In den Theater-Werkstätten wird derzeit die imposante Bühnenkulisse für „La Bohème“ gebaut.
19. Jahrhundert. Vier Pariser Künstler ohne Geld, aber mit viel Lust auf das Leben, eine Liaison zwischen einem von ihnen, einem Dichter, mit einer bezaubernden Nachbarin und ein tragisches Ende. Das umreißt vage den Plot der Oper „La Bohème“, die der Italiener Giacomo Puccini 1896 geschrieben hat. Vom 8. bis zum 31. August wird sie in diesem Jahr auf den Domstufen aufgeführt. Es wird ein opulentes Spektakel, so viel lässt sich jetzt schon sagen. Was auch an dem eindrucksvollen Kulissenbild zur Untermalung der großen Sangeskunst liegt.
Das Bühnenbild wurde von dem Amerikaner Matthew Ferraro entworfen. Er hat für den Puccini-Vierakter die Handlungsspielwiese auf die 70 Domstufen verlegt. Gespielt wird auf zwei Ebenen, einer fahrbaren Haupttribüne, die eine 36 Quadratmeter große Mansarde, die Bude der vier Studenten, zeigt. Wird die zur Seite geschoben, fällt der Blick auf eine Art Vergnügungspark. Lustig soll’s im Paris des 19. Jahrhunderts trotz aller Tragik des Stückes schließlich zugehen. Ein umgebauter Foodtruck, der das Café „Momus“ darstellt, ist zu sehen. Ganz oben thront ein 16 Meter hoher Stahlgestellturm, man ahnt seinen Namen. Und auf einer 22 Meter langen, dreibahnigen Rutsche mit 25-prozentiger Neigung aus Edelstahl geht’s ab in Richtung Domplatz.

„Plastik hätte den Akteuren bei ihrer Talfahrt wegen der statischen Aufladung die Haare zu Berge stehen lassen“, sagt Stark und grinst. 500 Lampen illuminieren darüber hinaus die Szenerie. „Es wird magisch“, schwärmt der Technikchef vorab. „Es ist eine der anspruchsvollsten und schwierigsten Kulissen, die wir je hatten“, unterstreicht Stefan Rittmeister, der Chef der Dekowerkstatt. Es sei von den vier durch Matthew Ferraro vorgelegten Varianten die einzige machbare gewesen. Die anderen drei: zu teuer, zu aufwendig. Im August 2024 gab es erste Gespräche, im Dezember war klar, was gebraucht wird und wie es im Sommer 2025 auf dem Domberg aussehen soll.

Was man nicht sieht, ist das Heer der Theaterbeschäftigten, die sich Gedanken gemacht haben, wie man den gewaltigen Gestaltungsvorschlag umsetzen könnte. Zwei Konstrukteure haben wochenlang gerechnet und getüftelt. Damit die Statik stimmt und die Maßstäbe exakt passen. Eine der großen Herausforderungen: Auf dem Domberg und den Stufen darf nicht gebohrt werden, um die schweren Teile zu fixieren. Also muss mit Ausgleichgewichten gearbeitet werden. Schwierig. Wochenlang hat auch die Einkaufsabteilung des Theaters recherchiert, um zusammenzutragen, was gebraucht wird. Da wird selbst vor Ikea nicht Halt gemacht. Irgendwer weiß immer, wo es etwas Passendes geben könnte. Mitte März lagern allerdings nur einzelne Komponenten in den riesigen Theater-Werkstätten. In den folgenden Wochen fügt sich dann aber alles zum Bühnenbild. 25 Leute – Tischler, Schlosser, Dekorateure, Maler –
bauen die anspruchsvolle Kulisse. Und die Kostümabteilung hat beim Nähen von über 150 operntypischen Kleidungsstücken alle Hände voll zu tun.
Juli: Aufbaubeginn. Für 70 Leute ein echter Knochenjob, denn am 28. Juli steht schon die erste Probe an. Dazwischen hat noch der TÜV das Sagen. Nur neun Tage bleiben dann nach erfolgreicher Abnahme Zeit bis zum scharfen Start am 8. August für die insgesamt 107 Menschen – 35 Kinder, 20 Statisten, 44 Choristen und acht Solisten – die sich dann jeden Abend im nachgebauten Paris auf Erfurts Domstufen tummeln. Das Besondere, wie schon im Vorjahr: Die Hauptakteure werden mit speziellen nachverfolgbaren Mikrofonen ausgestattet.
Am Ende wird möglicherweise einiges aus dem Kulissenfundus wieder verkauft. Auch die 22-Meter-Rutsche. „Vielleicht hat wer Bedarf im Garten?“, sagt Christian Stark und lacht. Schluss ist dann aber nicht für die Theater-Werkstätten, betont er. Die neue Spielzeit steht bereits in den Startlöchern. Und alle Stücke brauchen große Kulissen.


