Juweliere staunen, Techniker zollen ihren Respekt. Was Hardy Karius da ausprobiert hat, sorgt für Aufsehen in der 3D-Branche. In den letzten Jahren haben sich die Anwendungsgebiete für das Fertigungsverfahren stetig erweitert. Aber ein einmaliges Schmuckstück aus dem frühen 14. Jahrhundert nachzubilden, das hat bisher noch niemand versucht.

Hardy Karius schon. Gemeinsam mit seinen Teamkollegen der Agentur Covermade. Er war auf der Suche nach etwas Besonderem. Die Agentur betreibt mit Erfurt MITTE einen kleinen Souvenirladen in der Nähe der Erfurter Krämerbrücke. „Hier gibt es Erfurt zum Mitnehmen“, sagt Hardy Karius scherzhaft.

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Wer mag, kann die Krämerbrücke auch in Klein mit nach Hause nehmen. Sie passt in eine Sreichholzschachtel.

Zum Beispiel die inzwischen legendäre Marke BLMNSTDKND, die – zumindest auf den T-Shirts – ganz ohne Vokale auskommt und trotzdem bei Blumenstadtkindern aus Erfurt und vielen Touristen sehr beliebt ist. Auch die Krämerbrücke für die Streichholzschachtel ist ein beliebtes Mitbringsel.

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Hardy Karius vor dem Lädchen Erfurt MITTE, das viele Erfurter Originale bereit hält.

„Ich habe mich lange gefragt, was kann DAS Symbol für Erfurt sein, die Menschen emotional mit der Stadt zu verbinden, weit über die BUGA 2021 hinaus?“, erzählt er von seinen Überlegungen. Und dann kam er auf den Erfurter Hochzeitsring, der schon etwas sehr Besonderes ist und eng mit der schönen Stadt an der Gera verknüpft ist.

„Wir wollten den Ring erlebbar machen. Die Planung war nicht einfach, schließlich sollte keine 1:1-Kopie entstehen, sondern wir wollten eine moderne Variante erschaffen.“ Ein Dreivierteljahr lang wurde getüftelt, bis das Endprodukt in einem speziellen 3D-Druckverfahren entstand.

Ein Goldschmied sorgte für den Feinschliff – alles in enger Abstimmung mit der Landeshauptstadt und dem Thüringer Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.
Den Erfurter Hochzeitsring aus dem 3D-Drucker gibt es in drei Farbvarianten: Gold, Roségold und Schwarz, 25 Gramm schwer und aus rhodiniertem Sterlingsilber.

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Den Erfurter Hochzeitsring aus dem 3D-Drucker gibt es in drei Farbvarianten: Schwarz, Gold und Roségold.

„649 Euro soll er kosten, für jedes Jahr, das er in der Erde lag, 1 Euro“, erzählt
Hardy Karius. Die Replik ist makellos und damit ganz anders als das Original aus dem wertvollen Erfurter Schatz, der 1998 bei Bauarbeiten gefunden wurde. Denn dem Erfurter Hochzeitsring, der wohl während des Erfurter Judenpogroms im Jahr 1349
vergraben wurde, sieht man die Jahrhunderte  an.

„Der Ring weist deutliche Gebrauchsspuren auf. Die Fialen sind teilweise eingedrückt, ein Teil fehlt, vermutlich, weil der Ring jahrhundertelang in der Erde lag“, erklärt Kunsthistorikerin Dr. Maria Stürzebecher, die den Erfurter Schatz wie keine andere kennt.

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Deutlich sieht man die Spuren der Jahrhunderte am Original. Die Fialen sind teilweise eingedrückt, ein Teil fehlt.

Auf den glatten Dachflächen steht in sechs gravierten hebräischen Buchstaben
die Inschrift „masel tow“, was wörtlich übersetzt „Guter Stern“ heißt und
„Viel Glück“ bedeutet. Das weist den Ring als eindeutig jüdisches Fundstück
aus. Er ist prachtvoll gestaltet. Der Goldschmied war ein wahrer Meister. Aber
auch die Qualität des Goldes sticht heraus. Nicht umsonst gilt der Erfurter
Hochzeitsring als wertvollster Teil des Erfurter Schatzes, der über 600 Fundstücke
umfasst.

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Hardy Karius mit der schwarzen Replik. Auch die Nachbildung zeigt: Das war kein Ring für den Alltag.

„Seine Funktion war zeremonieller Natur. Er wurde nicht als Schmuck, sondern lediglich während der Hochzeitszeremonie getragen“, erklärt Dr. Maria Stürzebecher, die auf noch eine weitere Besonderheit hinweist: „Innerhalb des Häuschens läuft eine kleine
goldene Kugel, die bei Bewegung einen leisen, hellen Klang erzeugt.“

Besonderheiten, die die Replik nicht bieten kann, aber auch nicht soll. „Der Erfurter Hochzeitsring soll etwas Einzigartiges bleiben“, sagt Dr. Maria Stürzebecher, die sich dennoch an der modernen Konstruktion erfreut. „Die Replik hat eine andere, ganz eigene Ästhetik“, sagt sie und hofft, dass das neuzeitliche Pendant die Menschen animiert, Erfurt und die alte Synagoge zu besuchen. Das ist auch das Ziel von Hardy Karius, der bereits Kontakt mit dem Jüdischen Museum in Berlin aufgenommen hat, um die Nachbildung dort anzubieten.

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Dr. Maria Stürzebecher kennt den Erfurter Schatz wie keine Zweite.

„Weltweit gibt es nur zwei vergleichbare mittelalterliche Hochzeitsringe dieser Art. Wenn alles klappt, holen wir den goldenen Ring aus Colmar in Frankreich und den silbernen Ring aus dem Schmuckfund von Weißenfels im Herbst zu uns nach Erfurt“, sagt Dr. Maria Stürzebecher. Der Leihvertrag mit der Moritzburg in Halle ist bereits abgeschlossen, mit dem Musée de Cluny laufen die Verhandlungen noch.

Mehr Informationen unter www.erfurt-mitte.de.

Fotos: Steve Bauerschmidt