Manchmal passieren komische Dinge, auch bei den Stadtwerken. Sabrina, unsere Praktikantin, schreibt über ungewöhnliche Begegnungen im Atrium des SWE Hauptsitzes.
Vormittags um 11. Die morgendliche Routinearbeit habe ich erledigt, ich sitze am Rechner im Büro der Unternehmenskommunikation und tippe, bewaffnet mit Kaffee und Keksen, einen Beitrag für das SWE Journal.
Als ich während des Schreibens zum Nachdenken aus dem Fenster hinausschaue und kurz aufstehe, fällt mein Blick auf eine größere Gruppe junger Menschen. Alle sehr konzentriert, mit großen Blättern vor sich und Bleistiften in der Hand: Sie sind gerade am Zeichnen. Teilweise auf dem Boden oder auf der Treppe sitzend, einige haben kleine Hocker und Klappstühle dabei.
Da interessiert mich natürlich, was die Gruppe dort zeichnet und warum sie hier im Atrium der Stadtwerke ist. Also schnappe ich mir eine Kamera, mein Notizbuch, einen Stift und gehe los. Als die Karla Kolumna der Stadtwerke Erfurt stelle ich mich vor, das zaubert meinem ersten Gesprächspartner sofort ein Lächeln auf die Lippen. Fängt also schon mal gut an. Die ersten Worte wechsle ich mit Professor Klaus Nerlich von der FH Erfurt, der hier mit seinen Architektur-Studenten aus dem 2. Semester eine praktische Übung im Perspektiv-Zeichnen durchführt.
„Das Gebäude passt perfekt, da es klare, stringente Linien hat. Gestern ging es an die theoretischen Grundlagen, heute ist die Praxis dran“, sagt der 64-Jährige. Die Meisten wirken hochkonzentriert. Einige schauen gelegentlich nachdenklich zur Seite, andere scheinen mit Kopfhörern in den Ohren völlig im Bann ihrer Arbeit zu sein. Klaus Nerlich schaut ihnen während des Zeichnens gelegentlich über die Schulter und gibt Tipps.
Die Studenten zeichnen frei Hand, was ich persönlich sehr bewundere. Die Zeichnungen zeigen klare und vor allem sehr detaillierte Linien, wohlgemerkt ohne jegliche Hilfsmittel. Weit und breit sind keine Lineale zu sehen. Nur große Blätter, Bleistifte und ab und an ein Radiergummi fallen mir ins Auge. Umso mehr bewundere ich die sauberen und akkuraten Darstellungen. Nach meinem kurzen Plausch mit dem Prof möchte ich natürlich auch gern wissen, was die Studenten selbst von der Aufgabe hier halten.
Für die meisten ist es eine angenehme Abwechslung zum gewohnten Studienalltag. „Es ist schön, einmal herauszukommen und nicht nur in den trockenen Vorlesungen zu sitzen“, meint Anna Sophie Petersen. Die 20-Jährige zeichnet gern. „Die Übung hilft mir, ein besseres Gespür für die Architektur zu bekommen.“
Die Darstellung von Perspektiven ist für alle eine ganz besondere Herausforderung. Als ich Anna auf ihre Kopfhörer anspreche, erzählt sie mir, dass die Musik ihr dabei hilft, sich besser zu konzentrieren. Ich für meinen Teil kann das sehr gut nachvollziehen, denn während ich meine Texte schreibe, habe ich auch oft Kopfhörer auf den Ohren. So lassen sich „störende“ Nebengeräusche gut ausblenden.
Nach der Mittagspause schaue ich noch mal bei den Studenten vorbei. Anna ist noch nicht ganz fertig. Aber die Zeichnung ist gut geworden. Sie ist unglaublich filigran und detailgetreu. Dafür ist Emily Wille schon fertig. „Als die ersten grundlegenden Striche und Linien fertig waren, ging der Rest quasi wie von selbst“, sagt sie und greift sich ihre Tasche. Sie kann jetzt gehen. Freizeit hat sie allerdings noch nicht. Erst muss sie noch ein wenig an ihrem Modell für die morgige Präsentation in Konstruktionslehre werkeln.
Neben ihr hockt Emrullah Gökcen an einem kleinen hölzernen Tischchen. Es wirkt sehr antik und ist türkischer Herkunft, erklärt er mir. Emmo, so nennen ihn seine Freunde, ist gerade eifrig am Radieren, er wirkt etwas hektisch. „Was nur noch eine Stunde?“, meint er bei einem Blick auf seine Uhr. Alexandra muss darüber lachen. Sie ist auch noch nicht ganz fertig, im Moment lässt die Motivation bei ihr gerade etwas nach. „Vier Stunden an einem Bild zu zeichnen, erfordert viel Geduld“, sagt sie. Deshalb muss sie jetzt erst mal kurz Pause machen. Ich verabschiede mich und wünsche ihnen noch viel Glück für ihre morgige Präsentation.