Monika Rettig freut sich auf Ijoma Mangold, Dirk Löhr fiebert dem Highslammer – erstmals im Kaisersaal – entgegen. Und die Erfurter? Die warten auf den Start des Vorverkaufs zur Herbstlese 2017. Samstag geht es los. Wir haben schon mal geschaut, was im Programm steht.
Eins ist klar: Beim diesjährigen Motto „Geld oder Leben“ ist alles möglich. Politischer Diskurs, zarte Belletristik. Wenn es nach Dirk Löhr, Vorsitzender des Herbstlesevereins, geht, ist sogar Westernfeeling drin. Schließlich geht es bei dem Slogan immer irgendwie darum, sich ganz schnell für etwas zu entscheiden.
Ob es immer das Richtige ist, sei dahingestellt. Das sieht man in der aktuellen Politik, das spiegelt auch die Erfurter Herbstlese wider, die sich weitab der klassischen Wasserglas-Lesung sieht und auch ungewöhnliche Formate zulässt: im Kultur: Haus Dacheröden, dem neuen Domiizil des Vereins, aber auch in der Stadt mit allen lieb gewordenen Veranstaltungsorten. Denn nach wie vor ist die renommierte Lesereihe ein Erfurter Phänomen und soll es auch bleiben.
66 Lesungen waren geplant, eine musste Programmchefin Monika Rettig schon jetzt von der Liste streichen. John Boyne kommt nicht. Er hat seine Lesetour komplett abgesagt, spendet seinem schwerkranken Bruder eine Niere. „Der Junge auf dem Berg“ ist dennoch ein Buch für nachdenkliche Leute ab 14, das man gelesen haben muss. Die Parabel um die politische Verführbarkeit des Menschen an sich ist aktueller denn je. John Boyne schreibt über den 7-jährigen Waisen Pierrot aus Paris, der zu seiner Tante nach Deutschland zieht, die auf einem Anwesen arbeitet. Hausherr ist niemand anders als Adolf Hitler.
Doch genug von Lesungen, die in diesem Jahr nicht stattfinden. Viele andere harren ihrer Besucher. Da wäre Wilhelm Schmid am 22. Oktober im Atrium der Stadtwerke mit „Das Leben verstehen. Von den Erfahrungen eines philosophischen Seelsorgers“. Ulrich Wickert kommt am 26. Oktober mit „Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen“. Rafik Schami gibt sich am 28. Oktober die Ehre. (Auch diese beiden Herren werden das Atrium der Stadtwerke mit Leichtigkeit füllen.) Freunden der großen Erzähltradition steht ein berauschender Abend bevor. Rafik Schami nimmt die Besucher nicht nur mit auf eine Reise in seine Kindheit, sondern wird an diesem Abend auch für das Buch „Suppen für Syrien“ begeistern. Er hat das Vorwort für die deutsche Ausgabe geschrieben, in dem die Fotografin und Kochbuchautorin Barbara Abdeni Massaad internationale Suppenrezepte zusammengetragen hat – allesamt von international bekannten Köchen. Der Erlös des Buches geht zu 100 Prozent an den „Schams e. V“, um syrischen Flüchtlingskindern zu helfen.
„Ein Leben ist zu wenig“. Davon ist Gregor Gysi nicht nur überzeugt. So lautet auch der Titel seiner Autobiographie. Freunde lebendiger Diskussionen können sich am 29. Oktober auf einen spannenden Abend mit dem charismatischen Politiker freuen. Die Moderation im Theater Erfurt übernimmt Hans-Dietrich Schütt.
Zwei Literatur-Nobelpreisträger geben sich in diesem Jahr zur Herbstlese die Ehre: Herta Müller persönlich mit einem Exkurs durch ihr litarisches Werk. Heinrich Böll posthum: Anlässlich seines 100. Geburtstages sind im Kultur: Haus Dacheröden zwei Ausstellungen um den Intellektuellen par excellence zu sehen, die den Autor in Werk und Mensch zeigen. René Böll (Künstler, Sprecher der Erbengemeinschaft und Sohn Heinrich Bölls) wird am 27. Oktober zur Vernissage der Heinrich-Böll-Ausstellung „Einmischung erwünscht. Eine künstlerische Spurensuche“ erwartet. Freuen Sie sich auf einen Spaziergang mit ihm zu Orten, die auch im „Irischen Tagebuch“ von Heinrich Böll auftauchen, ergänzt durch persönliche Erinnerungen. Nicht zu vergessen die Heinrich-Böll-Nacht am 4. November im Dacheröden: eine Collage zum 100. Geburtstag des großen Schriftstellers und Gesellschaftskritikers.
Mit Sven Regener am 25. November und Ingo Schulze am 20. November geben sich zwei Anwärter auf den Deutschen Buchpreis die Ehre. Sie haben es auf die Longlist geschafft.
Die Astrophysikerin Sybille Anderl weiß verdammt viel und kann es auch noch spannend erklären. Am 7. November erzählt sie aus „Das Universum und ich. Die Philosphie der Astrophysik“ im Auditorium des Helios Klinikums.
Natürlich kommen auch Krimifans auf ihre Kosten. Arno Strobel ist am 10. Oktober mit dem Auftakt seiner neuen Triller-Trilogie um den blutjungen Oberkommissar Max Bischoff bei Hugendubel zu Gast. Freuen Sie sich auf Nervenkitzel „Im Kopf des Mörders“. Felix Leibrock präsentiert am 6. Oktober im Flughafen seinen dritten Weimar-Krimi.
„Der Sinn des Todes“ steht am 11. November im Zentrum der Lesung mit Val McDermid im Ratsgymnasium. Der südafrikanische Bestseller-Autor Deon Meyer zeigt am 4. Oktober im Dacheröden, dass er nicht nur Krimis, sondern auch ganz anders kann. In „Fever“entwirft er ein düsteres Endzeitszenario. Darin sind mehr als 90 Prozent der Menschen einer tödlichen Grippe zum Opfer gefallen. Meisterhaft erzählt der Autor, wie Humanisten versuchen, ein neues Miteinander aufzubauen, während rivalisierende Banden ums Überleben kämpfen.
Jan Weiler hat am 16. November im Theater Erfurt neue witzige Geschichten rund um das ewig schlafende Pubertier zu verkünden. Kerstin Gier schlägt am 17. November im Ratsgymnasium mit „Wolkenschloss“ sicher nicht nur junge Leser in ihren Bann. Paul Maar & Capella Antiqua begeistern Kinder mit „Neuem vom fliegenden Kamel“: einer wunderbaren literarisch-musikalischen Reise mit Musikstücken aus arabischen Landen, präsentiert am 18. November im Kaisersaal.
Gibt es dieses Jahr eine Gold Card?
Ja. Mehr dazu erfahren Bücherfreunde, die am liebsten zu jeder Lesung dabei sein wollen, ab 9. September im SWE Journal der Stadtwerke Erfurt. Die Zeitschrift liegt an diesem Tag TA, TLZ und BILD bei und ist auch direkt bei den Stadtwerken zu haben (Kundenzentrum, EVAG-Mobililtätszentrum am Anger, Schwimmhallen, egapark, Stöberhaus).
Breit gefächert ist das Programm der Erfurter Herbstlese. Den Abschluss macht wie immer Denis Scheck. Am 10. Dezember nimmt er Bücherfreunde im Theater Erfurt mit auf die literarische Reise. Mehr zum Programm gibt es hier.