Philipp Mickel Klewin ist ein ausgesprochen ruhiger Mensch. Aus sich herauskommen, den Kasper machen, den Gutelaunetanzbär – das ist alles nicht sein Ding. Entspannte Abende mit Lebensgefährtin Lara, stundenlange Ausflüge inklusive Stöckchenwerfen mit Hund Luna, Daddeln an der Playstation mit Freunden, Essen mit Freunden oder der Familie, das alles liegt ihm viel mehr.
Doch wie jeder Mensch hat auch Philipp Klewin eine zweite Seite. Und die ist emotional ganz schön auf Krawall gebürstet – Fußball! Und das 24 Stunden am Tag…
Zwar zeigt er auf dem Platz nur ganz selten, wie sehr es manchmal in ihm kocht. Emotionale Explosionen à la Oliver Kahn gibt’s bei ihm nicht. Aber wer den Torwart vom FC Rot-Weiß Erfurt auf dem Platz länger beobachtet, wer seine Mimik und seine Körpersprache verstehen kann, der sieht, dass er 90 Minuten NUR und AUSSCHLIESSLICH Fußball ist. „Eine Stunde vor dem Spiel und vor allem auch während des Spieles denke ich an nichts anderes“, sagt Klewin.
Klewin: „Fußball ohne Emotionen geht nicht. Viele Spieler können das nach außen sehr deutlich zeigen, andere Spieler, und dazu gehöre ich, eher weniger. Dafür kocht’s bei mir drinnen…“
Doch wie sehr er sich auch immer während des Spieles konzentrieren kann, wie sehr er in den 90 Minuten den Tunnelblick hat – etwas dringt immer in seine Gedankenwelt. „Das sind die Fans, vor allem unsere“, sagt Klewin. „Es ist unglaublich, wie sehr Zuschauer auf uns Spieler und damit auch auf ein Spiel Einfluss nehmen können.“
Vor allem, seitdem im neuen Steigerwaldstadion um Punkte gekämpft wird. Klewin: „Der Unterschied zum alten Stadion ist unglaublich! Ich weiß auch nicht woran das liegt, ob an dem Dach, den neuen Tribünen oder dass die meisten Zuschauer viel näher ans Spielfeld gerückt sind – die Stimmung kommt viel besser rüber. Bei manchen Gesängen läuft’s einem schon kalt den Rücken runter und manche Anfeuerungen sind so laut, dass du dein eigenes Wort nicht mehr verstehst. Das war früher ganz anders…“
Klewin weiter: „Die meiste Stimmung machen bei uns die Ultras. Wenn die in ihrer Kurve hinter einem Stimmung machen, geht die Post ab. Das geht sofort ins Blut über, das motiviert ungemein. Ich bin mir sicher, sobald die loslegen, legen wir noch eine Schippe drauf.“ Fußball ist eben in erster Linie keine Verstandsache, sondern hat vor allem mit Herz zu tun.
Ob die Ultras eine Hilfe für die Spieler auf dem Platz sind, wurde RWE-Cheftrainer Stefan Krämer jüngst gefragt. „Total!“, war seine Antwort. Denn wenn gute Stimmung im Stadion herrsche, mache es die für die Spieler leichter, so der Coach.
„Doch es sind nicht nur die die Gesänge der Ultras im neuen Steigerwaldstadion, die einen vorantreiben. Auch die Wechselgesänge mit anderen Tribünen kommt viel besser und viel lauter als früher“, sagt Klewin. „Das hinterlässt beim Gegner schon Eindruck, das ist einfach so. Nichts ist schlimmer als Stille im Stadion, wir brauchen die Unterstützung. Komisch ist es manchmal, wenn Gegner kommen, die nur eine Handvoll Fans im Gepäck haben – da müssen dann unsere Fans doppelt Stimmung machen.“
Klewin hatte seine (noch junge) Karriere in der Jugend des SV Grün-Weiss Schönstedt (nordwestlich von Bad Langensalza) gestartet, in der Saison 2005/06 kam er in die D-Jugend des RWE. Nachdem er alle Mannschaften in Erfurt durchlaufen hatte, wurde er im Sommer 2012 ins Drittligateam von RWE befördert: „Ich bin eben ein Rotweißer, ich weiß nicht, wie viele Spiele ich mit meinem Vater in der Südkurve gesehen habe.“
Das neue Stadion ist für ihn ein Quantensprung zu manch zugigen Erlebnissen in der Vergangenheit. „Die Erfurter können wirklich stolz auf die Arena sein, die Stadt brauchte einfach so eine Anlage. Vor allem, weil in ihr nicht nur Fußball gespielt wird, sondern auch jede Menge Platz für Leichtathletik ist, Kongresse und Konzerte stattfinden können. Ich war bei Grönemeyer beim Baustellen-Konzert dabei, das war schon der Hammer.“
Und was wünscht sich Klewin für die Zukunft? „Dass die Erfurter das neue Stadion noch besser annehmen, mehr Leute zu uns kommen, um uns zu unterstützen. Wo gibt’s schon so viele Emotionen wie beim Fußball? Ich freue mich schon auf das Spiel gegen Dortmund – da werden wir zum ersten Mal eine volle Hütte haben. Und wir werden alles dafür tun, dass viele Zuschauer wiederkommen werden.“
Super Artikel Henry