Dass Hildegard Kretzschmar gerne Krimis liest, ist mehr oder weniger klar. Muss sie auch. Schließlich ist sie die Miss Marple von Erfurt. Zwar klärt sie keine Verbrechen auf, dafür kennt sie jedoch jede Menge schaurige Geschichten. Am 31. März ist sie wieder mit dem Katerexpress der EVAG auf Tour durch Erfurt.
Die 69-Jährige liebt nichts mehr, als in alten Kriminalfällen zu graben. Und dabei geht sie – ganz wie ihre berühmte Namensvetterin – sehr subtil vor. Anders als Margaret Rutherford – die erste und recht burschikose Darstellerin der legendären Romanfigur, setzt Hildegard Kretzschmar auf den gewitzten und eher diskreten Charme der Hobbydetektivin und hält sich damit eng an die Romanvorlage von Agatha Christie.

Wenn die sympathische Dame mit Hut, Cape und nettem Lächeln in den Katerexpress einsteigt, rechnet man vielleicht mit einer gemütlichen Fahrt durch Erfurt, nicht aber mit den Abgründigkeiten, die Hildegard Kretzschmar zu bieten hat. Die holt sie sich zum einen aus der täglichen, sehr intensiven Zeitungslektüre, „einem der wichtigsten Arbeitsmittel eines Stadtführers“, wie sie sagt. Aber auch die Krimis rund um Thüringer Kriminalfälle hat die Stadtführerin aus Leidenschaft regelrecht verschlungen. Gewürzt werden die dunklen Details aus Erfurts Vergangenheit mit Erinnerungen eines pensionierten Polizeibeamten, der praktischerweise ihr Ehemann ist. Das finden die Fahrgäste immer unerhört spannend.

Seit mehr als zehn Jahren ist sie als Miss Marple mit dem Katerexpress der EVAG unterwegs. Detlef Kabbe hat die thematischen Touren einst gemeinsam mit den Erfurter Verkehrsbetrieben entwickelt. Die beiden sind ein gutes Team, denn sie verbindet nicht nur die Liebe zur Erfurter Historie, sondern auch die Geduld, in alten Archiven zu stöbern, Histörchen auszugraben und in spannende Geschichten zu verpacken.
Eine Stunde dauert die Krimi-Tour durch die Stadt, die keine Rundfahrt im klassischen Sinne ist. Los geht es am Domplatz, wo einst das Henkerhäuschen stand. Schaurige Geschichten weiß sie über den Rabenstein und den Galgenberg in Richtung Ringelberg zu erzählen. Hier wurden viele Unglückliche im Mittelalter hingerichtet. Viele Legenden ranken sich um die Richtstätte. Und nur zu gern erklärt Miss Marple neugierigen Reisenden, dass Kinder einst das Blut Gehenkter trinken mussten, da es als unschlagbares Stärkungsmittel galt. Da bekommt die Bloody Mary, die es zur schaurigen Fahrt dazugibt, gleich eine ganz neue Bedeutung.
„Die ganze Stadt hat so viel zu bieten. Überall gibt es Drachen und Teufel und alte Geschichten, die ich den Leuten näherbringen will“, erzählt sie. Anfangs hat sie sich die Stichworte noch in die Hand geschrieben, was heute keiner mehr glauben mag. Denn Hildegard Kretzschmar schöpft aus einem unglaublichen Arsenal, das sie sich im Laufe ihrer über 30-jährigen Arbeit als Stadtführerin geschaffen hat. Wer mit ihr unterwegs ist, erfährt, dass es bis 1850 öffentliche Hinrichtungen am Galgenberg gab oder dass hinter dem Domberg ein rätselhaftes Kellergrab liegt, das an die preußische Belagerung der Stadt erinnert.
Wann und wo beginnt die Tour mit Miss Marple?
Die Tour startet am 1. November jeweils 17, 18:30 und 20 Uhr an der Haltestelle Domplatz-Süd, Stadtrundfahrt. Tickets gibt es im EVAG-Mobilitätszentrum am Anger, in den Vorverkaufsstellen des Ticketshop Thüringen sowie online unter www.ticketshop-thueringen.de zum Preis von 15 Euro inklusive einem Longdrink. Restkarten direkt am Fahrzeug.
Fotos: Steve Bauerschmidt