Es ist ein typischer Tag im Herbst. Es scheint nicht wirklich hell zu werden und der Wind weht eisig. Christoph Rosa, 32 Jahre alt, Servicetechniker bei der Firma Lindig in Erfurt, ist bei einem Kunden und wechselt gerade den Hydraulikschlauch eines Gabelstaplers, als plötzlich sein Funkmelder Alarm schlägt:
„Einsatz für Freiwillige Feuerwehr Großrudestedt. Auf dem Alperstedter See wurde hilflose Person gemeldet. Bitte übernehmen!“
Der Funkspruch kommt von der zentralen Leitstelle der Erfurter Feuerwehr. Ein Passant hat die 112 gewählt, weil er beobachtete, wie ein Boot kenterte. Die Leitstelle in Erfurt alarmiert daraufhin daraufhin neben der Freiwilligen Feuerwehr Alperstedt auch die Stützpunktfeuerwehr aus Großrudestedt – und damit Christoph. Er engagiert sich dort mit Leidenschaft. Das heißt: auch nachts, wenn er selbst Geburtstag feiert oder arbeitet. Dann muss er sofort los – das will er auch, denn es ist ihm wichtig, anderen zu helfen.

Christoph Rosa sichert den Stapler, gibt dem Kunden und seinem Chef Bescheid und rennt zum Auto. Von seiner Arbeitsstätte bis zur Feuerwehr sind es rund vier Minuten Fahrt. Am Gerätehaus wuseln schon zwei Kameraden. Sie fahren das Schlauchboot samt Hänger aus der Halle und kuppeln den Hänger mit dem Transporter. Alles sekundenschnell und wortlos. Jeder Handgriff sitzt. Fünf Kameraden der Feuerwehr fahren mit Blaulicht und Martinshorn Richtung Einsatzort.
Insgesamt dauert es elf Minuten von der Alarmierung bis zum Einsatzort. Mitten auf dem See ist ein kleines Boot gekentert. Eine Person ist nicht zu sehen. Die Männer und Frauen der Feuerwehr lassen ihr Boot zu Wasser und beginnen zu paddeln. Moment. Paddeln? Ja, richtig gelesen: Sie müssen sich mit Muskelkraft auf die Mitte eines 66 Hektar großen Sees begeben. Bisher lief alles automatisiert und in Windeseile ab. Jetzt scheint die Welt stehenzubleiben. Wer schon einmal mit einem Ruderboot unterwegs war, weiß, dass es nicht gerade das schnellste Fortbewegungsmittel ist 😉
Motorisiert unterwegs – dank 20 x 1000
Heute war es zum Glück nur eine Übung. Das Boot ist nicht wirklich gekentert. Die hilflose Person war nur imaginär. Christoph Rosa ist erleichtert, aber nachdenklich. „Auch wenn das Ganze nur eine Übung war, sowas kann jederzeit passieren. Mit unserem manuellen Schlauchboot sind wir viel zu langsam“, sagt er mit trüber Miene.
Klar, dass schnellstmöglich eine motorisierte Variante her musste. „Die Idee hatten wir schon seit 2014. Nur die Umsetzung war schwer. Wie so oft scheiterte es an der Finanzierung“, berichtet Christoph Rosa.
Damit es nicht nur mit dem Rettungsboot, sondern auch langfristig mit der Unterstützung der Feuerwehr vorwärts ging, gründeten sie einen Förderverein. Schnell fanden sich erste Unterstützer. Christoph Rosa: „Jeder Euro zählte. Da kamen die 1000 Euro von den Stadtwerken Erfurt gerade richtig. Wir haben uns bei 25 x 1000 beworben und gehörten zu den Gewinnern. Davon profitieren nicht nur wir, sondern auch die Erfurter.“
Die Erfurter Seen: Fluch und Segen
Der Alperstedter See im Norden der Landeshauptstadt ist aus einer alten Kiesgrube entstanden. Noch bis zum Jahr 2050 wird in diesem Gebiet Kies abgebaut. Zukünftig werden daher weitere Seen entstehen – und die Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren vermutlich steigen. Warum? Die Seen sind Anziehungspunkt für Schwimmer, Taucher, Surfer, Angler, Bootsführer etc. Unfälle sind quasi vorprogrammiert:
Ein Kitesurfer stürzt und kugelt sich die Schulter aus. Ein Angler wird im Boot auf dem See ohnmächtig. Ein Schwimmer hat einen Krampf. Ein Schwan hat einen gebrochenen Flügel. Die Einsatzmöglichkeiten auf dem Alperstedter See sind vielfältig – und ja, auch Tierrettung gehört dazu.
„Um Projekte wie diese zu fördern, haben wir die Aktion 20×1000 ins Leben gerufen. Wir wollen Menschen im Ehrenamt die Arbeit und die Umsetzung ihrer Projekte erleichtern. Auch wenn wir in diesem besonderen Fall hoffen, dass das Rettungsboot nicht zu oft eingesetzt werden muss,“ sagt Sabine Hölterhoff, Leiterin Konzernmarketing der Stadtwerke Erfurt.
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