Es ist kurz vor 9 Uhr an einem kühlen Tag im November. Der graue Dunst hängt noch in den Straßen. Die Leute in der Erfurter Innenstadt haben ihre Gesichter unter Kapuzen und dicken Schals vergraben. Sie sind mit schnellen Schritten unterwegs und sehen hektisch aus. Vermutlich sind sie auf dem Weg zur Arbeit, haben die Kinder zum Kindergarten gebracht oder müssen ganz Wichtiges in der Stadt besorgen.

Ich stehe auf der Schlösserbrücke und wende meinen Blick von der Hektik in der Fußgängerzone runter auf die Gera. Der Fluss fließt kühl und entschlossen vor sich hin. Ein paar Enten sind zu sehen und machen das, was Enten eben so machen. Dann fällt mir ein unscheinbarer Herr auf. Er stapft mit Gummistiefeln durch die Gera. Seelenruhig. Tiefenentspannt. Und mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Wie es der Zufall wollte, war ich genau mit diesem Mann verabredet 😉 Alles, was ich wusste war, dass er sich um die sogenannten Schiffchen in der Gera kümmert. Schätzungsweise 97,5% der Erfurter kennen diese Blumenkübel im Erfurter Flüsschen. Warum sie dort stehen, wer sie pflegt, dass ist wohl ein kleines Geheimnis. Bis jetzt…

Seit 2003 gibt es insgesamt 12 Schiffchen auf der Gera zu bestaunen. Sie bestehen aus einem mit Erde gefülltem Kübel, dem Teller, vier Beinen und natürlich reichlich Blumen. Die Schiffchen sind Überbleibsel der Entente Florale. Gemeinsam aufblühen – ein bundesweiter Wettbewerb zur lebendigen Gestaltung der Stadt mit Grün und Blumen. Die Stadt Erfurt, Unternehmen und viele Einwohner nahmen daran teil. Es entstanden zahlreiche Grünflächen, unter anderem die besagten Schiffchen. Den Erfurtern gefiel ihre Flussbepflanzung so gut, dass sie auch nach 2003 erhalten bleiben sollten.

Gut, dass es Menschen wie Egon Ehlers gibt! Er ist der Herr der Schiffchen, kümmert sich hingebungsvoll um seine Babys. Egon ist 77 Jahre (!) jung und stammt aus einer alten Gärtner-Dynastie aus Mark Brandenburg. „Der Gärtnerberuf ist der schönste Beruf von allen“, weiß Egon Ehlers zu berichten. Schon sein Vater predigte diesen Satz. Von ihm hat er die Leidenschaft für Blumen geerbt.

Für ein Studium kam er 1961 nach Erfurt. Hier fand dann zusammen, was zusammengehört: Egon und der egapark. Von 1967 bis 2004 arbeitete er dort als Diplom-Gartenbauingenieur. Und dann? Ruhestand? Fehlanzeige! Seitdem engagiert er sich intensiv bei den egapark-Freunden. Der Verein hat die Pflege der Erfurter Schiffchen übernommen. Um die 70 Stunden pro Jahr verbringen die Blumenliebhaber mit den Schmuckstücken.

„Heute machen wir sie winterfest“, ruft mir Egon vom Fluss aus zu. Die Sommerbepflanzung kommt weg. Jetzt nehmen Lohrbeer, rosa Knallerbsensträucher, verschiedene Gräser, Reisig und Birkenstämme auf den Schiffchen platz. „Insgesamt sechs verschiedene Bepflanzungen gibt es. Zwei Schiffchen sollen immer gleich aussehen“, sagt er und lächelte.

Die Schiffchen sind für Egon Ehlers ein Segen: „Ein Leben ohne Schiffchen möchte ich mir nicht vorstellen. Immer, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, statte ich ihnen einen Besuch ab.“ Sobald er über seine Schiffchen spricht, funkeln seine Augen. Es sind die einfachen Dinge, die ihn glücklich machen. „Außerdem bleibt man jung“, sagt er. Wenn ich ihn so sehe und zuhöre, glaube ich das auf’s Wort…