Zehn Minuten mit der Straßenbahn vom Leipziger Hauptbahnhof entfernt, wechselt man von der lebhaften Großstadt in das beschauliche, fast dörfliche Marienbrunn. Direkt gegenüber der Straßenbahnhaltestelle locken Chrysanthemen, Alpenveilchen und Weihnachtsdekorationen die vorbeigehenden Fußgänger in einen kleinen Laden. Das Floristikfachgeschäft von Ina Schumann ist seit vielen Jahren Teil des Leipziger Viertels. „Marienbrunn ist familiär, wer hier wohnt, bleibt ein Leben lang“, erzählt mir die Wahl-Leipzigerin mit dem Faible für Blumen und schöne Gestaltungen. In ihrem Laden geht es eng zu, auf ca. 12 m² drängen sich Grünpflanzen, fantasievolle florale Gestaltungen und die ersten Vorboten der Adventszeit. Eine steile Treppe führt hinab in den Keller, hier arbeitet Ina Schumann, sortiert Papierkram – umgeben von Kisten mit Dekoelementen, Blumenscheren, Blattgrün und Verpackungsmaterialien für die grazilen Gestaltungen. Am Werktisch neben ihr entsteht unter den geschickten Händen der Auszubildenden ein Strauß auf Kundenwunsch. Während sie erzählt, korrigiert die Floristmeisterin die Handgriffe der Lernenden mit kurzen Hinweisen.
Bevor sie die Chance zum eigenen Laden ergriff, war sie viele Jahre selbst in der Ausbildung tätig. Längere Zeit auch für sozial benachteiligte Jugendliche, erzählt sie und dass es unheimlich viel Spaß gemacht hat, die Begeisterung für den eigenen Beruf weiterzugeben. Floristin war Ina Schumanns Wunschberuf, erreicht hat sie ihn auf Umwegen. Es gab nur einen Ausbildungsstelle in ihrem Jahrgang und als sie diese nicht bekam, entschied sie sich für einen anderen Beruf. Mit der gesellschaftlichen Wende war der Abschluss nichts mehr wert und sie verwirklichte nun ihren Traum: Umschulung zur Floristin, Meisterabschluss, Einstieg in die Ausbildung. Als Freiberufler begeisterte sie viele Schüler für ihren Traumberuf: Erwachsene in der Umschulung bis hin zu sozial benachteiligten Jugendlichen.
Den Laden hat sie nach dreijähriger Babypause übernommen. Alles begann mit dem Satz: „Die Karla gibt ihren Laden auf.“ Gefallen hatte ihr das kleine Blumengeschäft schon immer und auch ihre Freundin, Floristin wie Ina Schumann, begeisterte sich für die Idee. Ina Schumann erzählt: „Ich wollte wieder arbeiten und meine Bekannte von Chemnitz zurück nach Leipzig. Diese Chance haben wir beide genutzt.“ Ina Schumann mag es um sich rum familiär, Freundin und Patentante des Sohnes arbeiten mit im Geschäft.
Das Kind ist inzwischen ein Teenager. Ina Schumann kennt nach den vielen Jahren in diesem Metier auch die Schattenseiten des Berufes. Die Bezahlung ist gemessen an den Anforderungen zu niedrig. Auszubildende müssen viel mitbringen, um im Beruf bestehen zu können: Gefühl für Farbe und Form, Liebe zu Pflanzen und jede Menge Leidenschaft. Warum gerade die, begründet Ina Schumann lachend: „Nässe, Dreck, immer dicke Sachen und unschöne Hände dürfen den Floristen nicht stören. Der größte Teil der Arbeit ist Pflege der Pflanzen und Kisten schleppen. Das alles kombiniert mit Verkaufstalent ergibt den idealen Floristen.“
Ina Schumann verkörpert all dies und kann andere mit ihrer Liebe zum Beruf begeistern. Die sympathische Leipzigerin beobachtet auch, wie sich die Dienstleistungen ihrer Branche in den letzten Jahren gewandelt haben. Geblieben ist, dass sich der Florist auf die Kunden einstellen muss. Beispiel? „Am Anfang war ich auch skeptisch, als die ersten Bräute mit dem Smartphone kamen und Fotos von Brautsträußen gezeigt haben. Eigentlich ist das gut für uns, sie machen einen Teil unserer Arbeit“, lacht sie. „Unsere Kunden kommen bereits mit genauen Vorstellungen und wir setzen sie um. Beratung muss auch sein, zu den jahreszeitlich verfügbaren Blumen oder deren Haltbarkeit und Preis“, erklärt sie. Ina Schumann bemerkt auch, dass manche Kunden das enge Verhältnis zur Natur verloren haben. Kürzlich wünschte sich jemand einheimische Blumen. Mitte November.
Die Leipzigerin gehört seit 13 oder 14 Jahren – genau weiß sie es nicht mehr – zum festen Stamm der Floristen, die den Felsenkeller am Erfurter Dom zur Adventszeit in ein Weihnachtswunderland verwandeln. Dafür nutzt sie mit ihrem Team den in Sachsen eigentlich arbeitsfreien Buß- und Bettag, den 21. November. Aus der Gestaltung der eigenen Nische im mittelalterlichen Gewölbe wird so gleich ein Firmenevent. Das diesjährige Motto, die Reise in die Welt der Märchen, gehört zu Ina Schumanns Lieblingsthemen. Märchen sind fantasievolle Geschichten, voller Magie und Emotionen. „Die feuerrote Blume“, ein melancholisches russisches Märchen von Liebe und Treue war ihre Wahl für die Nischengestaltung in der Erfurter Ausstellung. Aus Maschendraht, Stoffen und Trockenmaterialien entstand die überdimensionale Blüte für die Erfurter Weihnachtsschau. Gebettet wurde die Blüte auf Moos und Laub, beschirmt von verzweigten, knorrigen Ästen – mystisch wie im Märchenwald.
Diese Geschichte lieferte auch die Vorlage für den Namen des Schumannschen Blumenladens. In großen Buchstaben kann man es an Tür und Schaufenster lesen.
„Die Namensfindung hat eine Flasche Rotwein gedauert“, erinnert sich die Floristin. „Mein Sohn ist mit den russischen Märchen aufgewachsen, mit Iwanuschka, Wasjenka und Babajaga. Und wer sich wie ich an der Märchenwiese niederlässt, muss auch so heißen“, liefert sie gleich noch zwei überzeugende Gründe.
Eine Ausstellung gibt es auch im Laden von Ina Schumann in der Voradventszeit. Am Samstag läuft bis zum Mittag das Ladengeschäft, dann essen alle gemeinsam Pizza und machen sich an die Ausstellungsstücke. Besonderen Wert legen die Floristen auf die jährlich variierende Deckengestaltung. In diesem Jahr schwarze Ballons. 14 Uhr öffnen sich dann die Türen „Der feuerroten Blume“ und auch die Familie ist wieder mit im Einsatz. Den Glühweinstand hat Ina Schumanns Gatte fest in der Hand. Die Leute aus dem Viertel kommen und schauen. „Niemand muss etwas kaufen. Wir begleiten die Kunden mit unserer Arbeit bei sehr persönlichen Ereignissen von der Geburt eines Kindes über Hochzeiten bis hin zu Beerdigungen von Angehörigen. Für diese Vertrauen wollen wir Danke sagen“, erzählt Ina Schumann.

Wer zwei Monate lang Weihnachtsdekorationen gestaltet, hat der noch Spaß am Weihnachtsfest? Die gebürtige Lausitzerin liebt das traditionelle Weihnachtsfest ihrer Heimat. Bei Schumanns gibt es auch in diesem Jahr einen 3,80 m großen Baum. Modetrends spielen beim Baumschmuck keine Rolle, Klarglaskugeln zieren die Tanne. Bereits am Samstag vor dem 1. Advent wird zu Hause die Weihnachtskiste geöffnet und die Wohnung gemeinsam dekoriert. Ina Schumanns Sohn hat Stimmrecht bei der Auswahl des Schmuckes.
Und wie kam die Leipzigerin eigentlich nach Erfurt zur Weihnachtsschau? Als egapark-Floristmeisterin Cornelia Squara die Organisation der großen Schau übernommen hatte und Ina Schumann ansprach, konnte sie nicht ablehnen. Beide kannten sich durch Floristen- und Meisterschule. „Ich habe sofort zugesagt, die Ausstellung ist etwas für die Floristenseele. Das ganze Jahr wird genau kalkuliert, auf den Punkt geliefert – hier kann ich hinfahren, aufbauen und mich freuen. Ich treffe Kollegen aus anderen Regionen, wir tauschen uns aus. Und außerdem ist der Leipziger Weihnachtsmarkt nicht so schön wie der Erfurter“, erzählt sie zum Abschied.
Weitere Informationen zur Weihnachtsschau im Felsenkeller am Dom….
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