Bilder aus der Stratosphäre sind ja inzwischen dank des Internets keine Seltenheit mehr. Wenn aber Schüler der 7. und 8. Klasse dafür von Erfurt aus eine Kamera ins zweite Stockwerk der Erde schicken, dann ist das schon etwas ganz Besonderes. Schließlich sprechen wir hier von einer Höhe zwischen 10 und 50 Kilometern.
So geschehen in der Jenaplanschule Erfurt, die sich 2020 für die Projektförderung 21×1000 der Stadtwerke Erfurt bewarb und in die Projektförderung kam (wir berichteten im SWE Journal, Ausgabe 4/20). Dass es bis zum Start des Wetterballons fast noch ein Jahr dauern sollte, hätte jedoch niemand gedacht.
Immer wieder musste der Flug verschoben werden. Erst im September 2021 trafen sich die jungen Forscher am Erfurter Galgenberg, um ihr lange vorbereitetes Projekt endlich umzusetzen – endlich, weil der Lockdown den Schülern immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.
Dementsprechend groß war die Aufregung, als sich die Mädchen und Jungen an einem Samstagmorgen bei kaltem Wind auf einem zugigen Acker trafen, um den Wetterballon auf die Reise zu schicken. „Das geht nicht einfach so, wir haben uns lange darauf vorbereitet.“, sagt Sabine Ritter, die die AG gemeinsam mit Raik Andritschke von der Deutschen Telekom IT GmbH betreut.
Die Kinder haben die Sonde zusammengebaut und auch programmiert. Denn mit dem Ballon sollte ein Minicomputer auf die Reise gehen, um Wetterdaten aufzunehmen: Luftdruck, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, UV-Strahlung, Helligkeit. „Calliope mini heißt das kleine Teil, das extra für Schul-AGs entwickelt wurde“, erklärt Raik Andritschke. Er unterstützte die jungen Forscher ehrenamtlich, half beim Programmieren und bei der Zusammenstellung der Ausrüstung. Klar, dass er sich auch den Start des ambitionierten Projekts nicht entgehen lassen wollte.
Genau musste berechnet werden, wie viel Helium in den Ballon eingefüllt wird, damit er die Sonde mit den Ausrüstungsgegenständen tragen kann und nicht zu früh platzt. So durfte die Box nicht mehr als 1,6 Kilo wiegen, was knifflig war, denn neben dem Minicomputer gingen zwei Kameras, einiges an Messtechnik und natürlich die zur Stromversorgung nötigen Akkus und die GPS-Tracker auf die Reise. Schon die Batterien für die Kameras sind nicht ohne. Sie müssen starke Temperaturschwankungen aushalten, schließlich herrschen in der Luftschicht in 11 km Höhe, die durchflogen werden muss, bis zu -60 Grad Celsius. Nicht zu vergessen die Flugsicherung: Denn der Flug musste angemeldet und genehmigt werden.
Als sich die Schüler und ihre AG-Leiter am 18. September schließlich auf dem Galgenberg treffen, um ihr Projekt Wirklichkeit werden zu lassen, sind sie ein eingespieltes Team. Jeder weiß genau, was er zu tun hat. Die Sonde wird vorbereitet, die Messgeräte werden platziert, die Kameras installiert. Jeder Handgriff muss sitzen. Schließlich haben sie nur einen Versuch. Auch der Fallschirm wird mehrfach getestet – sicher ist sicher. Währenddessen bereiten Luca und seine Eltern Sandra und Carsten den Ballon vor, füllen das Helium hinein. Er hat ein Fassungsvermögen von 4400 Liter Helium und ist aus Latex.

Nach 90 Minuten Vorbereitungszeit ist es endlich soweit. Balän hat den Wetterballon als letzter in der Hand – mit Handschuhen, um Beschädigungen zu vermeiden – und lässt ihn steigen. Alle jubeln. Ab da heißt es warten. Hoffentlich platzt er nicht zu früh oder landet auf einem Baum oder direkt auf der Autobahn, bangen die Forscher. „In etwa kann man die Richtung schon im Vorfeld bestimmen, denn die Flugrouten kann man berechnen. Man gibt Längen- und Breitengrad des Standpunktes an, Start und Sinkgeschwindigkeit.

Den Rest macht der Simulator, der auch die Windgeschwindigkeiten berücksichtigt. Irgendwo in der Nähe zur bayrischen Grenze wird er landen“, erklärt Anni. Auch sie ist aufgeregt. „Damit wir ihn auf jeden Fall wiederfinden, ist ein GPS-Tracker mit an Bord. Er hat eine SIM-Karte, die automatisch eine SMS mit den Koordinaten sendet, wenn der Fallschirm gelandet ist“, sagt Balän.






Da die Richtung schon mal klar ist, fahren die Forscher nach dem Start des Ballons in den Süden Thüringens. Anni und Luca mit ihren Eltern, auch Raik Andritschke und Sabine Ritter gehören zur Suchmannschaft. Sogar Lucas kleiner Bruder ist dabei.

Bei Schleiz legen sie eine Pause ein, um auf die Signale ihrer GPS-Tracker zu warten. Es dauert nicht lange und die Richtung ist klar. „Irgendwann haben beide Tracker schließlich Koordinaten angezeigt, die sich nicht mehr verändert haben. Da war klar, der Ballon ist gelandet“, sagt Raik Andritschke. Bei Tennersreuth im Landkreis Hof finden Luca und sein kleiner Bruder ihn schließlich auf einem Feld. Direkt neben einer Straße. Das war knapp.
„Alles war noch ganz, bis auf den – planmäßig – geplatzten Ballon. Die beiden Kameras haben sogar noch gefilmt. Natürlich wollten alle gleich sehen, ob gute Aufnahmen dabei waren – und dann großes Staunen: tolle Aufnahmen vom Rand des Weltalls. Unser Ballon erreichte eine Höhe von 36.662 Metern“, erzählt Sabine Ritter. Der Wahnsinn!
Die Wetterdaten haben die Forscher gleich in der nächsten AG-Stunde gesichtet. Die Temperatur lag bei 1.000 Metern mit 23°C am höchsten, die niedrigste bei -23°C. „Im Nachhinein haben wir festgestellt, dass unser Temperatursensor zu nah an der Sonde angebracht war. Die zwei Kameras in der Sonde haben eine enorme Wärme entwickelt, denn eigentlich sind die Temperaturen in der Stratosphäre viel niedriger“, erklärt Sabine Ritter. „Nach dem Platzen des Ballons sank die Sonde mit einer Geschwindigkeit von 60m/s (=216km/h) zur Erde, dann öffnete sich der Fallschirm und bremste die Fallgeschwindigkeit ab, sodass sie auf 3,5m/s gesunken ist“, fasst sie zusammen.
„Die ganze Sache hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir planen, einen weiteren Ballon zu starten“, sagt sie.
Aktuell sind die Schüler dabei, die Daten in Diagrammform zu bringen. Für alle, die nicht so lange warten wollen, haben wir hier schon mal ein paar Daten:
Temperatur – Starttemperatur: 16°C, in 1000 m Höhe mit +23°C am höchsten ; niedrigste Temperatur -23°C.
Luftdruck – am Boden 993 hPa, in 36 km Höhe 5,5 hPa
erreichte Höhe 36.662 m
Geschwindigkeit – Aufstiegsgeschwindigkeit = 5,5m/s
UV-Strahlung in 36 km Höhe = UV-Faktor 10
Text: Anke Roeder-Eckert
Fotos: Jenaplanschule Erfurt, Karina Heßland-Wissel