Sein Opel Omega war ein Hingucker. Gut gepflegt, im Wüstensand schimmerte das Champagnerbeige fast golden. Wohlbehalten hat Siegfried Schöße das gute Stück, Baujahr 2001, bis nach Banjul gebracht. Kein Kratzer, keine Mucken, die ganzen 7500 Kilometer nicht. Kein Wunder, dass der Opel-Caravan 2.600 Euro bei der Versteigerung in Banjul brachte. Das Geld geht an Schulen und Krankenhäuser.
Stundenlang könnte man ihm zuhören, wenn er von seiner Abenteuertour erzählt …
Siegfried und sein Bruder Manfred Schöße sind alte Hasen. Aller zwei Jahre fahren sie im großen Konvoi der Rallye „Dresden – Dakar – Banjul“ nach Gambia. Fünfmal hat der 61-Jährige die Rallye inzwischen absolviert und kann nicht mehr davon lassen.
Das ist jedes Mal wieder ein Abenteuer. Nicht umsonst wird der Treck jedes Mal in Mauretanien von zwei bewaffneten Militärjeeps begleitet. Denn man weiß ja nie. Auch wenn die Gebiete, die sie durchqueren, als gesichert gelten.
Gleich von Erfurt aus sind die beiden gestartet. Und waren ganz allein, als sie am vereinbarten Treffpunkt in Gibraltar ankamen, am letzten Halt vor der Überfahrt. 5 Grad Celsius, Wind und Regen und keine Spur von den anderen. Da hatten sie schon eine straffe Zwei-Tages-Tour hinter sich.
Manchmal hat es auch Vorteile, wenn man ein schnelles Auto hat… „Wir haben es uns auf dem Campingplatz in San Roque erst mal gemütlich gemacht und sind los zum Sightseeing. Dafür haben wir sonst wenig Zeit“, erzählt der Gruppenleiter der Bus-Werkstatt der EVAG.

Nach und nach trudelten die anderen 49 Autos ein. So mancher musste nach den 2800 Kilometern schon in die Werkzeugkiste greifen. „Einfach losfahren, das rächt sich meistens. Man muss das Auto vorher fit machen. Die Straßen in Afrika sind ganz andere. In Mauretanien reiht sich Schlagloch an Schlagloch“, weiß Siegfried Schöße aus Erfahrung.
Aber das Team hält zusammen. Muss es auch, denn es ist bunt gemischt: Ärzte, Handwerker, Krankenschwestern, Arbeiter, Rechtsanwälte, Künstler. Alle sind gemeinsam auf großer Tour. Und natürlich ist auch ein Orga-Team dabei. Das hat nicht nur alle möglichen Werkzeuge dabei, sondern auch jede Menge gute Tipps auf Lager. Alle helfen sich gegenseitig und so geht es bald auf die Fähre.
Der erste große Zwischenstopp ist in Marrakesch geplant. Sie haben Glück. Sie erleben, wie sich der große Platz Djemaa el-Fna an einem Abend in ein kulinarisches Meer verwandelt. Hunderte Stände werden aufgebaut. Bis tief in die Nacht gibt es orientalische Köstlichkeiten. Dass am Ende über dem Platz eine riesige Rauchwolke von unendlich vielen Grills hängt, ändert nichts an der unvergleichlichen Atmosphäre.

In der Nähe von Tarfaya in der Westsahara fahren sie direkt am Atlantik entlang. Auf der einen Seite Sanddünen, auf der anderen das Meer, die große Festung Casa Mar liegt direkt am Strand. Hier steht auch ein Denkmal für Antoine de Saint-Exypéry, der nicht nur Schriftsteller, sondern auch Pilot war.
Hier, in der ehemaligen französischen Kolonie, hat er sich nicht nur große Verdienste bei der Entwicklung der Luftpost erworben, sondern auch so manchem in der Wüste gestrandeten Piloten das Leben gerettet. Und weiter geht es.

Dass sie an der Grenze zu Mauretanien gut acht Stunden verbringen würden, hätte Siegfried Schöße nicht gedacht. Der Grenzübergang zog sich hin, weil die Formalitäten ewig dauerten. Das Team „Erfordia 2017“ gehörte zu den Ersten an der Grenze, packte die Klappstühle aus und wartete.



Viel hat er auf der Fahrt gesehen. Armut, aber auch sehr viel Offenheit und Freundlichkeit. „Da werden die Wünsche, die man selbst so hat, plötzlich bedeutungslos“, meint er und erzählt von einem Rollstuhlfahrer. Wer keine Familie hat, muss sich selbst durchschlagen. Dem armen Mann blieb nur, sich mit seinem alten Rollstuhl mitten auf die belebte Straße in Nouakshott zu stellen, in der Hoffnung, dass ihm jemand aus den vorbeifahrenden Autos Geld zusteckt.
Die Dreitagestour durch die Wüste von Mauretanien ins Naturreservat Banc de Arquin sparen sich Siegfried und Manfred Schöße. „Klar ist das toll, wir sind öfter mitgefahren, aber das ist auch eine Strecke, auf der viel an den Autos kaputt geht und das wollten wir nicht riskieren“, sagt er und setzt seine Route unbeirrt fort.
Unterwegs bekommen sie Gesellschaft von Svea Gustafsen. Auch sie will weiter, mehr vom Land sehen und steigt vorübergehend zu. Währenddessen fährt ihre Teamkollegin Birgit Bartsch mit ihrem Ford Transit durch die Dünen. Auch das muss man gesehen haben.
Für die Künstlerin aus Schleswig Holstein räumen die beiden Erfurter und schichten erst mal alles um. Am Ende haben die drei viel Spaß, vor allem auf dem Markt in Nouakshott, wo Svea versucht, eine Abaya anzuprobieren. Das sorgt für viele Neugierige und Schmunzeln unter den Herren an den Marktständen. Am Ende erbarmt sich eine Einheimische und hilft ihr.

Die Teams querten je nach Streckenführung in Europa elf Länder in 20 Tagen: Deutschland, Luxembourg, Belgien, Frankreich, Spanien, Gibraltar, Marokko, Portugal, Mauretanien, Senegal, Gambia.
Mit Kleinbussen, darunter viele Mercedes, und Kombis aller Fabrikate war der Tross unterwegs und bekam viel zu sehen: Räumfahrzeuge, die Sandmassen wegräumten, um die Straßen passierbar zu machen, ähnlich wie bei uns die Winterdienste.
Siegfried Schöße ist begeistert, erzählt von riesengroßen Dünen, Zwangspausen aufgrund von freilaufenden Kamelen, von der Begeisterung der Einheimischen.

Als sie gegen 24 Uhr in Banjul ankommen, gibt es eine große Begrüßungsfeier. Bis tief in die Nacht sitzen die Teams zusammen, essen, trinken, lachen. Eine große Last ist von ihnen abgefallen. Sie haben die Autos bis auf wenige Zwischenfälle gut durchgebracht. O.K: Ein Golf brauchte einen Schweißbrenner, weil die Hinterachsaufhängung abgerissen war.

Und bei einem Ford Mondeo war die Spannrolle kaputt. Aber die Notreparatur in der Wüste hat gehalten und in Banjul ging es gleich noch mal in die Werkstatt, um am Ende ein gutes Auto zu übergeben.

Die nächsten zwei Tage dienen der Erholung. Das ganze Rallye-Team besucht ein Krankenhaus und eine Schule. Dort werden sie freudig erwartet. Die Kinder haben extra ein Programm einstudiert.
Am nächsten Tag wird es noch mal spannend. Die große Versteigerung im Stadion steht an. Und auch hier macht sich Siegfried Schößes gutes Auge wieder bezahlt. Er hat ein super Auto ausgesucht und gut durch die Wüste gebracht. 2600 Euro gibt es für den Opel Omega.

Die gesamte Summe schenken Siegfried und Manfred Schöße einem Krankenhaus und einer Vorschule in Banjul. Nach kurzem Atemholen fliegen sie nach Hause. Vom großen Gepäck ist nichts außer zwei kleinen Reisetaschen übrig geblieben. Fast alles haben sie unterwegs verschenkt.
Insgesamt kamen in diesem Jahr durch die Versteigerung umgerechnet 99.400 Euro zusammen. Das ist viel Geld, am Ende sollten es aber 100.000 Euro werden. Also griffen die Teammitglieder noch mal in die eigenen Taschen und stockten die Spendensumme auf.
„Das ist der Sinn der Fahrt“, meint er und weiß, dass er spätestens in zwei Jahren wieder auf große Fahrt geht und seinen ganz persönlichen Beitrag leistet, um das Leben in Afrika besser zu machen.