr braucht – etwa wenn ein Paar zusammenzieht oder ältere Menschen ihre große Wohnung gegen ein kleineres Apartment tauschen – kann im Stöberhaus anrufen. Dann holt ein Team die Sachen ab und bringt sie zunächst ins Lager neben der Verkaufshalle. Kunzewitsch bleibt bei einem der Männer vom Aufbautrupp stehen. Der gelernte Küchenbauer ist Teil des Teams, das die Möbel in der Ausstellungshalle aufbaut. Gerade kniet er vor einem breiten, weiß lackierten TV-Regal. Zumindest soll es das einmal werden. Doch das lange Regalbrett will sich noch nicht so recht einpassen lassen. „Manchmal muss ich schon überlegen, wie die einzelnen Bretter zusammengehören“, sagt er. Denn in der Regel bekommt er die Möbel zerlegt und ohne Gebrauchsanweisung geliefert. Fünf Personen umfasst die Abteilung der Möbelbauer. Und aufzubauen gibt es im Stöberhaus immer genug. Es gehe ständig etwas weg – und genauso oft komme etwas Neues hinzu. „Hier ist ordentlich Durchlauf“, sagt der Mitarbeiter. Inzwischen sitzt das Regalbrett auch dort, wo es hingehört. Manches Möbelstück aber braucht seine Zeit, bis sich ein Liebhaber findet. Etwa das alte, nachtblaue Sofa aus Uromas Zeiten. Vier verschiedene Preise stehen auf dem kleinen Klebezettel, drei davon sind bereits durchgestrichen. Das offensichtliche Desinteresse der Kundschaft hat das Stöberhaus-Team auf 799 Euro heruntergehandelt. Was gut läuft, sind Elektrogeräte für die Küche oder Waschmaschinen. Auch Kleinmöbel aus DDR-Zeiten sind vor allem bei jungen Leuten stark gefragt. Längst wählt das Team vom Stöberhaus aus, was überhaupt angenommen wird – und was doch auf den Sperrmüll muss. „Gelsenkirchener Barock“, sagt auch Charleen Adaschkiewitz, „nehmen wir nicht mehr an.“ Die wuchtigen, etwas altmodisch wirkenden Wohnzimmerschränke finden einfach keine Abnehmer mehr.
„Der da drüben“, sagt sie und zeigt auf ein Monstrum aus dunklem Holz und Butzenglas, „steht jedenfalls schon lange hier – noch bevor ich angefangen habe.“ Adaschkiewitz arbeitet erst seit zwei Monaten als Verkäuferin im Stöberhaus. Der Job gefällt ihr: keine Schichten, nette Kolleginnen und Kollegen – und dann diese besondere Produktpalette. „Das ist wie Kleinanzeigen. Nur in echt“, lacht sie. Ein ganz besonderes Stück bereicherte in den vergangenen Monaten die Ausstellung im ersten Stock. „Sag mal, steht oben noch der Sarg?“, fragt sie Jörg Hambruch vom Aufbautrupp im Vorbeigehen. Der Transportsarg für Überführungen gehörte sicherlich zu den ungewöhnlichsten Stücken, die bislang im Stöberhaus einen Abnehmer gesucht haben. „Einen Grabstein hatten wir auch schon mal“, sagt der Mitarbeiter. Der sei sogar gekauft worden. „Die Leute können alles gebrauchen.“ Nur der Sarg wurde vor wenigen Tagen entsorgt. Ihn wollte niemand mitnehmen.

