Ein Tag mit Nyima Jammeh. Sie ist eine von drei Schulbusbegleitern bei der EVAG. Jeden Tag begleitet sie Schulkinder auf den Bus-Linien der Erfurter Verkehrsbetriebe, sorgt für Ordnung und Sicherheit in den Bussen und hat dabei immer ein offenes Ohr für die Kinder.
Seit mehr als vier Jahren gibt es in und um Erfurt herum auf ausgesuchten Linien Schulbusbegleiter. Aller zwei Tage ist sie auf einer anderen Route unterwegs.
Und immer heißt es früh aufstehen, denn die erste Tour beginnt schon um 6:09 Uhr. Mal geht es mit der Linie 30 nach Stotternheim, dann mit der 90 nach Salomonsborn und Marbach und schließlich bis zur Europaschule, oder, oder, oder.
Heute ist Nyima auf der Bus-Linie 60 unterwegs, nach Möbisburg, Schloss Molsdorf. Ich darf sie begleiten. Es ist 6:45 Uhr, als sie am Bahnhofstunnel einsteigt. Mit Handschlag begrüßt sie Busfahrer Michael Lischewski. Und schon geht es los. Über den Steiger fährt der Bus raus in Richtung Waldhaus.
Die Linie gehört zu den schönsten, denn sie führt direkt durch den Wald. In Bischleben
wird es voll. Die meisten Kids sind noch müde, das sieht man ihnen an. Still suchen sie sich einen Sitzplatz und schauen aus dem Fenster. Nyima lächelt jeden an, der in den Bus steigt, egal ob Kind oder Erwachsener, begrüßt jeden Fahrgast freundlich. Mancher ist irritiert und geht wortlos weiter, andere lächeln zurück. Wieder anderen kommt sogar ein „Guten Morgen“ über die Lippen.
Wenn möglich, versucht Nyima, den kleinen Schülern einen Platz zu organisieren. Dafür bittet sie auch schon mal die Großen, aufzustehen. Immer nett und freundlich und ganz charmant. „Damit erreicht man einfach mehr“, sagt die 39-Jährige. „Die Ranzen sind sehr schwer, da ist es schon besser, wenn die Kleinen sitzen können“, sagt sie.

Nyima Jammeh lebt seit 2006 in Erfurt. In ihrer Heimat Gambia hat sie als Kindergärtnerin gearbeitet. Doch leider ist die Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt, dabei hat sie ein Händchen für die Kleinen, das sieht man auf den ersten Blick. Richtet hier ein Halstuch, bindet dort einen Schnürsenkel zu oder läuft schnell hinterher, wenn die Schüler ihre Sachen im Bus vergessen. Und das ist gar nicht
mal so selten.
In Hochheim steigen viele wieder aus. Hier hat der Bus ein paar Minuten Aufenthalt, bevor es wieder zurückgeht. Zum Glück: Denn Nyima flitzt durch den Bus und schaut, ob die Kinder etwas liegen gelassen haben. Heute findet sie eine Jacke, springt zur Tür und ruft den Kindern hinterher. Die Besitzerin ist schnell gefunden, erleichtert bedankt sich das Mädchen und zieht in Richtung Schule von dannen.
Nicht immer verlaufen die Fahrten so störungsfrei. „Aber es macht schon etwas aus, wenn man Präsenz zeigt. Da überlegen die Kinder es sich zweimal, ob sie die Füße auf den Sitz legen oder ein dick belegtes Brötchen herausholen«, erzählt sie. Wer Zigaretten
im Bus drehen oder sich – warum auch immer – auf den Fußboden legen will, ist bei Nyima an der falschen Adresse. Freundlich, aber bestimmt spricht sie mit den Jugendlichen. Das hat bisher immer geholfen.
Sie achtet darauf, dass die Kinder sich festhalten, dass die Schulranzen unterm Sitz stehen, dass sich nicht an einzelnen Stellen Trauben von Schülern bilden, durch die es kein Durchkommen gibt. Aufpassen muss sie auch, wenn der Bus sich einer Haltestelle
nähert. „Oft springen die Kinder plötzlich auf. Und wenn der Bus bremst, fallen sie hin“, erzählt sie.
Die Tour ist fast beendet, alle Kinder in der Schule, da gibt es doch noch einen Zwischenfall, allerdings ganz anderer Art. Als Michael Lischewski in die Brühlerwallstraße einbiegt, wird es eng. Wie so oft. In der Kurve parkt ein schwarzer Kombi. Er hat das Rad eingeschlagen und steht fast schon auf der Straße. Dem Busfahrer bleibt nichts anderes übrig, als auszusteigen und die Lage zu checken. Hier ist Millimeterarbeit gefragt. Allein ist da kein Durchkommen, nicht mit dem großen Gelenkbus.
Zwei Passantinnen helfen ihm schließlich und lotsen ihn durch das Nadelöhr. Glück gehabt! Michael Lischewski bedankt sich bei den beiden und fährt zurück zum Urbicher Kreuz.

Hier wartet schon Knut-Michael Heyck mit einem Solobus auf uns. Der Verkehrsmeister ist heute mal als Busfahrer unterwegs. Denn Nyima hat noch eine andere Tour: Es geht in die Hans-Christian- Andersen-Grundschule in Walschleben. Die Kinder der 2 a warten schon. Alle sind sehr aufgeregt, denn heute steht Verkehrserziehung auf dem Stundenplan. Und zwar praktisch, direkt im Bus.

„Mal sehen, was die Kinder noch vom letzten Jahr wissen“, meint Knut-Michael Heyck.
Er nimmt sich Zeit für die vielen Fragen der Grundschüler, erklärt, wie man sich an der Haltestelle verhält, was es mit dem toten Winkel auf sich hat und wo man über die Straße geht, wenn man aus dem Bus aussteigt. „Na, das klappt doch gut“, zieht er ein kurzes Resümee.
Und auch Nyima wird von den Kleinen beäugt. „Hey, dich kenn ich doch! Du
fährst doch immer mit dem Bus mit. Du passt doch immer auf“, spricht sie ein kleines
Mädchen an und kichert. Nyima freut sich. Und als dann auch noch Erzieherin Angela Tittmar mit ihr plaudert, strahlt sie. „Wir kennen uns vom Busdienst, Frau Tittmar bringt die Kinder nachmittags immer zur Haltestelle“, erklärt sie mir.

Währenddessen haben die Drillinge Emma, Lara und Zoe die EVAG-Grundschulbox entdeckt: einen braunen Pappkarton mit buntem Bild auf der Vorderseite, vollgepackt mit Infomaterial rund um das Thema Sicherheit im Straßenverkehr, alles farbenfroh
und kindgerecht aufbereitet. „Das haben die Kollegen extra für die Grundschulen entwickelt, die wir zur Verkehrserziehung besuchen. So bleibt mehr hängen“, sagt Knut-Michael Heyck und ruft zum Einsteigen. Das lassen sich die Kinder nicht zweimal sagen. Ruckzuck sitzen alle im Bus. Schließlich gibt es jetzt – wie versprochen – noch eine Extra-Runde bis nach Andisleben. Die Drillinge sind begeistert. „Oh toll!“ Da sie direkt in Walschleben wohnen, gehen
sie zu Fuß zur Schule. Die Fahrt mit dem Bus ist ein ganz besonderes Erlebnis für sie. Und auch Richard freut sich. Er wohnt in Andisleben und würde am liebsten
jetzt schon nach Hause gehen. Aber daraus wird nix.
Übrigens: Für die Schulbusbegleiter ist die letzte Bustour gegen 17 Uhr beendet. Denn sie fahren auch mit, wenn es für die Kinder wieder nach Hause geht. Dazwischen arbeiten die drei — unterstützt von zwei nebenberuflichen Schulbusbegleitern — im Service der EVAG.
Sicher durch den Verkehr
Wie verhält man sich an der Haltestelle? Was ist ein toter Winkel? Wie schnell kann eine Straßenbahn bremsen? Wie überquert man die Straße, vor oder hinter dem Bus? Was ist ein Liniennetzplan? Fragen über Fragen.
Antworten gibt es in der EVAG-Grundschulbox. Unter dem Motto „Damit alle sicher ankommen“ gibt es in der Box Arbeitsblätter rund um die Sicherheit im Straßenverkehr, zu Stadtbahnen und Bussen sowie Fahrpläne und einen Netzplan für Übungen zur
Orientierung im ÖPNV. Auch Flyer mit Hinweisen für Eltern und Schüler sind enthalten, alles farbenfroh und kindgerecht aufbereitet. Entwickelt wurde das Infomaterial für Kinder im Rahmen der EVAG-Sicherheitskampagne „Rücksicht bringt alle voran!“.
Lehrer können die Boxen per E-Mail über evag-marketing@stadtwerke-erfurt.de bestellen.
Fotos: Steve Bauerschmidt
Als ich in der ersten Klasse war (1994) fuhren noch Lehrerinnen im Schulbus mit, allerdings wurde die Begleitung schon ein Jahr später wieder eingestellt. Vielleicht ist sie in Dörfern nicht so nötig wie in der Stadt, aber gerade nach Lesen dieses Artikels denke ich: Super Sache!
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