Das Bild von Israel ist oft von einer obsessiven Voreingenommenheit geprägt. Die Rede ist vom Apartheitsstaat oder davon, dass jeder arabische Israeli ein potentieller Terrorist ist und den Staat Israel ablehnt. Jede Handlung Israels obliegt einer genaueren Beobachtung und Wertung als die jedes anderen Landes auf der Welt. Während schnell friedensbewegte Menschen auf die Straßen gehen, wenn Israel auf Raketenangriffe vom Gazastreifen mit Luftschlägen antwortet – wobei in der Regel Zivilisten per Anruf oder per Rakete ohne Sprengkopf gewarnt werden – interessiert der Abwurf von Fass- und Streubomben auf Wohngebiete Aleppos weit weniger Menschen.

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Es gibt nicht den Israeli

Im Atrium der Erfurter Stadtwerke gibt es jetzt eine Ausstellung zu sehen, die dem Schwarz/Weiß der Israel-Wahrnehmung nun Grautöne hinzufügt. Nicht nur das. Die Ausstellung gibt Hoffnung.

Wer weiß schon, dass Araber in israelischer Armeeuniform im Norden des besetzten Westjordanlands in der Umgebung der Siedlung Mavo Dotan für die Sicherheit verantwortlich sind. Sie kommen hier Tag für Tag mit radikalen Siedlern und Palästinensern in Berührung, die sich nicht bekämpfen, sondern die sie beide gleichermaßen schützen sollen! Oder wer weiß, dass Araber den Staat Israel als Botschafter oder als Konsul repräsentieren. Das sind Extrembeispiele, die schnell Vorurteile zerstören.

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Vorurteil arabischer Israelis
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Vorurteil jüdischer Israelis

Die Israelische Unabhängigkeitserklärung deklariert, dass der Staat Israel all seinen Bürgern unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht Religionsfreiheit, Gewissensfreiheit und das Recht auf ihre Sprache und Kultur sowie auf Bildung garantiert.

Die Beispiele und die Gesetzeslage können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis der jüdischen und arabischen Bevölkerung in Israel immer latent angespannt ist. Die schlimmsten Auswirkungen sind in der sogenannten Messer-Intifada besonders deutlich zu spüren.

Auf dem Gebiet Israels leben heute mehr Araber als vor der Gründung des Staates. Rund 20 Prozent der Bewohner Israels sind arabische Muslime. Zwar sind sie de jure gleichberechtigt, fühlen sich im israelischen Alltag zu oft als Bürger zweiter Klasse und beklagen eine Ungleichbehandlung gegenüber den jüdischen Israelis. Ähnlich ergeht es aber auch den Schwarzen oder den Latinos in den USA.

Das hat viele Ursachen. Manche sind in dieser Gesellschaft selbst verankert, andere darin, dass sie Araber sind, mit dem Israel einen mehr als hundert Jahre alten Existenzkampf austrägt.

Ziel der Ausstellung „Schau mich an! – Begegnung in Israel“ ist es, das schwierige Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Israel darzustellen und zu zeigen, wie die Weiterbildungsinstitution Givat Haviva in Israel es schafft, Jahr für Jahr tausende von arabischen und jüdischen Israelis durch die Programme des Zentrums für Frieden und Versöhnung zusammenzubringen zu gemeinsamen Aktivitäten und Diskussionen. Für den Repräsentant von Givat Haviva in Europa, Torsten Reibold, ist der gemeinsame Blick auf die Zukunft wichtig. Diesen bekomme man, wenn man Vorurteile abbaut und sich auf Augenhöhe begegnet.

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Repräsentant von Givat Haviva in Europa, Torsten Reibold

Im ersten Teil der Ausstellung werden in den beiden Eingängen die gegenseitigen Vorurteile, der Hass aufeinander, aber auch die Angst voreinander thematisiert. Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung lernen so die völlig unterschiedlichen Sichtweisen kennen, die beide Bevölkerungsgruppen auf die gleiche, nämlich die israelische, Gesellschaft haben. An der Stirnseite der Ausstellung, dort wo beide Zugänge zusammenkommen, wird dann gezeigt, wie die Erfahrungen, die vor allem Jugendliche in Givat Haviva machen, dazu führen, dass sich das Zerrbild, das man voneinander hatte, verändert und dass bei vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch die Seminare in Givat Haviva ein Lernprozess angestoßen wurde, der oftmals bestimmend für ihr weiteres Leben ist.

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Diese Idee des miteinander Redens verfolgt die Initiative Givat Haviva – 1949 von der Kibbuz-Bewegung gegründet, die ja Freiheit und Gleichheit propagiert und dann aber einen Widerspruch feststellte zu der Ungleichheit zwischen jüdischen Israelis und Arabern.

Und so fing man bei Givat Haviva an, die Verständigung zu suchen. Für dieses Engagement wurde die Organisation mehrfach ausgezeichnet. Wenn man miteinander redet und sich kennenlernt, am besten schon im Kindesalter, dann bekämpft man sich nicht, so das Motiv.

Die Organisation ist nach der Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus Haviva Reik benannt.

Webseite: http://www.givat-haviva.de/