Dunkle Wolken ziehen über Erfurt auf. Sie sind dunkler als die blauen Pfeiler der Pappelstiegbrücke. Auf der Brücke treffen sich die Teilnehmer der „Entdeckertour Geraaue“. Einige schauen skeptisch in den Himmel und merken dabei gar nicht, dass sie mitten im Weg stehen. Dafür werden sie von Radfahrern böse angeklingelt. Stephan Zänker, einer unserer Guides, bittet alle Entdecker darum rasch, ihm unter die Brücke zu folgen. Marcel Glebe, der uns ebenfalls führen wird, warnt: „Aber Sie betreten eine Baustelle – und das auf eigene Gefahr!“ Vorsichtig steigen wir über den aufgewühlten Boden hinab. Es ist matschig und man muss aufpassen, wohin man tritt. Alle 30 Leute kommen gut unter der Brücke an. Die Gera rauscht vorbei. Wir stehen direkt am Fluss. Einige Meter über uns spannt sich die Brücke über das Flusstal. Ein Stück flussaufwärts kämpft ein Kanute gegen die Strömung. Die Gruppe rückt zusammen.

Die wichtigen Leute
Die Verantwortlichen stellen sich vor. Stephan Zänker ist von der Initiative Geraaue, die die Touren organisiert. Marcel Glebe gehört zur Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG). Dr. Rüdiger Kirsten ist der BUGA-Projektleiter der Stadt. Marcel Glebe steht ganz vorn. „Hier ist der Fluss wieder richtig erlebbar und so natürlich, wie er sein muss. Und dabei achten wir auch noch auf den Hochwasserschutz.“ Große Stufen säumen das Ufer ein, das extra abgesenkt wurde. Wer mag, kann sich künftig darauf sonnen. Direkt an der Gera. Gegenüber sind Nistkästen für den Eisvogel versteckt. Und weiter hinten, wo sich riesige Erdhaufen breitmachen, wird ein Spielplatz entstehen. „Da rennen die Kinder doch zum Wasser und fallen rein“, meint eine Frau erschrocken. „So tief ist die Gera nicht“, beruhigt sie Rüdiger Kirsten.
Alles soll noch begrünt werden, und Bäume werden gepflanzt. Solche, die hierher gehören – wie die Schwarzpappeln. Marcel Glebe zeigt zwei mächtige Exemplare auf dem Weg zur nächsten Station. Sie stehen am anderen Ufer vor dem alten Klärwerk, von dem man kaum noch etwas sieht. Die Brache dort ist noch abgesperrt. Doch man hat Großes mit ihr vor. Rüdiger Kirsten träumt von einem Gera-Strand, der da entstehen könnte – mit einem Biergarten gleich nebenan, wenn die Betreiber des Sportlerheims „Zum alten Pumpenhaus“ mitspielen.

Eine Brücke für den Garten
Über uns türmen sich weiter dunkle Wolken auf, aber die Tour geht weiter. Stephan Zänker schaut auf die Uhr. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Noch liegt mehr als die halbe Strecke vor uns. Die Entdecker landen an der Riethstraße. Eine alte Brücke führt hier über die Gera. Eine Brücke, die es nicht mehr lange machen wird. Sie muss komplett ersetzt werden. „Und was passiert mit der alten Brücke?“, fragt einer aus der Gruppe. „Als Brücke kann man sie nicht mehr verwenden. Aber Sie können sie gern für ihren Garten haben“, antwortet Rüdiger Kirsten. Alle lachen.
Wir passieren das Bauwerk und stehen an der Radrennbahn. Auf der Flussseite der Bahn wird es künftig nur noch für Radfahrer und Fußgänger weitergehen. Hinter der Bahn werden Häuser gebaut. Das Tierheim neben der Bahn bleibt, der alte Garagagenstandort allerdings nicht. Rüdiger Kirsten nennt vage 2018 als Termin. Dann sollen die Garagen abgerissen werden. Sie machen Platz für eine Auenlandschaft. Mit Möglichkeiten für Fitness und Freizeit. Was das ist, will eine Frau wissen. „Na ein Bolzplatz zum Beispiel. Und dahinten wird es eine Hundewiese geben!“ Rüdiger Kirsten reckt den Arm. Marcel Glebe schweigt derweil, all dies sind Angelegenheiten der Stadt. Seine Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie gehört zum Freistaat. Da sind die Zuständigkeiten klar geklärt. Er wird erst kurz vor der Straße der Nationen wieder übernehmen. Wenn wir am Ende der Tour ein kleines grünes Paradies erreichen – wo man ahnen kann, wie die Geraaue mal aussehen wird.

Ein Piep unterwegs
Bis dahin ist es noch ein Stückchen Weg. Als wir die Warschauer Straße überqueren, schaffen wir das nicht als Gruppe. Zu viel Verkehr – und eine Ampel, die zu schnell wieder auf Rot schaltet. Da kann man sich nur freuen, wenn es hier in Zukunft eine Unterführung geben wird. Das ist das Ziel, erklärt der BUGA-Projektleiter der Stadt. „Hier kommt man dann mal barrierefrei oder barrierearm von der Innenstadt bis in die Landschaft hinter Gispersleben.“
Am stillgelegten Sportplatz auf der anderen Seite warten die Entdecker, bis wieder alle beisammen sind. Stephan Zänker passt auf und zählt kurz durch. Dann präsentieren die Tourleiter die nächste Vision: Der Berliner Platz verändert sich. Der Sportplatz verwandelt sich in eine Parkanlage – und an deren Rand entstehen neue Gebäude mit über 100 Wohnungen. In Terrassen erreicht man von dort aus die Gera. Bis es soweit ist, dauert es noch ein paar Jahre. Wir stehen staunend auf dem Weg und versperren ihn. Ein älterer Herr auf einem Rad zeigt der Gruppe einen Vogel und fährt dann aufgeregt weiter. Wir folgen ihm. Aber er ist natürlich schnell weg.

Der große Auftritt
Als wir dann die kleine Parkanlage vor der Straße der Nationen erreichen, kommt Marcel Grebes großer Auftritt. Hier hat die TLUG die Gera schon komplett umgestaltet – mit Wiesen, Bäumen und Hügeln. Es sieht fast wie im Auenland aus. Gleich biegt Frodo um die Ecke. Enten schnattern, Amseln singen. Ihnen gehört die kleine Insel mitten im Fluss. „Über 500 Fuhren Erde haben wir hier weggenommen, dass man den Fluss überhaupt sehen kann. Und ja, es mussten einige alte Bäume gefällt werden.“ Marcel Grebe erzählt, dass das bei den Leuten zunächst gar nicht gut ankam. „Die dachten wirklich, wir machen das, um das Holz zu verkaufen und damit Geld zu verdienen.“ Alle in der Entdeckergruppe schütteln die Köpfe. „Erst als die Leute gesehen haben, was hier entsteht, ist die Stimmung besser geworden“, erinnert er sich. Das war 2012. Längst sind die neuen Liegeflächen am Fluss von den Anwohnern angenommen worden. Sogar jetzt sitzen ein paar Jugendliche am Wasser. Weil unsere Gruppe nicht gleich weiterzieht, drehen sie die Musik auf.
Das stört uns aber nicht. Stephan Zänker guckt auf die Uhr: Zweieinhalb Stunden sind um, die „Entdeckertour Geraaue“ ist ohnehin vorbei. „Eigentlich fängt sie hier erst an – und führt nach Gispersleben“, erklärt er, „Aber diesmal wollten wir uns den vorderen Teil anschauen.“

Der Wald von Gispersleben
In Gisperleben ist das alte Kraftwerk verschwunden. Ein riesiger Park entsteht an der neuen Flussschleife. „Gispersleben ist toll“, schwärmt Marcel Grebe. „Da werden gerade für 200.000 Euro Bäume eingepflanzt. Das müssen Hunderte sein. Bis zur BUGA steht da ein Wald!“
Den heben wir uns für das nächste Mal auf. Inzwischen ist es Abend geworden. Zum Glück hat es nicht geregnet, obwohl es ganz danach aussah. Die Entdecker klatschen für die vielen Erklärungen – jeder weiß jetzt etwas mehr. Mit einem guten Gefühl geht es heim.
Die nächsten Touren
Die „Entdeckertour Geraaue“ wird fortgesetzt. Wann und wo? Das ist bei der Initiative Geraaue zu erfahren. Oder telefonisch bei der WBG Zukunft unter 0361 – 74 07 91 00.