Obwohl seit Anfang des Jahres offiziell im Ruhestand, kann es der 62-jährige Kfz-Schlosser Reiner Hoffmann nicht lassen: Er muss alle paar Wochen nach seinen Babys schauen. Es sind sieben an der Zahl. Alle orangefarben. Das älteste ist bereits 46 Jahre und kommt aus der ehemaligen Tschechoslowakei. Zeitgleich traten beide den Dienst 1970 im volkseigenem Betrieb Stadtwirtschaft an, dem Entsorgungsunternehmen der Stadt Erfurt. Reiner Hoffmann begann seine Kfz-Schlosser-Lehre und der 150 PS starke Tscheche wurde als Entsorgungsfahrzeug eingesetzt. Es ist ein Skoda. Bis heute sind sie in einer innigen Freundschaft verbunden.

„Ich lasse ungern andere mit dem alten Skoda fahren. Das können auch nur noch wenige“, erzählt Reiner Hoffmann in etwas eifersüchtigem Ton im Büro der Werkstatt. Es habe sich in den Jahren doch einiges geändert. Zwischenkuppeln, Zwischengas, pneumatische Lenkhilfe – alles längst Geschichte. Zwischen dem Fahren heutiger Entsorgungsfahrzeuge und den aus den 70ern liegen Welten. „Wer das nicht weiß, kriegt keinen Gang rein“, sagt er.
Die alte Technik soll aber nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb wird sie liebevoll gepflegt. Zu verdanken ist der Erhalt des Skodas einem Zufall. Nach der Wende ersetzte die Stadtwirtschaft nach und nach die alten Skodas, aber auch die tschechischen Nachfolge-Modelle LIAZ durch „neue alte“ Fahrzeuge – Spenden aus den alten Bundesländern. Die Schrottpresse wurde für viele zur Endstation nach einem langen Arbeitsleben. Doch ein Skoda wurde „übersehen“. Er parkte woanders, an den Streusalzsäulen in der Eugen-Richter-Straße und nicht im Betriebshof. „Unser Glück“, meint Reiner Hoffmann. Der Werkstattmeister a. D. spricht von den alten Fahrzeugen wie von alten Kollegen: „Was mit dem Skoda machen? Meine Werkstattkollegen und ich brachten es nicht übers Herz, den letzten Müll-Skoda zu verschrotten.“ Er wurde liebevoll wieder flott gemacht und fährt bis heute, obwohl er immer mal eine Starthilfe braucht.

Nach und nach kamen andere Fahrzeuge hinzu und die Oldtimerflotte der heutigen SWE Stadtwirtschaft GmbH wuchs. Ein Skoda-Nachfolgemodell, der LIAZ, wurde zum Beispiel in einem Azubi-Projekt neu aufgebaut. Reiner Hoffmann sieht die Traditionspflege auch als Teil der Ausbildung: „Der Vorteil am LIAZ und am älteren Skoda ist: Man kann noch gut erkennen, wie ein LKW aufgebaut ist. Die heutigen Modelle sind mit Elektronik vollgestopft.“ Inzwischen umfasst die Oldtimerflotte einen Barkas B 1000 Transporter, einen weiteren Skoda, aber als Wassersprengwagen, ein IFA Straßenreinigungsfahrzeug, ein W 50 Winterdienstfahrtzeug, ein LIAZ Entsorgungsfahrzeug und ein W 50 Containerdienstfahrzeug.

Unterstützung bekommt der alte Hase Hoffmann von den jungen Kollegen Martin Hellmuth und Max Weiß – beide Kfz-Mechatroniker. Sie halten ein Auge auf die Schätze und sorgen auch für die Einsatzbereitschaft.

Die Maschinen müssen aber keinen Abfall einsammeln oder die Straße reinigen. Sie wollen bestaunt werden und das werden sie, ob auf Veranstaltungen der Oldtimerfreunde Erfurt e.V. oder auf Veranstaltungen der Stadtwerke Erfurt Gruppe. Das Erscheinen der Fahrzeuge spricht sich in der Fangemeinde schnell rum, da werden auch mal ein paar hundert Kilometer Anfahrt in Kauf genommen, wie letztens beim Tag der offenen Tür des Nahverkehrsunternehmens EVAG. „Fans aus dem Spreewald kamen extra, um die alten Fahrzeuge zu sehen“, erzählt Reiner Hoffmann. Die meisten Nutzfahrzeuge überleben keine 40 Jahre. Selten entkommen sie der Schrottpresse. Entsprechend begehrt sind die orangefarbenen Oldtimer. Ausleihen kommt aber nicht in Frage, obwohl es viele Anfragen gibt. Es könnte etwas kaputt gehen. Da sind sich jung und alt einig.

Einen Traum hat Reiner Hoffmann für seinen Liebling: „Ein Besuch auf der IAA Nutzfahrzeugmesse mit dem Skoda wäre schon toll. Die Fahrt nach Hannover möchte ich dem Skoda aber nicht mehr zumuten. Leider fehlt ein Tieflader…“ Vielleicht schickt die IAA mal einen.