„Die Tür hat der doch mit Absicht zugemacht!“ „Warum kann der nicht rechtzeitig bremsen?“, Kommentare, die Valerio Block regelmäßig hört, wenn er mit der Straßenbahn unterwegs ist. Seit 2009 ist er bei der EVAG, hat hier seine Ausbildung als FiF (zu deutsch: Fachkraft im Fahrbetrieb) gemacht. Für uns macht Valerio eine Ausnahme und erzählt, was Fahrer tagtäglich erleben, wenn sie mit Bus und Bahn in Erfurt unterwegs sind.

Immer wieder regen sich Leute auf, egal ob an der Haltestelle oder direkt in der Bahn. Aber hat sich schon mal einer gefragt, wie die andere Seite der Medaille aussieht? Denn auch die Fahrer hätten einiges zu sagen, sie tun es nur nicht. Im Bekanntenkreis ja, aber öffentlich?

„Viele sind sehr leichtsinnig, vor allem junge Leute. An der Gropiusschule sitzen sie mit den Füßen im Gleisbett. Das ist lebensgefährlich“, sagt der 35-Jährige. Meistens sind es Berufsschüler, die auf cool machen. Dabei kann der Fahrer sie erst im letzten Moment sehen, denn die Bahn fährt durch eine langgezogene Kurve, erzählt Valerio. „Wir wissen das, schließlich reden wir ja miteinander, und fahren schon langsamer, damit nicht doch noch was passiert“, sagt er. „Das Verrückte ist, dass sie oft gar nicht merken, in welcher Gefahr sie sind. Wenn wir vorher anhalten und klingeln, gibt es noch markige Sprüche…“

Manch ein Autofahrer bringt sich und andere in Gefahr, vor allem, wenn beim Abbiegen die Gleise überquert werden müssen. „Hier würde ich mich freuen, wenn einmal mehr in den Rückspiegel geschaut würde“, sagt Valerio. Oder auch beim Ausparken am Ilversgehofener Platz oder direkt an der Wendenstraße kracht es regelmäßig. In solchen Situationen bleibt es meist nicht nur beim Blechschaden. „Bei einer Gefahrenbremsung passiert es oft, dass unsere Fahrgäste in der Bahn stürzen.“

Sicherheit im Straßenbahnverkehr
Gefährlich wird’s wenn Autofahrer unerlaubt die Gleise queren.

In der Windhorststraße sieht er sich regelmäßig Auge in Auge mit Autofahrern. Dort ist zwar ein Stoppschild, aber sie stehen oft direkt im Gleisbereich. „Regelmäßig gibt es blöde Blicke. Manche zeigen sogar den Finger, wenn man klingelt. Dabei wollen wir nicht provozieren, sondern wollen nur zeigen, ‚das ist gefährlich, pass auf‘“, sagt er.

Sicherheit im Straßenbahnverkehr
Valerio Block liebt seinen Job, wünscht sich aber auch mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr.

„Am Anger laufen die Fußgänger direkt über die Gleise, schauen nicht nach links oder rechts. Dabei kommt oft schon der Gegenzug und das kann ganz schön brenzlig werden“, erzählt Valerio, dem das im Schnitt zweimal am Tag passiert. „Klar stellt man sich darauf ein und passt besonders auf, aber wir sind auch nur Menschen“, sagt er. „Viele unterschätzen die Geschwindigkeit der Bahnen oder denken, wir kriegen sie so einfach zum Stehen. Aber mal ehrlich, 50 Tonnen, wie soll man die so schnell zum Halten kriegen?“

Im Bahnhofstunnel hat er schon einiges mit Radfahrern erlebt. „Wenn man in den Tunnel reinfährt, muss man besonders vorsichtig sein“, berichtet er. Der Kontrast von hell zu dunkel ist echt heftig, vor allem, wenn die Sonne scheint. Hier sind Radfahrer besonders rücksichtslos, dabei dürften sie hier gar nicht unterwegs sein, sondern sollten absteigen, denn der Tunnel ist hochfrequentiert: von Bussen, Bahnen, Fußgängern.

„Einmal war ich dabei, als ein Radfahrer in zwei Kinder reingedonnert ist“, erinnert er sich und sagt: „Auch wenn es keiner glaubt, wir sind froh, wenn wir mal eine Runde ohne Zwischenfälle fahren können, leider kommt das selten vor. Es ist ein Wunder, dass so wenig passiert“, sagt Valerio, der nach Dienstschluss im Schnitt ein bis zwei Stunden braucht, um wieder runterzukommen. So angespannt ist er während der Fahrt.

Es ist Zeit für ein Umdenken im Kopf, findet er. „Dienstlich habe ich ja wenig Kontakt zu den Fahrgästen, höchstens mal an der Endhaltestelle. Aber privat versuche ich schon, die Dinge geradezurücken, wenn das Gespräch drauf kommt“, sagt er.

Fotos: Steve Bauerschmidt