Neue Skateanlage entsteht im Nordpark
Skaten kann man mit wenigen Worten erklären: Das Gefühl, frei zu sein, tun und lassen zu können, was, wann und wo man will – durch die Straßen, über Bürgersteige, Treppen oder Handgeländer sein Board zu lenken. Die stylischen Bretter mit Rollen sind vieles:
Trendsport
2020 wird Skateboarding olympisch.
Kult
Vom Board, über Zeitschriften und Onlinemagazine bis zu den dazugehörigen Klamotten reicht das Angebot.
Lebensgefühl
Es geht nicht ums Gewinnen, sondern um gegenseitige Anerkennung, nach Jahren vergeblicher Mühe endlich einen Trick zu schaffen und um Freunde, die sich mit dir darüber freuen.
Rebellion
„Man fährt Skateboard, um Regeln zu brechen. Die Stadt ist nicht tote Architektur, die nur dazu dient, die Menschen in vorgefertigte Bahnen zu lenken. Wenn man so will, leben wir als Skater in der vierten Dimension“. Das erzählt Fotograf Christian Roth, der seit Mitte der 80-er Jahre Teil der Skateboarderszene ist und 2000 mit einem Bekannten eine eigene Skateboardfirma gegründet hat.
Egal ob Trendsport, Modeerscheinung oder Lebensgefühl, in vielen deutschen Städten sind Skateparks inzwischen auch ein wichtiges Thema für die Städteplaner. In Erfurt gibt es kleinere Anlagen mit wenigen Obstacles und seit vergangenem Jahr den Skatepark im Johannesfeld, der von den Erfurter Skatern gute Bewertungen bekommt. Zwischen Stadtwerken und Eislebener Straße erkennt man den neuen Treff der Skater bereits von weitem an den großflächigen, farbenfrohen Grafiken und dem typischen Geräusch der Boards.
Die anderen Anlagen im Nordpark oder an der Straße der Nationen sind entweder veraltet oder entsprechen mit wenig abwechslungsreichen Elementen nicht mehr den Wünschen der heutigen Skatergeneration. Die besteht in der Landeshauptstadt nicht nur aus den jungen Wilden, sondern auch aus Mitzwanzigern und Mitdreißigern. Skater sind selten in Sportvereinen organisiert, ein genauer Überblick über die Szene ist schwierig. Die gut besuchte Anlage im Johannesfeld zeigt aber, es gibt einen deutlichen Bedarf. Erfurt ist kein Vorreiter in diesem Thema und will jetzt nachziehen.
Die BUGA bringt in Erfurt etwas ins Rollen und das im wortwörtlichen Sinne. Im Nordpark wird bis zur BUGA 2021 ein Skatepark entstehen. Mit Bowl und Pool, geeignet für Skater vom Anfänger bis zum Profi. Zwei Elemente stehen schon seit Jahren vor dem Nordbad, sehr oft sieht man aber keine Skater auf Halfpipe und Funbox fahren. Dort, wo jetzt untypische Ruhe herrscht, soll dann Leben einkehren, junge Fans des Trendsports sollen ab kommendem Jahr mit ihrem Board dort die ersten Versuche wagen, erfahrene Skater ihre Tricks probieren. Die Verantwortlichen aus der BUGA-Stabsstelle der Landeshauptstadt sind sich einige, das gelingt nur im Dialog mit den späteren Nutzern.

Vertreter der Erfurter Skaterszene und die Planer für die Nördliche Geraaue von geskes.hack landschaftsarchitekten trafen sich erstmals im September 2017 zu einem öffentlichen Workshop im Erfurter Ratssitzungssaal. Erste Vorstellung der Ideen durch die Planer, Gesprächsangebote und Vorschläge von Anlagen aus anderen Städten standen auf dem Programm. Eine Neuauflage gab es am 21. Februar 2018 in ähnlicher Runde. Planer Christof Geskes erläuterte, wie sich die Skatefläche in das Aktionsband integriert, das den Nordpark durchzieht und zur Bundesgartenschau fertiggestellt sein soll. Sport- und Spielangebote für unterschiedliche Altersklassen sind entlang des Flusses angedacht. Die Skatefläche wird gleich am neu gestalteten südlichen Eingang des Nordparks zu Flips, Slides und Grinds einladen. Der schnelle und aktionsreiche Sport wird 2020 olympisch. Dann erhofft sich auch die wachsende Erfurter Skaterszene einen weiteren Aufschwung und viele Nutzer für den neuen Park.
Im Ratssitzungssaal wurden in der zweiten Gesprächsrunde mit den Planern Ausführung und Materialien der einzelnen Elemente diskutiert. Als Fachberater für den Skatepark hat sich Planer Christoph Geskes den Mönchengladbacher Rene Rennett an die Seite geholt, der sich beim Sportanlagenausstatter Concrete Rudolph GmbH als Produktmanager um Skateparks kümmert. Er profitiert dabei von mehr als 25 Jahren Erfahrung in diesem Trendsport und hat Christoph Geskes auch bei anderen Skateparks beraten. Er zeigt, was aus den Vorschlägen der ersten Runde geworden ist.
Bereits die erste Diskussionsrunde 2017 zeigte, die Vorschläge der Planer und die Wünsche der Skater lagen nah beieinander, die Anlage soll sich harmonisch in das Parkumfeld einfügen. Rene Rennett zeigt eine Skateanlage, die von der klassischen Gestaltung abweicht. Fans des Streetstyles und des Worldstyles, Anfänger oder Profis, finden hier gleichermaßen ein Betätigungsfeld: nachgebildete Straßenelemente mit Treppenstufen, Geländern, Bowl oder Pool.
Pools gibt es in Deutschland noch selten. Dieses Element hat seinen Ursprung in Kalifornien, dort nutzten die Skater die leeren Badepools für ihren Sport. In den Vorstellungen der Planer soll der Park von grünen Inseln oder Gestaltungselementen durchzogen sein. Dadurch ergeben sich viele verschiedene Wege, die von den Skatern gefahren werden können und damit Abwechslung bieten.
Diskutiert wurde dann gleich im Detail: wie entwässert man einen Pool im regenreichen Deutschland und welche Bepflanzung ist angedacht. Kastanien, Beeren- oder Nusssträucher sind an einer solchen Anlage ungeeignet, dann müsste häufig der Besen geschwungen werden.
Das wollen die erfahrenen Skater übrigens gern selbst tun, zu ihren Wünschen gehört ein Raum für Reinigungsgeräte im Umfeld der Anlage. Dieses Selbstverständnis passt so gar nicht zur oft geäußerten öffentlichen Meinung, die Schmutz und Vandalismus mit Skateanlagen in Verbindung bringen. Rene Rennett hat dafür einen passenden Vergleich: „Der Fußballer gräbt doch auch keine Löcher in den Rasen, wenn er darauf spielen will. Die Skater achten auf ihre Anlage. Wenn man Funbox, Ramps und Halfpipe in abgelegene Ecken verdrängt, dann muss man auch damit rechnen, dass sich dort nicht nur Skater treffen“, ist eine Erfahrung des 37-Jährigen, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und bundesweit Skateanlagen plant. Wenn es seine Zeit zulässt, probiert er sie auch selbst gern aus.

Erfurts neuer Treffpunkt für die Skaterszene wird sich ganz selbstbewusst in den Nordpark einfügen, als Einladung zum Eintritt, von allen Seiten einsehbar und mit integrierter Bepflanzung. Ein öffentlicher Wasserspender würde alles dann komplett machen, so haben es sich Erfurts Skater gewünscht.
Was macht den besonderen Reiz des Skateboardens für die Heranwachsenden aus? Rene Rennett sieht als Hauptgrund, was auch ihn vor 25 Jahren auf die Rollen brachte: Skateboarding ist frei von festen Regeln und oder Vereinsstrukturen, es fördert Jugendliche beim Finden der eigenen Identität.
„Skateranlagen sind Orte, an denen Jugendkultur beworben werden kann, an denen Jugendliche sozial eingebunden sind, wo Kreativität und Individualität gefördert werden, ein kultureller Austausch stattfindet und Integration ermöglicht wird“, erklärt der Mönchengladbacher und fügt hinzu, „wer sich mit Gleichgesinnten an der Funbox oder Halfpipe trifft, verbringt weniger Zeit mit Computer und Fernsehen.“
Rene Rennett im Interview
Hintergrund
Die Skate-Kultur hat ihre Wurzeln im Kalifornien der 1950-er Jahre. Die ersten Skater waren Surfer, die Alternativen zu ihren Surfboards suchten. Seitdem ist skaten überall populär geworden. Ein richtiger Boom wurde in den USA daraus erst mit den maschinell gefertigten Boards der 60-er Jahre.
Die Geschichte des Skateboards beginnt in Deutschland etwa 1975. Amerikanische Soldaten, die bei München stationiert waren, brachten die ersten Skateboards mit nach Deutschland.
Vorreiter in Deutschland war die bayerische Metropole München. 1977 trafen sich die Skater auf den dortigen Pfanni-Hills, einen Skatepark, der nur aus ein paar Betonhügeln bestand. Das war eigentlich der erste Skatepark in Deutschland. Nach einem sehr kurzen Trend um das Jahr 1980 war Skateboarding wieder aus der Gesellschaft verschwunden.
Einen Meilenstein setzte Titus Dittmann für die Entwicklung in Deutschland. Nach einer USA-Reise brachte er erste Skateboards mit nach Münster. Dort verkaufte er auch Ende der 1970-er Jahre Skateboard-Zubehör. 1981 eröffnete Dittmann den ersten Skatepark in Deutschland und hob ein Jahr später den „Münster Monster Mastership“ aus der Taufe. 1982 brachte er das auch heute noch erscheinende Skatemagazin „Monster Skateboard Magazine“ heraus. Schon bald sponserte Titus mit seiner eigenen Firma deutsche Skateboarder und sogar amerikanische Firmen wurden auf deutsche Skateboarder aufmerksam.
1989 kamen Zehntausende Zuschauer zum ersten Weltcup in Deutschland und bestaunten die internationale Skaterszene. Im Jahr darauf entstanden in Mönchengladbach und in Hamburg die ersten Indoor-Skateparks.
Mitte der 1980-er Jahre entwickelte sich eine neue, noch wenig öffentlichkeitswirksame Szene von Skatern, die Skateboarding auf die Straßen brachten und sich mit der vorhandenen urbanen Architektur auseinander setzten. Sie waren wie das Unkraut, das durch Ritzen bricht oder Bauruinen erobert.
Große Skaterhallen entstanden und rein sportlich gestaltete Freianlagen, die heute oft veraltet und wie Fremdkörper in der Landschaft wirken. Die aktuellen Neubauten im Skateparkbereich sind Teil ihrer Umgebung, landschaftlich gestaltet und bieten für jeden Leistungsstand sportliche Herausforderungen.
Und die Skater selbst? Die können aus einer breiten Palette an Boards wählen, selbst e-mobile Modelle gibt es am Markt. Für den echten Urban-Style beim Skaten, Biken oder Rollern sind nicht nur bequeme, topmodische Hoodies, Baggy-Pants und Boots angesagt, sondern auch Accessoires. Die spielen inzwischen eine mindestens ebenso große Rolle wie die Bekleidung. Von Kopfhörern über Beanies bis zu Baseball-Caps und Gürteln reicht dabei die Palette.