Antje Eberhardt hat alles vorbereitet. Auf einem kleinen Tisch hat sie verschiedene Äpfel drapiert. Große und kleine, gelbe und rote. 16 Sorten hat sie besorgt, viele davon sehr alt und inzwischen sehr selten. Sie heißen Goldparmäne und Apollo, Berlebsch oder Kaiser Alexander. „Und jeder schmeckt anders. Das will ich den Kindern heute zeigen“, sagt die studierte Gartenbauingenieurin. Seit 2009 läuft das Apfelprojekt im egapark Erfurt. Es ist das beliebteste überhaupt. Aus ganz Thüringen kommen Schulklassen und Kindergartengruppen im Herbst ins Grüne Klassenzimmer. Da geht schon die Tür und 19 gut gelaunte Kinder schneien herein. Die Zweitklässler sind mit dem Bus aus Walschleben gekommen und am Europaplatz in eine Straßenbahn gestiegen. Jetzt sind sie hier und ziemlich neugierig. „Wieso hast du so viele Äpfel“, wird sie von einem kleinen Mädchen gefragt. „Was machen wir heute?“, fragt Robin und zieht sie am Ärmel. Antje Eberhardt lacht. „Setzt euch erstmal hin“, sagt sie. Als sie anfängt zu erzählen, kehrt Ruhe ein.

„Was glaubt ihr wohl, wie viele Apfelsorten es gibt?“, fragt sie. Ideen haben die Kinder viele, am Ende sind aber alle erstaunt, dass es über 20.000 sind und das nur in Europa. „Allein in Deutschland gibt es über 2000 Sorten“, sagt sie und hält schon den ersten Apfel hoch. Er hat eine rote Schale, die aussieht, als wäre sie mit kleinen Sternen übersät.
„Darf ich vorstellen? ‚Baya Marisa‘“, sagt sie und gibt den Apfel in die Runde. Neugierig halten sie die Frucht in den Händen, schnuppern daran. In der Zwischenzeit greifen Kristin Artschwager (Mitarbeiterin im Grünen Klassenzimmer) und FöJlerin Charlotte Aedtner zum Messer, zerteilen mehrere der kleinen roten Äpfel in kleine Stücke und reichen die Kostproben durch. „Der ist ja innen ganz rot“, ruft Maxi. „Und schmeckt lecker“, seufzt Stella. „Wie denn?“, fragt Antje Eberhardt. „Süß, aber auch irgendwie sauer“, meint Josefine nachdenklich.

Und schon holt Antje Eberhardt den nächsten Apfel hervor, einen ganz dicken grünen. „Das ist ein ‚Riesenboiken‘. Die Sorte ist schon sehr alt. Wollen wir ihn mal wiegen?“, fragt sie. Alle nicken und staunen, als am Ende 310 Gramm auf der Waage stehen. „Der ist aber sauer“, tönt es durch die Runde. „Richtig lecker“, Richard hat seinen Favoriten gefunden.

Das ist auch der Moment, in dem eins der Kinder in seine Tasche greift. „Hier, das ist der größte, den wir finden konnten“. Traditionell bringen die Gruppen den schwersten Apfel mit, den sie haben. Antje Eberhardt staunt. „So groß, obwohl dieses Jahr wegen der Trockenheit viele Äpfel sehr klein sind.“ Sie legt ihn auf die Waage: „420 Gramm, nicht schlecht“, meint sie. Ob er der größte bleibt, wird sich zeigen. Mit etwas Glück sehen die Grundschüler Antje Eberhardt im Frühjahr wieder. Wenn ihr Apfel bis zum Projektende der größte bleibt, schenkt der egapark ihnen einen Apfelbaum, den sie gemeinsam einpflanzen…

Die nächste Frucht ist ziemlich klein und gelblich. Es ist die „Goldparmäne“. Sie entstand wahrscheinlich um 1510 in der Normandie. Lange Zeit galt sie als der Kulturapfel schlechthin. Heute ist sie kaum noch zu finden, oft nur noch auf alten Streuobstwiesen. Denn die Bäume sind aufwendig zu pflegen und anfällig für Schädlinge. „Der riecht wie Mandarine“, stellt Stella fest. „Und wie schmeckt er?“, fragt Antje Eberhardt wieder. „Soooo süüüüüß“, ergänzt das Mädchen.
Und auch die „Ananasrenette“ begeistert die Kinder, allerdings mehr durch Geruch als Geschmack. Der Apfel duftet tatsächlich nach Ananas, ist vom Geschmack her aber eher mehlig. Und schon geht es weiter. Antje Eberhardt hält einen orange-roten Apfel in der Hand. „Sieht der nicht aus wie ein Schneewittchen-Apfel?“, fragt sie. Es ist ein „Roter Topaz“, und er stammt ursprünglich aus Tschechien, erzählt sie.

Der „Schöne aus Nordhausen“ macht mich neugierig. Von dem habe ich schon gehört, er wächst auch im Apfelgut am Steiger der Familie Wiedenstritt. Allerdings war ich im Juni dort und die Äpfel noch sehr klein. Interessiert nehme ich den großen Apfel in Augenschein. 1850 wurde er kultiviert, der Lagerapfel hält sich gut bis März, April, lagert man ihn in kühlen Kellern. Er ist sehr saftig und duftet.

Säuerlich präsentiert sich der „Boskop“, der aus der Gegend um Boskoop in der Niederlande stammt. „Das ist der perfekte Apfel für einen Kuchen, als Apfelmus oder Apfelpfannkuchen ist er aber auch sehr lecker, ich hab selbst einen im Garten“, erzählt Antje Eberhardt und zitiert einen alten Spruch: „Ein Apfel am Tag den Gang zum Arzt erspart.“ Was heißt denn das, fragt sie in die Runde. „Wer jeden Tag einen Apfel isst“, bleibt gesund, tönt es zurück. Das liegt an den vielen Vitaminen und Mineralstoffen, erklärt sie und schon ruft Robin: „Ja, die sie sitzen alle unter der Schale, deshalb soll man den Apfel nicht schälen.“

Als Antje Eberhardt schließlich fragt, welcher Apfel am besten schmeckt, gehen die Meinungen weit auseinander. „Die sind alle so unterschiedlich, die einen sind sauer, die andern süß“, so das Fazit von Lou-Ann, die etwas enttäuscht ist, als Antje Eberhardt ihr erklärt, dass sie diese Äpfel nicht im Supermarkt bekommt, sondern viele nur noch auf alten Apfelplantagen wachsen.
Doch die Trauer hält nicht lange an, denn schon geht es an Apfelsaftpressen. Begeistert schneiden die Kinder Äpfel in kleine Stücke. Heute sind es „Shampion“, eine Kreuzung aus „Golden Delicious“ und „Cox Orange“. Mit der Sorte kennen sich die Zweitklässler aus. Sie wächst auf den Fahner Höhen, direkt bei ihnen um die Ecke. Ab und zu wandert ein Äpfelchen in einen Mund, es bleibt aber genügend für die alte Holzpresse übrig, die von den Kindern bestaunt wird. Klar, dass jeder an die Presse will. Der Lohn ist süßer Apfelsaft, den sich alle schmecken lassen.
Mehr zu den Angeboten im Grünen Klassenzimmer.
Ein Gedanke zu „Apfelprojekt egapark: Süß oder sauer? Das ist hier die Frage“