So wie Kathrin Ansorg auf dem Sofa sitzt, würde niemand ahnen, was sie durchgemacht hat. Freundlich und zugewandt erzählt sie von ihrer Arbeit im elia e. V., geht ganz unkompliziert – und scheinbar schwerelos – mit dem schweren Thema um, das uns, die wir nicht betroffen sind, meist ganz schnell verstummen lässt. Was will man auch sagen, bei all dem Leid, der unsäglichen Trauer von Eltern, die ihr Kind verlieren. Da wird alles andere, über das man sich gerade noch geärgert hat, nebensächlich, wirkt albern und einfach nur noch lächerlich. Denn der elia e. V. kümmert sich um Familien, die von jetzt auf gleich in einen seelischen Abgrund gestürzt werden. Durch den plötzlichen Tod ihres Kindes aufgrund eines Unfalls, schwere Komplikationen bei der Geburt, die entweder zum Tod des Babys oder zu schweren Behinderungen führen.
Eine Situation, auf die niemand vorbereitet ist, eine Situation, mit der auch die Krankenhäuser oft nur schwer umgehen können. „Hier setzen wir an, helfen, begleiten von Anfang an“, sagt Kathrin Ansorg, die sich das Thema nicht ausgesucht hat, vielmehr kam es zu ihr. So wie es auf der Webseite ihres Vereins steht:
„Leben ist, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorstellen.“ (Henry Miller)
2011 wurde ihr Sohn Elia geboren, mehr tot als lebendig. Plötzliche Komplikationen unter der Geburt führten dazu, dass der Kleine über längere Zeit Sauerstoffprobleme hatte und später im Wachkoma lag. Die Leidensgeschichte von Elia ist vergleichsweise kurz, misst man es nur an der Zeit, denn er lebte nur 11 Monate.
In diesen elf Monaten aber gab es fast unausweichliche Hürden, viele Momente, in denen sie nicht weiter wussten. In dieser Zeit ist die Familie von Katrin Ansorg noch enger zusammengewachsen. „Mein Vater als Pfarrer, liebe Krankenschwestern, ein Spezialist für Intensivpflegedienst, sie alle haben uns geholfen, unser Los zu akzeptieren und Elia die kurze Zeit so schön wie möglich zu machen, aber alle waren sie aus der Familie“, erinnert sie sich. Hilfe von außen gab es nicht, weder psychologisch noch organisatorisch. Von der Klinik fühlte sie sich allein gelassen, vor die Tür gestellt. „Ich wusste so gar nicht, was jetzt auf mich zukommt, was wir tun können, es gab so gar keine Informationen“, erzählt sie. 2012 – kurz nach dem Tod ihres kleinen Sohnes – gründete sie den Verein. „Wir begleiten und unterstützen Familien, deren Kind durch Komplikationen bei der Geburt, durch Unfall oder schwere Krankheit in eine Krisensituation geraten sind. Unser Ziel ist es, von Anfang an Hilfsangebote zu vermitteln“, sagt sie. „Wir verstehen uns dabei als Ansprechpartner für die Ängste, Nöte und Fragen der Familien, denn viele wissen gar nicht, was ihnen zusteht, viele haben noch nicht einmal eine Pflegestufe für ihr schwer krankes Kind“, erzählt die Vorstandsvorsitzende des Vereins.
„Wir klären auf, schauen, was die Familie braucht und werden dann aktiv“, sagt sie. Dazu gehört auch, dass Eltern würdevoll von ihrem Kind Abschied nehmen dürfen und dafür mehr Zeit als nur fünf Minuten haben, dass auch Sternenkinder – Frühchen, deren Geburtsgewicht unter 500 Gramm liegt – das Recht auf ein Begräbnis haben, erklärt sie.
Aufklärung ist ein ganz wichtiger Aspekt ihrer Arbeit. An Fachhochschulen und anderen Bildungseinrichtungen erzählt sie von ihrer kurzen Zeit mit Elia, von der Zeit des Abschiednehmens, vom Sarg, den sie bunt angemalt haben. Immer hat sie Fotos dabei, von sich und ihrem kleinen Sohn. „Der Tod gehört zum Leben dazu, dessen müssen wir uns bewusst werden. Viele ziehen sich zurück, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Der Tod ist heute so ausgeklammert, wir müssen ihn wieder als Teil des Lebens hereinholen, aber nicht dramatisieren. Wir brauchen eine Kultur des Sterbendürfens“, sagt Kathrin Ansorg.
Im Laufe der Jahre ist der Verein gewachsen. 21 Mitglieder kümmern sich um aktuell 50 Familien, von Saalfeld über Gotha bis nach Erfurt. „Wir setzen auf professionelle Hilfe, unsere Mitglieder sind Kinderintensivpflegeschwestern, Kinderpfleger, Notfallseelsorger, wir bieten Trauerbegleitung an, kooperieren mit dem Kinderhospiz – alles komplett ehrenamtlich“, sagt sie. Eine große Stütze ist ihr dabei Evelyn Schuchardt. Sie koordiniert die Anfragen, ist die Schnittstelle, wenn es um konkrete Hilfen geht. Auch Evelyn weiß, wovon sie spricht. Sie hat auf tragische Weise zwei ihrer Kinder verloren, im Laufe weniger Jahre, und trotzdem will sie anderen Eltern durch die schwere Zeit helfen: „Niemand sollte in einer solchen Situation allein sein“, sagt sie.
Warum wir über den Verein berichten? Unsere Mitarbeiter haben 3210 Euro für den elia e.V. gespendet. Das Geld stammt aus dem Verkauf der Eintrittskarten für die Mitarbeiterfeier der Stadtwerker. Jedes Jahr geht es an einen anderen Verein, der sich sozial engagiert.
Mehr zum elia e. V. gibt es im Internet.
Titelbild: Arifur Rahman Tushar, Pixabay
Foto Ansorg: Hannes Schauerhammer