Glocken sind die Stimmen einer Kirche, der Taktschlag eines Ortes. Sie verkünden seit vielen Generationen die Uhrzeit, vermelden die Geburt eines Kindes, den Bund zweier Liebender oder künden von drohenden Gefahren. Die Glocken sind weitaus mehr als ein lautstarker Ruf der Gläubigen zum Gebet, sie klingen wie Heimat
Christine Karpe (Text) Steve Bauerschmidt (Fotos)
Seit 1211 ist die Sankt Gotthardt- Kirche ein Ort für die Gläubigen im Erfurter Ortsteil Marbach, ein Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Auf einer Anhöhe wacht das schlicht-schöne Gotteshaus, benannt nach dem Heiligen Gotthard, dem Schutzpatron der Reisenden, Bauern und Viehhirten, über den Ort und seine 4.400 Bewohner. Die mehr als 320 Jahre alte Glocke erklang noch nie hoch oben aus dem Glockenturm. Der konnte seit Beschädigung im Dreißigjährigen Krieg keine Glocken mehr tragen. In einem eigens gegenüber der Kirche errichteten, einstöckigen Haus wurde und wird sie geläutet. Zeitweise mit zwei Schwesterglocken, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. 1954 zogen drei neue Hartgussglocken aus der Gießerei in Apolda in das Haus neben der Kirche. Die altehrwürdige Bronzeglocke geriet fast 20 Jahre in Vergessenheit, ein Verkauf scheiterte zum Glück. 1977/78 erhielt sie wieder ihren Platz im Geläut des Glockenhauses, das repariert und erweitert wurde. Fast fünfzig Jahre später sorgt sich die Kirchengemeinde um das stark sanierungsbedürftige Glockengebäude und die inzwischen verschlissenen Hartgussglocken. Gemeinsam mit einem Sachverständigen und einem Planer wurde das alte Glockenhaus 2022 begutachtet. Aufgrund der großen Schäden am Geläuthaus und eines notwendigen Neubaus betrachtete man auch eine Nutzung des Glockenturmes. Historische Unterlagen existieren dazu nicht mehr.
In der Marbacher Kirchengemeinde wurde lange diskutiert und geprüft, wie es weitergehen kann. Michael Hundertmark, Kirchenrat und Superintendent im Ruhestand, engagiert sich nun für das Gotteshaus, gemeinsam mit interessierten Marbachern und Pfarrerin Tabea Schwarzkopf. Er überzeugte auch den Förderverein von der Idee, den Glockenturm wieder als solchen zu nutzen. „Es ist schwierig, Gelder zusammenzubekommen. Einlöchriges Kirchendach oder eine einstürzende Kirchenmauer sind von höherer Priorität, wenn landeskirchliche Gelder verteilt werden“, erklärt Pfarrerin Tabea Schwarzkopf die Marbacher Misere.
Soll der Kirchturm seiner eigentlichen Aufgabe gerecht werden, müssen technische Veränderungen vorgenommen werden, um den statischen Anforderungen zu entsprechen. Elektroarbeiten sind notwendig, denn geläutet wird schon lange nicht mehr manuell. Erhebliche Kosten von insgesamt 64.500 Euro für Planung und Bau sind nur durch Spenden zu finanzieren. Auch der Guss zweier neuer Bronzeglocken in Passau schlägt mit 17.000 Euro zu Buche. Not macht erfinderisch und so wurden Benefizkonzerte organisiert, die Vereine im Ort trugen zum Spendenaufkommen bei und auch ein kleines Rezeptbüchlein der Marbacher spülte etwas Geld in die Kasse. Neben den Vereinen trugen auch die Glockenspender wie der Burschenverein oder das Ortsblatt, der Marbsche Bote, zum wachsenden Spendentopf bei. Sie sind wie andere Glockenstifter auf den neuen Glocken verewigt. Für die noch fehlenden Mittel haben sich die Marbacher eine besondere Aktion ausgedacht. Ein Bierdeckel mit QRCode wirbt um weitere Spenden. „Wir dürfen die Geduld nicht verlieren, wir schaffen das“, ist sich Michael Hundertmark sicher. Ostern oder Pfingsten 2026 wird er dann als „Vater des Glockenprojektes“ die zwei neuen Glocken anläuten, so Gott will. Ein Fest ist dafür geplant. „Die Glocken werden lieblicher klingen als die alten und für die unmittelbaren Nachbarn der Kirche angenehmer, denn dann werden sie wieder aus der Höhe des Turmes schallen“, sagt Pfarrerin Tabea Schwarzkopf. Bis dahin müssen aber noch weitere Spenden gesammelt werden.
Die Spendenaktion läuft noch. Wer dazu beitragen möchte, kann das über diesen Button.

