Es ist fertig. Naja fast. Max Kosta sprüht nur noch die letzten Konturen, dann ist das riesige Graffito am Umspannwerk Melchendorf fertig. Ein typisches  Graffiti-Werk ist es nicht. Kann es auch nicht, denn Kosta kombiniert gern verschiedene Techniken: moderne und klassische Malerei, Elemente der Kunstgeschichte. Und das ist das Besondere an seinem Projekt, das an ein altes Foto aus den Anfängen der Fotografie erinnert.

Was das Bild zeigt? Eine Timeline zur Geschichte der Energieversorgung. Es erzählt eine ganze Geschichte, angefangen  von der ersten Windmühle über das Industriezeitalter bis hin zu den erneuerbaren Energien.

Wer sich Zeit nimmt, entdeckt darauf Otto von Guericke, aber auch William Gilbert, Benjamin Franklin, die Herren Volta und Amper, Werner von Siemens oder Thomas Edison, George Westinghouse und so manch anderen. Auch Marie und Pierre Curie haben sich eingefunden. Sie sitzen beim Picknick – bezeichnenderweise direkt vor einem Atomkraftwerk.

Was Benjamin Franklin mit Energieversorgung zu tun hat, fragen Sie sich? Nichts leichter als das: Einfach die QR-Codes auf dem Monumentalgemälde – denn das ist es mit 280 Quadratmetern – scannen und mehr über die Menschen erfahren, die Kosta, DenzilP. und Herr Haase auf die Wand gesprüht haben. Neben jeder Persönlichkeit ist ein Code. Scannt man ihn, gibt er Auskunft über den Menschen und seine größten Erfindungen.

Allein ist so ein Riesenprojekt nicht zu stemmen, das weiß Kosta und hat sich mit den beiden zwei enge Freunde ins Boot geholt. Sie kennen sich seit frühester Jugend, haben schon in Bad Salzungen zusammen gesprüht. „Das waren tolle Zeiten. Die Stadt ist so klein und hat dennoch in Deutschland die meisten Flächen zum Sprühen freigegeben. Am liebsten wollten wir auf jeder Wand präsent sein“, erinnert er sich und greift wieder zur Sprühdose.

Schon, als es darum ging, den Entwurf zu planen, haben DenzilP. und Kosta sich intensiv ausgetauscht.  Denn das ganze Bild, das mit Sepia-Farbtönen startet und in Richtung der neuen Zeit immer farbiger wird, ist nicht nur schön anzuschauen. Es hat auch was zu erzählen. Man kann sogar was lernen und das will man, sowie man tiefer in die Timeline einsteigt. „Das haben wir unserem Pädagogen zu verdanken“, meint Kosta und grinst DenzilP. fröhlich an.

Währenddessen steigt Herr Haase auf das Gerüst, das die SWE Netz GmbH gestellt hat. Tagsüber sitzt der junge Architekt am Schreibtisch, an Tagen wie heute geht er sprayen. Fast ist es wie in alten Zeiten, auch wenn DenzilP. und Herr Haase dafür Urlaub genommen haben. „Es ist ein tolles Projekt, da sind wir gern dabei“, sagt er und verrät, dass sie schon wieder am nächsten arbeiten. Über 1200 Dosen haben die drei leergesprüht. Immer wieder kommen Passanten vorbei: eine Mutter mit drei kleinen Kindern, ein älteres Paar mit Hund. Alle stehen und staunen. „Das ist aber schön“, hören die drei Sprayer nicht nur einmal am Tag.

Im Bild steckt so viel drin, dass man sich unweigerlich fragt: Wie haben die jungen Leute das nur geschafft? Zumal die Geschichte der Energieversorgung auf einem Graffito nicht gerade leichter Tobak ist. Da reicht es nicht, ein Windrad und Sonnenblumen an die Wand zu sprühen.

Graffiti am Umspannwerk Melchendorf
Monumental: Das Kunstwerk in Melchendorf vereint Elemente aus Graffitikunst und klassischer Malerei.

Wochenlang  haben die drei recherchiert und sich intensiv mit den bedeutendsten Personen in der Entwicklung der Stromversorgung und ihren bahnbrechenden Erfindungen befasst. „Am Ende war die Auswahl das Schwerste“, sagt Kosta. 27 Jahre alt ist der junge Mann und hat schon viel erlebt. Schon mit 19 machte er sich selbstständig. „So nebenbei, das ging irgendwie nicht mehr“, sagt er und erzählt, dass er auf Auftragsbasis sprühte und viel herumkam.

Über das Goethe-Institut in Strasbourg war er in Frankreich als Dozent an Schulen unterwegs und führte die Jugendlichen in die Sprayerkunst ein. 25 Orte und Schulen hat er bereist und seine Begeisterung für die Kombination aus Graffitikunst und klassischer Malerei weitergegeben. Seine Heimat hat er inzwischen in Eisenach gefunden. „Es ist toll vor Ort zu sein und zu sehen, wie sich die Stadt entwickelt. Hier kann man als Künstler viel bewegen“, sagt der junge Mann, der zwei eigene Ateliers betreibt. Studio Karlstroem war lange Zeit der Treffpunkt für Kreative. Hier wurde gesprayt, genäht, Schmuck kreiert, Haare wurden geschnitten. Inzwischen ist es etwas ruhiger geworden, vielleicht auch, weil seine Projekte zahlreicher werden. In ganz Europa ist Kosta unterwegs. Einige seiner Werke waren in Paris, London, Amsterdam, Mailand oder Barcelona zu sehen.

Mit dem Studio35 betreibt er seit 2016 ein Ladenlokal für Designartikel, Mode und Kreatives in Eisenach.

Mehr zum Eisenacher Kunstmaler gibt es unter www.maxkosta.de

Fotos: Steve Bauerschmidt